Die nun seit Jahren anhaltenden Autonomieverletzungen seitens Italiens beweisen, dass es einen Kurswechsel in der Zukunftsfrage für Süd-Tirol braucht. Die Entwicklungen in Europa, allen voran in Schottland und Katalonien, unterstreichen außerdem, dass die internationalen Voraussetzungen dafür günstig wie lange nicht sind. Der Weg in die Unabhängigkeit von Italien und damit in eine gesicherte Zukunft für unser Land, sei es in Form eines eigenen souveränen Staates oder durch die Wiedervereinigung mit dem Bundesland Tirol, wird aber weniger ein Sprint als vielmehr ein Marathonlauf sein; ein Prozess, der sorgfältig und konsequent vorbereitet und geführt werden muss!
Historische und aktuelle Entwicklungen zeigen, wie ein solcher Prozess befeuert und begleitet werden kann. In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 unter der Bezeichnung „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen“ ein eigenes Ressort für die Wiedervereinigung errichtet. 1969 erhielt es die neue Bezeichnung „innerdeutsche Beziehungen“, eine programmatische Änderung, mit der die neue Ostpolitik zum Ausdruck kam. 1991 wurde dieses Ministerium dann aufgelöst. Bundeskanzler Helmut Kohl stellte während der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag in Bonn am 28. November 1989 einen Zehn-Punkte-Plan zur schrittweisen Wiederherstellung der deutschen Einheit vor. Seine Worte beschrieben treffend, wofür das einstige „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen“ stand:
„Der Weg zur deutschen Einheit, das wissen wir alle, ist nicht vom „grünen Tisch“ oder mit einem Terminkalender in der Hand zu planen. Abstrakte Modelle kann man vielleicht polemisch verwenden, aber sie helfen nicht weiter, Aber wir können, wenn wir nur wollen, schon heute jene Etappen vorbereiten, die zu diesem Ziel hinführen!“
Diese Etappen beschrieb Bundeskanzler Kohl in seinem berühmt gewordenen Zehn-Punkte-Plan:
„Erstens: Die Bundesregierung ist zu sofortiger, konkreter Hilfe dort bereit, wo diese Hilfe jetzt benötigt wird. Zweitens: Die Bundesregierung wird wie bisher die Zusammenarbeit mit der DDR in allen Bereichen fortsetzen, die den Menschen auf beiden Seiten unmittelbar zugute kommt. Drittens: Ich habe angeboten, unsere Hilfe und unsere Zusammenarbeit umfassend auszuweiten, wenn ein grundlegender Wandel des politischen und wirtschaftlichen Systems in der DDR verbindlich beschlossen und unumkehrbar in Gang gesetzt wird. Viertens: Diese Zusammenarbeit wird zunehmend auch gemeinsame Institutionen erfordern. Fünftens: Wir sind aber auch bereit, noch einen entscheidenden Schritt weiterzugehen, nämlich konföderative Strukturen zwischen beiden deutschen Staaten in Deutschland zu entwickeln mit dem Ziel, danach eine Föderation, das heißt eine bundesstaatliche Ordnung, zu schaffen. Sechstens: Die künftige Architektur Deutschlands muss sich einfügen in die künftige Architektur Gesamteuropas. Siebtens: Den Prozess der Wiedergewinnung der deutschen Einheit verstehen wir als europäisches Anliegen. Achtens: Der KSZE-Prozeß ist ein Herzstück dieser gesamteuropäischen Architektur. Neuntens: Die Überwindung der Trennung Europas und der Teilung Deutschlands erfordern weitreichende und zügige Schritte in der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Zehntens: Die Wiedervereinigung, das heißt die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands, bleibt das politische Ziel der Bundesregierung.“
Auch Süd-Korea hat ein eigenes Ministerium für die Wiedervereinigung. Dieses befasst sich mit Fragen, die in ähnlicher Art auch für Süd-Tirol zutreffend sind: Welche Maßnahmen müssen auf politischer, administrativer und polizeilicher Ebene getroffenen werden, wenn zwei Länder sich wiedervereinigen? In welcher Form kann dies geschehen? Welche Probleme gibt es? Wie kann die politische Aufarbeitung angegangen werden?
Aus all diesen Erfahrungen heraus stellen die Unterfertigten folgenden
Antrag
Der Süd-Tiroler Landtag wolle beschließen:
- Die Süd-Tiroler Landesregierung wird beauftragt, ein eigenes Ressort für Unabhängigkeit und Wiedervereinigung, das ein/e Landesrat/Landesrätin ohne zusätzliche Kosten mit übernehmen soll, einzuführen.
- Der/die Landesrat/Landesrätin soll dem Landtag im Halbjahresrhythmus über den Fortschritt der Arbeiten Bericht erstatten.
L.-Abg. Bernhard Zimmerhofer
L.-Abg. Sven Knoll
L.-Abg. Myriam Atz Tammerle
Süd-Tirol, 19. Dezember 2014.
Abstimmungsergebnis: Mehrheitlich abgelehnt.
Ja-Stimmen 10
Gegenstimmen 20
Enthaltungen 1