Hohe Geistlichkeit!
Liebe Schützenkameraden und Marketenderinnen!
Liebe Tirolerinnen und Tiroler!
Als ich die Einladung erhalten habe, hier am heutigen Andreas Hofer Gedenktag in Neustift die Ansprache zu halten, habe ich lange überlegt, was man über Andreas Hofer wohl noch neues sagen könnte.
Wir alle kennen seine Geschichte, wie er vom einfachen Händler und Sandwirt, zum Anführer der Tiroler Erhebung gegen Napoleon wurde und wie er den Preis dafür, mit seinem Leben bezahlen musste.
Wir alle kennen die Mythen und Legenden, die sich um Andreas Hofer gebildet haben und wir alle wissen, dass mit seinem Namen im Laufe der Zeit auch viel Schindluder getrieben wurde.
Doch kennen wir eigentlich auch den Menschen, der hinter diesem Namen Andreas Hofer steht?
In den letzten Jahren wurde von verschiedenen Seiten immer wieder versucht, den Menschen Andreas Hofer schlecht zu reden und sein Handeln in ein schiefes Licht zu rücken.
Doch wenn wir heute unseren Blick zurück in das für uns schon so ferne Jahr 1809 werfen, dann können wir uns wohl nur schwer in die Lage der Zeit versetzen und auch nicht wirklich nachempfinden, was in den Köpfen der Menschen damals vorging.
Es wäre daher falsch, die Taten von einst mit den Maßstäben von heute zu messen, oder daraus gar Schlüsse über deren Sinn und Erfolg zu ziehen.
Dies gilt auch für Andreas Hofer, der letztlich ein Kind seiner Zeit war und sein Streben nicht nach einer geschulten akademischen, oder militärischen Ausbildung ausrichtete, sondern nach dem, was vielen Menschen heute Abhanden gekommen ist, nämlich nach bestem Wissen und Gewissen.
Dass manche seiner Entscheidungen vielleicht voreilig waren, oder sich im nachhinein als falsch herausstellten, ist dabei nicht ein Makel, der am Mythos Andreas Hofer kratzt, sondern im Gegenteil, nichts weiter als Ausdruck seiner Menschlichkeit.
Die wahren Helden der Geschichte sind nämlich nicht kühne und fehlerlose Recken, die nichts Menschliches an sich haben und gottähnliche Taten vollbringen. Nein, die wahren Helden der Geschichte sind normale Menschen, mit all ihren guten und schlechten Eigenschaften, und auch mit all ihren Fehlern und Schwächen.
Sie unterscheiden sich aber darin, dass sie in der Stunde der Entscheidung nicht resignieren und die Hände in den Schoß legen, sondern sich ihrer Verantwortung bewusst werden und selbstlos für eine Sache einstehen.
Es sind dies die Menschen, die mit einem Federstrich die Welt verändern. Und so ein Mensch war Andreas Hofer!
Ich habe mir oft die Frage gestellt, was Andreas Hofer wohl sagen würde, wenn er uns heute sehen könnte?
Was würde er wohl dazu sagen, wenn er sehen könnte, dass seine Tiroler Heimat heute wieder, und nach fast 90 Jahren noch immer, geteilt ist. Dass sein südliches Tirol von einem fremden Staat besetzt wird, der kein Anspruch auf dieses Land hat und der bis zum heutigen Tage keine Gelegenheit ausgelassen hat, uns zu demütigen, unsere Sprache und Kultur auszumerzen und unser Land gewaltsam zu italienisieren?
Freilich, wir haben heute eine Autonomie, die uns zweifelsohne viele Vorteile und einen ansehnlichen Wohlstand gebracht hat. Doch kann Wohlstand allein, den uns ohnehin niemand auf Dauer garantieren kann, wirklich ein Ersatz für eine gesicherte Zukunft, oder gar ein Ersatz für Freiheit sein?
Fragen wir uns doch einmal selbst:
– Wie frei sind wir eigentlich, wenn wir die faschistischen Relikte, die uns Süd-Tiroler tagtäglich beleidigen, nicht entfernen, ja noch nicht einmal dokumentieren dürfen, weil sie der ganze Stolz Italiens sind?
– Wie frei sind wir, wenn wir nicht einmal selbst darüber entscheiden können wie unsere Dörfer, Städte, Berge und Flüsse heißen, sondern man uns neue, künstlich geschaffene italienische Namen aufzwingt, nur um eine flächendeckende italienische Besiedlung vorzutäuschen, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt?
