Zweifellos gewinnt Mehrsprachigkeit in Europa und in der Welt zunehmend an Bedeutung. Doch sollte mit diesem Begriff nicht übertrieben werden. Mehrsprachige Kompetenz kann sich nur dann gedeihlich entfalten, wenn der Sprecher sich mindestens in einer Sprache, das heißt in seiner Muttersprache, sicher bewegen kann. Und das ist bei den Südtirolern deutscher Muttersprache keine Selbstverständlichkeit, zumal sie zum einen eine ethnisch-sprachliche Minderheit sind und zum anderen von Haus aus Tiroler Dialekt sprechen. Neben der Pflege des Tiroler Dialekts gilt es daher, in erster Linie die deutsche Standardsprache zu erlernen.
Der Einsatz einer anderen Sprache als das Deutsche im Fachunterricht
würde bedeuten, dass diese Stunden auf Kosten des Deutschen und somit
des Einprägens von fachspezifischen Ausdrücken gehen würden. Dies würde
zu einer Schwächung der muttersprachlichen Kompetenz insgesamt führen
(ein regelrechter Zynismus wäre in diesem Zusammenhang der Geschichts-
oder Geografieunterricht mit tolomeisch-faschistischen Begriffen,
angefangen bei „Alto Adige“). Wenn nun das ladinische Modell
hervorgehoben wird, dann ist aber auch zu erwähnen, dass das Ladinische
immer noch im Ausbau begriffen ist und gerade in Bezug auf die
Fachterminologie auch in Zukunft aus dem Deutschen oder Italienischen
schöpfen wird. Außerdem ist das Verbreitungsgebiet des Ladinischen viel
kleiner als jenes des Deutschen. Minderheiten in einem fremdnationalen
Staat dürfen nicht riskieren, ihr muttersprachliches Gespür zu
verlieren und langfristig im Staatsvolk aufzugehen. Durchaus sollen
jedoch auch für deutsche Südtiroler Kenntnisse weiterer Sprachen
vertiefend vermittelt werden, aber im Sprachunterricht, und hier
möglichst sprachvergleichend, und durch Schüleraustausch, nicht im
Fachunterricht.
Dr. Cristian Kollmann