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Ortsnamengebung: Begründungen sind blanker Hohn

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Ortsnamengebung: Begründungen sind blanker Hohn

Auf der letzten Sitzung der 1. Gesetzgebungskommission des Südtiroler Landtags wurde der Gesetzentwurf der Süd-Tiroler Freiheit zur Ortsnamengebung mit zwei Nein-Stimmen (Denicolò, Minniti), einer Enthaltung (Stocker) und zwei Ja-Stimmen (Pahl, Klotz) abgelehnt. Für den Sprachwissenschaftler und ehemaligen Landestoponomasten Cristian Kollmann, der den Gesetzentwurf wissenschaftlich ausarbeitete, sind die Begründungen für die Ablehnung blanker Hohn.

Zwar schätze die Mehrheit der Kommission den wissenschaftlichen Zugang, erklärte Denicolò, doch er stehe zum SVP-Antrag. Mehr an Begründung war nicht zu vernehmen. Stocker begründete ihre Enthaltung damit, dass der Gesetzentwurf der SVP auch den politisch-rechtlichen Erfordernissen Rechnung trage. Just an dieser Stelle gilt es einzuhaken: Was heißt denn hier "auch"? Dieses Wörtchen suggeriert, dass der Gesetzentwurf der SVP durchaus wissenschaftlich fundiert, doch im Gegensatz zu jenem der Süd-Tiroler Freiheit auch noch politisch und rechtlich vertretbar sei. Fakt ist jedoch Folgendes: 1. Der Gesetzentwurf der SVP entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage, weil nicht differenziert wird zwischen historisch gewachsenen und nur scheinbar historischen und somit pseudoitalienischen und faschistisch belasteten Namen. 2. Der Gesetzentwurf der SVP trägt bestenfalls insofern den politischen Erfordernissen Rechnung, als damit all jene pseudoitalienischen Namen amtlich bleiben würden, an die sich die Italiener gewöhnt haben und die sie mittlerweile als Kulturgut empfinden. Genau diese Vision hegte kein Geringerer als Ettore Tolomei, der Erfinder des "Alto Adige", von Anfang an – und mit der Unterstützung der SVP soll nun Tolomei posthum sein Ziel weitestgehend erreichen! 3. Der Gesetzentwurf der SVP trägt den rechtlichen Erfordernissen in keiner Weise Rechnung, denn eine flächendeckende Zweisprachigkeit in der Ortsnamengebung oder gar durchgehende Übersetzung von Namen ist weder im Pariser Vertrag noch im Autonomiestatut vorgesehen. Zudem ist in keiner gesetzlichen Bestimmung von den faschistischen Dekreten und somit den Namenserfindungen Tolomeis die Rede. – Mit ihrem Nein zu einer wissenschaftlich fundierten und ihrem Ja zu einer faschistisch belasteten Ortsnamengebung zeigt die SVP einmal mehr, dass sie immer noch nicht bereit ist, sich auf einen wissenschaftlichen Diskurs einzulassen. Diesen lediglich bei anderen zu schätzen, statt ihn selbst zu pflegen und dementsprechend zu handeln, ist blanker Hohn, wenn am Ende das (Un-)Werk Tolomeis großzügig honoriert werden soll.

Cristian Kollmann, Südtiroler Freiheit, Laurein

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