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Gedenkrede von Sepp Mitterhofer am 8. November 2009 in Sand in Taufers

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Gedenkrede von Sepp Mitterhofer am 8. November 2009 in Sand in Taufers

Hohe Geistlichkeit, werter Bürgermeister, liebe Schützen und Marketenderinnen, liebe Landsleute aus Sand in Taufers und Umgebung! Wir sind heute zusammengekommen, um der Gefallenen der beiden Weltkriege zu gedenken und der Toten im Freiheitskampf der sechziger Jahre und in der Faschistenzeit. Aber auch jener, welche in Ausübung ihrer Pflicht Opfer der Gewaltherrschaft des italienischen Staates in Südtirol wurden. Es ist unsere Pflicht und ehrenvolle Aufgabe, jener Männer zu gedenken, die aus Liebe zur Heimat oder in Ausführung ihrer Pflicht, z.B. im Zweiten Weltkrieg das höchste Gut – ihr Leben – hingegeben haben. Es gehört zur Aufgabe eines Kulturvolkes, seine Toten zu ehren, und es wäre wohl ein Armutszeugnis, wenn es sie vergessen würde!

Denken wir an die vielen Standschützen und Soldaten, welche im Ersten
Weltkrieg unsere Heimat einer vielfachen Übermacht des Feindes so
heldenhaft verteidigt haben. Denken wir an die Lebensbedingungen,
welche diese Männer in 3.000 m Meereshöhe und darüber, in Kälte, Schnee
und Eis ausharren und kämpfen mussten. Ebenso an die vielen
Lawinenopfer, welche für den Nachschub sorgen mussten und deren Zahl
höher ist, als die der eigentlichen Kriegstoten.  
 
Welch große Verbitterung mussten die übrig gebliebenen Soldaten und
deren Familien in Südtirol erlebt haben, als sie nach dem Ersten
Weltkrieg trotz der großen Opfer zusehen mussten, wie die hohe Politik
Südtirol vom Vaterland Österreich abtrennte und einem fremden Staat der
Willkür auslieferte.

Damit nahm das Schicksal unserer Heimat seinen Lauf.

Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war von der Italienisierung
und Unterjochung der Südtiroler durch die Faschisten geprägt. Die
deutsche Schule wurde aufgelöst, es entstanden die Katakombenschulen in
Stuben, Scheunen und Kellern. Deren Lehrer wurden verfolgt und
eingesperrt. Dr. Josef Noldin und Angela Nikoletti starben an den
Folgen der Gefangenschaft.

Alle deutschen Vereine und Parteien wurden aufgelöst. In den
öffentlichen Ämtern musste italienisch gesprochen werden, deutsch war
verboten. Wenn auf der Straße deutsch gesprochen wurde, dann wurden die
Leute von herumziehenden faschistischen Horden verprügelt. In Bozen
überfielen die Faschisten einen friedlichen Messeumzug, warfen
Handgranaten in die Menge und erschossen den Lehrer Franz Innerhofer,
als er einen jungen Tafelträger aus der Gefahrenzone retten wollte.

1939 kam dann die Option. Hitler hat uns an seinen Freund und Vorbild
Mussolini regelrecht verkauft, damit er seine Wahnsinnsidee, die Macht
über Europa zu erlangen, in die Tat umsetzen konnte. Die Südtiroler
hatten die Wahl, entweder sich fürs Deutschtum zu bekennen und
auszuwandern, oder in der Heimat zu bleiben und italienisch zu werden.
Es war ein furchtbarer seelischer Kampf, der Riss ging quer durch die
Familien, Vereine und Verbände, welche noch teilweise oder heimlich
existierten. Schlussendlich entschieden sich – bedingt durch die zwei
Jahrzehnte dauernder Unterdrückung durch den Faschismus – 86 % der
Südtiroler für Deutschland, und der Rest waren die sogenannten
„Dableiber“. 70.000 Südtiroler sin ausgewandert und nur mehr die Hälfte
ist nach dem Krieg wieder in die Heimat zurückgekehrt. Das war ein
starker Aderlass für unser volkstumspolitisch bedrohtes Volk.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hofften wir, dass durch die Alliierten das
große Unrecht – die Zerreißung Tirols – wieder gut gemacht wird. Wir
hofften, dass uns laut Völkerrecht das Selbstbestimmungsrecht
zugestanden wird. Aber umsonst: Österreich war zu klein und zu schwach,
und konnte sich nicht durchsetzen. Italien hatte sich 1943 zu den
Alliierten geschlagen und damit zum zweiten Mal seinen Bündnispartner
Deutschland verraten.

