Zur Ortsnamengebung standen heute zwei Vorlagen zur Debatte. Ein Beschlussantrag der Freiheitlichen forderte die Landesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die historischen und volklichen Werte des Landes berücksichtigt, wobei die Anwendung der faschistischen Dekrete nicht als Tradition zu werten sei. Außerdem sei eine Prozentlösung von mindestens 20 Prozent Bevölkerungsanteil pro Volksgruppe anzustreben: Zweisprachigkeit dort, wo eine Volksgruppe mindestens 20 Prozent ausmacht. Ein Gesetzentwurf der SÜD-TIROLER FREIHEIT sieht die Abschaffung der faschistischen Dekrete und die Wiedereinführung der historischen Namen.
Außerdem wird eine Liste von historisch belegten mehrsprachigen Namen
angeführt, die beibehalten bzw. wieder eingeführt werden soll. Auch der
Entwurf der SÜD-TIROLER FREIHEIT sieht eine 20-Prozent-Lösung vor: Wo
eine Bevölkerungsgruppe weniger als 20 Prozent erreicht, werden die
Namen in unterschiedlicher Schriftgröße angeführt. Auf den
ortshinweisenden Straßenschildern wäre die Schriftgröße immer gleich
groß, nur die Reihung würde sich nach der Größe der Volksgruppen
richten.
Pius Leitner (F) wunderte sich über die Stellungnahme des Rates der
Gemeinden zum Gesetzentwurf: Wenn man um des friedlichen Zusammenlebens
willen auf alles verzichte, dann werde es eben nie ein friedliches
Zusammenleben geben. Der Rat der Gemeinde befinde, die Gemeindenamen
seien Zuständigkeit der Region, die Landesregierung sei offensichtlich
anderer Meinung. Laut SVP-Fraktion seien die faschistischen Dekrete de
facto außer Kraft, weil die deutschen Namen ja ohne Beanstandung
verwendet würden. Dieser Logik könne er nicht folgen, meinte Leitner.
Nach so vielen Diskussionen sei man anscheinend immer noch nicht in der
Lage, zumindest die rechtliche Situation klar zu sehen. Pius Leitner
ging in seiner Rede auch auf die faschistischen Relikte ein, die in
anderen Ländern längst entfernt worden wären.
Die Regelung der Ortsnamensfrage sei schon seit Jahren im
Koalitionsprogramm enthalten, dennoch habe man noch nie eine Lösung
gefunden. Die Toponomastik interessiere nicht so viele Leute, aber das
sei keine Entschuldigung, nichts zu tun. Der Gesetzentwurf von Klotz
sei sicher wissenschaftlich korrekt, die Freiheitlichen würden aber
einen tragbaren Kompromiss anbieten, und zwar mit der Prozentlösung,
die den UN-Vorgaben entspreche. Da die Italiener zum Großteil in den
Städten lebten, würde ihnen praktisch nichts genommen. Der italienische
Namen von Leifers sei historisch nicht belegt, aber dort lebten zu zwei
Dritteln Italiener – in solchen Fällen müsse man von der reinen Lehre
abweichen.
Um ihr Anliegen zu verdeutlichen, redete Eva Klotz (SÜD-TIROLER FREIHEIT) eine Reihe von
Abgeordneten mit übersetztem Namen an, angefangen bei LH „Luigi Durna“.
Hätte Tolomei sein Werk vollendet, wäre nur mehr ein Drittel der
Familiennamen übrig. Namen seien, außer bei Tolomei, nie erfunden,
sondern phonetisch angepasst worden, an ihnen lasse sich die
Siedlungsgeschichte nachvollziehen. Namen seien daher auch
Kulturgeschichte. Tolomei habe nicht italienische, sondern italienisch
klingende Namen erfunden, um möglichst schnell den Nachweis einer
italienischen Besiedlung erbringen zu können – es wäre eine
Kulturschande, dies als Kulturgut anzuerkennen.
Auch ihr Vorschlag sei ein Kompromiss, sagte Klotz, er enthalte über
200 Doppelnamen. Auch nicht in Katalonien oder Estland gebe es so viele
Doppelnamen, in der Schweiz gebe es ganze sieben. Jedes
Toponomastikgesetz, das der Landtag verabschiede, werde vor dem
Verfassungsgericht landen – man sollte also darauf achten, die eigene
Würde zu achten und klar aufzeigen, was man wolle.
Klotz zitierte namhafte Italiener, die sich gegen die künstlichen
italienischen Namen ausgesprochen hätten, darunter den Journalisten
Indro Montanelli. Demgegenüber würden sich die Südtiroler im Alltag als
Tolomei-Anhänger ausweisen, wenn sie auf jedem Schriftstück seine
Ortsnamen verwenden. Auch die Touristiker würden sich anbiedern und die
italienischen Namen aus Angst vor Gästeschwund verteidigen. Und dem AVS
mute man diese Schlammschlacht zu. Sie werde für zwei Dinge bis zum
Letzten gehen, die Selbstbestimmung und eine gerechte
Ortsnamensregelung. Wenn man die Sicherheit zugunsten zweisprachiger
Wegeschilder ins Feld führe, dann müsse man sich beim Anblick der
Militärkarten sagen: mit diesen finde kein Schwein mehr heim.