– Wie frei sind wir, wenn Landsleute von uns bis heute nicht nach Süd-Tirol einreisen dürfen, nur weil sie sich für die Freiheit unserer Heimat eingesetzt haben, jene aber, die unsere Männer gefoltert und ermordet haben, noch immer ungestraft herumlaufen?
– Wie frei sind wir, wenn man unser Recht auf Gebrauch der deutschen Muttersprache immer wieder mit Füßen tritt und wir uns von italienischen Polizeibeamten beschimpfen und beleidigen lassen müssen?
– Wie frei sind wir, wenn unsere Landeshymne „Zu Mantua in Banden“ in Süd-Tirol offiziell nicht anerkannt wird, weil man dies den Italienern angeblich nicht zumuten kann?
– Wie frei sind wir, wenn Horden von Faschisten ungestraft durch Bozen marschieren und vor dem Rathaus Tiroler Fahnen verbrennen können, unschuldige Dorfpfarrer aber angezeigt werden, nur weil sie eine Fronleichnamprozession nicht angemeldet haben?
– Und, wie frei sind wir eigentlich, wenn wir in einem vereinten Europa im Jahr 2008, nicht einmal selbst darüber entscheiden können, ob wir zu Italien gehören wollen oder nicht?
Was würde Andreas Hofer wohl zu alledem sagen?
Oder sollten wir uns vielleicht besser die Frage stellen, was Andreas Hofer dazu sagen würde, wenn er wüsste, dass wir heute zwar alle demokratischen Möglichkeiten haben, diesem Unrecht ein Ende zu bereiten, aber nichts dagegen unternehmen?
Schützen!
Im nächsten Jahr feiern wir das 200jährige Jubiläum der Erhebung Tirols im Jahre 1809. Aber welchen Sinn macht es, ein solches Jubiläum zu feiern und dabei den Heldenmut der Tiroler zu loben, die sich damals gegen die Fremdbestimmung zur Wehr gesetzt haben, wenn wir, die wir heute wieder fremdbestimmt sind, nicht denselben Mut an den Tag legen?
Die Zeiten haben sich inzwischen geändert, wir brauchen heute keine Waffen, keine Schwerter, Sensen und Heugabeln mehr, um uns zur Wehr zu setzten. Wir haben heute eine Waffe die wesentlich stärker ist, nämlich die Macht des Wortes und das verbriefte Recht auf Selbstbestimmung.
Aber Gebrauch müssen wir davon machen!
Nicht nur Andreas Hofer und der Freiheitskampf von 1809, sondern auch die jüngste geschichtliche Entwicklung in Europa (gerade erst die heute stattfindende Unabhängigkeit des Kosovos), haben uns doch gezeigt, dass sich die Freiheit auf Dauer nicht wegsperren lässt und dass der Wille und die Entschlossenheit eines Volkes stärker sind, als die größten und stärksten Armeen der Welt.
Es liegt daher nur an uns, an jedem einzelnen von uns, ob wir einer gesicherten und freien Zukunft entgegenblicken, oder nicht.
Wir können uns nämlich sicher sein, dass die Zeit gegen uns arbeitet.
Tag, für Tag, für Tag.
Die Frage nach der Zukunft Süd-Tirols ist schon längst nur mehr eine Frage der Zeit. Wie viel Zeit bleibt uns noch, bis Süd-Tirol endgültig assimiliert und italienisiert ist?
Wir sind die letzte Generation, die noch einmal die Möglichkeit haben wird, eine Veränderung herbeizuführen. Wenn wir nicht handeln und vor allem wenn wir nicht die politische Dynamik des Freiheitsjahres 2009 nützen, dann wird es zu spät sein, und dann werden wir es sein, die wir uns vor unseren Kindern, aber auch vor der Geschichte dafür zu verantworten haben, dass wir die Zeichen und Gefahren zwar erkannt, aber im Gegensatz zu Andreas Hofer, nichts dagegen unternommen haben.
In diesem Sinne möchte ich meine Ansprache mit dem Zitat des griechischen Gelehrten Perikles beenden, der bereits in der Antike gesagt hat:
„Wisset, dass das Geheimnis des Glücks die Freiheit, die Voraussetzung der Freiheit, aber der Mut ist.“
Lasst uns daher endlich den Mut aufbringen, nichts anderes zu fordern, als das was uns zusteht, nämlich die FREIHEIT.
Es lebe Tirol!