Vor etwa 2 Jahren wurden in Nord-, Ost- und Süd-Tirol zwei repräsentative Meinungsumfragen zum Thema Selbstbestimmung durchgeführt. Diese ergaben, dass sich 55% der deutsch- und ladinischsprachigen Süd-Tiroler eine Loslösung von Italien wünschen, während 54% der Nord- und Ost-Tiroler eine sofortige Wiedervereinigung Tirols befürworten würden. Im Auftrag der ARBEITSGRUPPE FÜR SELBSTBESTIMMUNG wurde nun eine neuerliche Umfrage in Süd-Tirol durchgeführt, um die Einstellung der italienischsprachigen Bevölkerung in Süd-Tirol zur Selbstbestimmung zu eruieren.
In der Zeit vom 12. bis zum 28. August 2008 wurden 502 in Süd-Tirol ansässige wahlberechtigte Bürger italienischer Muttersprache, vom Bozner Meinungsforschungsinstitut APOLLIS zum Thema Selbstbestimmung befragt.
Die Fragestellung konzentrierte sich dabei auf folgende drei Bereiche:
1) Seit einiger Zeit wird von Teilen der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung das Recht auf Selbstbestimmung eingefordert. Halten Sie es für gerechtfertigt, mittels einer lokalen Volksabstimmung darüber entscheiden zu lassen, ob Süd-Tirol weiterhin zu Italien gehören soll, oder nicht?
41% JA
59% NEIN
Auffallend ist beim Abstimmungsverhalten zu dieser Frage, dass die in Süd-Tirol geborenen Italiener eine Volksabstimmung zu einem höheren Anteil ablehnen als zugewanderte oder im Ausland geborene Italiener. Bei letzteren hält sogar die Mehrheit der Befragten eine Volksabstimmung für gerechtfertigt.
2) Angenommen es käme zu einer solchen Volksabstimmung, und im Falle einer Abspaltung Süd-Tirols von Italien würde der italienischsprachigen Bevölkerung die Bewahrung ihrer sprachlich- kulturellen Identität garantiert, wofür würden Sie sich entscheiden?
78 % Verbleib bei Italien
20% Eigener Freistaat
2% Zurück zu Österreich
Auffallend ist beim Abstimmungsverhalten zu dieser Frage, dass es große Unterschiede aufgrund der politischen Grundorientierung und des Wohnortes in Süd-Tirol gibt. Während Anhänger italienischer Rechtsparteien eine Abspaltung entschieden ablehnen, würden sich bei jenen der Zentrums- bzw. Mitte-Links Parteien immerhin ¼ dafür aussprechen. In den Gemeinden mit einer deutlichen deutschsprachigen Bevölkerungsmehrheit würden sich sogar 30% der befragten Italiener für eine Abspaltung von Italien aussprechen.
3) (Für alle, die für den Verbleib bei Italien gestimmt haben) Angenommen, die wirtschaftliche, soziale und politische Situation würde sich in Italien entscheidend verschlechtern, wären Sie immer noch gegen eine Abspaltung Süd-Tirols von Italien, oder könnten Sie dann eine solche befürworten?
84% weiter gegen Ablösung
16% eher für Ablösung
Auffallend ist beim Abstimmungsverhalten zu dieser Frage, dass im Falle einer deutlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation in Italien, es wiederum die zugewanderten oder im Ausland geborenen Italiener sind, die mit 27% am deutlichsten ihre Meinung ändern würden und sich somit doch für eine Abspaltung von Italien aussprächen.
Hochgerechnet auf das Gesamtergebnis einer Volksabstimmung bedeutet dies, dass sich unter bestimmten Voraussetzungen nur knapp die Hälfte der Italiener definitiv für einen Verbleib bei Italien aussprechen würde.
Bis zu einem Drittel der italienischsprachigen Bevölkerung Süd-Tirols würde sich hingegen sogar für eine Abspaltung von Italien aussprechen.
55,2% definitiv für einen Verbleib bei Italien
32,6% für eine Ablösung von Italien
12,2% keine Angabe (bzw. unentschlossen)
Die ARBEITSGRUPPE FÜR SELBSTBESTIMMUNG bewertet dieses Umfrageergebnis als höchst interessant und aufschlussreich, da daraus hervorgeht, dass sich im Falle einer Volksabstimmung auch viele Italiener für ein Süd-Tirol ohne Italien aussprechen würden.
Das Ergebnis der Umfrage zeigt somit, dass viele Italiener der Durchführung einer Selbstbestimmung wesentlich offener gegenüber stehen, als von der Politik vielfach angenommen.
Insbesondere die Italiener, die nicht in Süd-Tirol geboren sind, zeigen ein weitaus größeres Verständnis für die Unabhängigkeitsbestrebungen Süd-Tirols.
Die ARBEITSGRUPPE FÜR SELBSTBESTIMMUNG sieht sich daher in ihrer Haltung bestätigt, dass die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes keineswegs eine Utopie, oder gar ein Angriff auf die italienischsprachige Bevölkerung in Süd-Tirol ist, sondern sogar von einem großen Teil derselben befürwortet wird.
Es gibt also keinen Grund, die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes noch länger hinauszuzögern.
Entscheidend erscheint der ARBEITGSRUPPE FÜR SELBSTBESTIMMUNG in dieser Diskussion dabei besonders die Zusicherung an die Italiener, dass im Falle einer Abspaltung von Italien den Italienern die Bewahrung ihrer sprachlich- kulturellen Identität gewährt würde.
Denn wenn man es heute für die Süd-Tiroler als zumutbar erachtet, mit einer Autonomie in dem ihnen fremden Nationalstaat Italien zu leben, kann man es morgen auch den Italienern zumuten, mit derselben Autonomie (dann zu ihrem Schutze), ohne Italien zu leben.
Sven Knoll
Sprecher der
ARBEITSGRUPPE FÜR SELBSTBESTIMMUNG