Elmar Pichler Rolle (SVP) zollte Klotz seine Anerkennung für die
Darlegung der historischen Fakten. Niemand stelle dies in Abrede. Es
sei Tatsache, dass nicht nur Ortsnamen, sondern auch Familiennamen
italianisiert wurden. In letzterem Fall sei aber die Möglichkeit
eröffnet worden, die ursprünglichen Namen wieder herzustellen. In
diesem Sinne hoffe er, dass auch bei den Ortsnamen eine Lösung möglich
sei, aber mit einem Hauruckverfahren werde man nicht weiter kommen.
Im Koalitionsabkommen stehe, dass sich die beiden Koalitionspartner um
eine gemeinsame Lösung bemühen werden. Es werde ein Kompromiss gefunden
werden mit denen, die zur Autonomie stehen und nicht alles in Bausch
und Bogen verdammen. Klotz habe recht mit ihrem Verweis auf das
geschehene Unrecht. Aber es habe in der Vergangenheit viele
erfolgreiche Lösungen für das vielfältige Unrecht gegeben, das den
Südtirolern widerfahren sei. Bei einer Lösung sei auch der rechtliche
Rahmen zu berücksichtigen. Die Vertreter der deutschen und ladinischen
Minderheit sollten sich bei diesem Thema nicht in die Haare geraten.
In der Gesetzgebungskommission habe er die Meinung vertreten, die
faschistischen Dekrete seien de facto außer Kraft gesetzt. Dies sollte
klar sein, nachdem seit 1948 in allen rechtlichen Bestimmungen die
deutschen Namen verwendet werden. Wäre es nicht so, hätten Italiens
Regierungen die entsprechenden Landesgesetze außer Kraft gesetzt.
Die SVP werde sich demnächst mit dem PD zusammensetzen, um einen auch
rechtlich tragbaren Lösungsvorschlag auszuarbeiten. Man werde erheben
müssen, welche Namen im Gebrauch seien, die Militärkarten seien dabei
nicht ausschlaggebend. Die SVP sei für die Politik der kleinen
Schritte, mit denen aber der Großteil des ursprünglichen Zustands
wieder hergestellt werden könne. Pichler Rolle bat dazu um die
Unterstützung auch der deutschsprachigen Oppositionsparteien.
Pichler Rolle wisse leider nicht, wovon er spreche, erklärte Sven Knoll
(SÜD-TIROLER FREIHEIT). Laut Rechtsgutachten eines Landesamtes sei die Kartographie des
Staates ausschlaggebend, also die Karte des Istituto Geografico
Militare. Amtlich seien also nur diese Namen gültig. Wenn man das Thema
ernsthaft angehen wolle, dürfe man das nicht politisch, sondern
wissenschaftlich angehen. Besser als die Prozentlösung, auch für die
Italiener, sei die historische Lösung.
Er kenne die heute gültigen Bestimmungen, entgegnete Pichler Rolle.
Gemeinde und Katastralnamen habe seit jeher die Gemeinde geregelt. Was
die anderen Namen betreffe, so würden sie durch eine Erhebung neu
definiert. Ohne diese hätte man nur Tolomeis Werk und die
Militärkarten. Der Vorschlage des Landeshauptmanns, von dem hier die
Rede sei, sei nicht so sehr ein Kompromiss, sondern ein rechtlich
fundierter Vorschlag.
Klotz habe mit ihren Familiennamen wohl den großen Tolomei noch
verbessern wollen, meinte Donato Seppi (Unitalia). Das Grundproblem sei
ein anderes. Immer wieder werde behauptet, die Italiener sollten sich
in Südtirol daheim fühlen, aber dazu gehörten auch die Almen. Wenn auch
nur ein italienischer Name gestrichen werde, werde er tonnenweise
Abänderungsanträge vorlegen, kündigte Seppi an. Ein solches Gesetz
werde den Landtag nie passieren. Er sei der erste, der die deutschen
Namen verteidige, aber er bestehe auf seinem Recht, beispielsweise „San
Candido“ zu Innichen zu sagen. Im Übrigen habe die arbeitende
Bevölkerung andere Sorgen.
Die Unterscheidung zwischen Mikro- und Makrotoponomastik sei rechtlich
nicht gedeckt. Im Grunde würden auch den Landeshauptmann andere Dinge
mehr interessieren. Zum Brennertunnel würde man im Landtag schneller zu
einer Entscheidung kommen, zur Toponomastik werde es hier nie zu einer
Entscheidung kommen. Mit solchen Vorschlägen vergeude man nur Zeit.
Es werde immer der Faschismus ins Feld geführt bei dieser Diskussion.
Es sei nun einmal so, dass die Italianità in Südtirol mit dem
Faschismus gekommen sei. Somit sei auch klar, dass alle italienischen
Denkmäler aus dieser Zeit stammten – die Italiener in Südtirol hätten
keine Renaissance und kein Mittelalter, auf das sie zurückblicken
könnten. Deswegen könne man aber nicht behaupten, die Italiener in
Südtirol seien Faschisten. Die einzige Straße in Bozen mit Fahrbahn,
Fahrradweg und Gehsteig sei übrigens die Italienallee, die unter dem
Faschismus erbaut wurde, die späteren Gemeindeväter seien dazu nicht
imstande gewesen.
Die deutschsprachigen Südtiroler seien unter dem Faschismus unterdrückt
worden, und Oswald Ellecosta habe richtig gesehen, wenn er meinte, sie
hätte die Wehrmacht als Befreier gesehen. Umgekehrt seien die Italiener
nicht als Faschisten nach Bozen gekommen, sondern weil sie eine Arbeit
gesucht hätten.
Die Debatte wird morgen wieder aufgenommen.