Als Ersatz erhielten wir den bekannten Pariser Vertrag, das sogenannte
„Gruber-Degasperi-Abkommen“, das nur ein leeres Blatt Papier blieb. Der
Vertrag war eigens zum Schutz der deutschen Bevölkerung in Südtirol
geschaffen worden, kam aber nie zum Tragen, weil 1948 durch einen
geschickten Schachzug die italienische Regierung in Rom die beiden
Provinzen Bozen und Trient zu einer Region zusammenlegte. So hatte sie
zwei Fliegen auf einmal geschlagen, die Trientner kamen in den Genuss
der Autonomie und wir Südtiroler wurden in die Minderheit gedrängt. Die
Italiener konnten auf demokratische Art und Weise mit uns machen, was
sie wollten, wir wurden immer überstimmt.
 
So entstand in den fünfziger Jahren eine für uns unerträgliche
Situation. In den öffentlichen Ämtern saßen zu 90 % Italiener, zum
Großteil die alten Faschisten. Bei den Neubauwohnungen war es dasselbe.
Die Zuwanderung wurde vom italienischen Staat gefördert und diese
wurden in Südtirol überall bevorzugt und spielten sich als die Herren
im Lande auf. Durch ein demokratisches Punktesystem bekamen die
Italiener immer den Vorzug und unsere Leute konnten durch die Finger
schauen. Tausende junger Südtiroler mussten ins Ausland gehen, um
Arbeit zu suchen. 

1960 brachte dann Österreich das Südtirolproblem das erste Mal vor die
UNO. In der Resolution der Vereinten Nationen, wurde Italien
aufgefordert, mit Österreich zu verhandeln. Diese gingen nur schleppend
voran und die italienische Delegation behauptete immer, der Pariser
Vertrag sei erfüllt, wir verhandelten nicht, wir führen nur Gespräche.
Da platzte uns allmählich der Kragen und es kam zur bekannten
Feuernacht mit seinen positiven und negativen Folgen. Dreiviertel der
zum Kreis um Sepp Kerschbaumer gehörenden BAS Mitglieder, sind leider
einen Monat später durch die furchtbaren Folterungen aufgeflogen und
mussten zusammen über 500 Jahre Gefängnis absitzen. Franz Höfler und
Toni Gostner sind sogar an den Folgen der Folterungen gestorben. Unter
dem Druck der Anschläge – sie hatten in der Weltöffentlichkeit ein
großes Echo ausgelöst – sah sich Italien nun doch gezwungen, die
Verhandlungen ernst zu nehmen. Das Ergebnis war dann das berühmte
Paket, das am 22. November 1969 mit knapper Mehrheit von 52 zu 48 % von
der Landesversammlung der SVP in Meran angenommen wurde. 

Nun noch ein paar Worte als politischer Häftling. Wir haben damals
unter den Häftlingen Unterschriften gegen das Paket gesammelt, weil uns
vorkam, es waren zu wenig Garantien enthalten, um unsere Tiroler Kultur
auf die Dauer erhalten zu können. 90 % der Häftlinge haben die Petition
unterschrieben. 

Das zweite Autonomiestatut ist dann 1972 in Kraft getreten. Es hat uns
einen ansehnlichen Wohlstand gebracht, der allerdings schon wieder
rückläufig ist. Was aber schlimmer ist: Der Wohlstand hat die
Südtiroler politisch verfettet, müde und gleichgültig gemacht. Die
schleichende Assimilierung wollen viele gar nicht wahrnehmen. Viele
sind nicht mehr bereit, für unser Volkstum zu kämpfen, und das ist
gefährlich. Italien hat sein Ziel, uns zu italienisieren, nie
aufgegeben. Es hat den Wohlstand in Südtirol bewusst gefördert, wohl
wissend, dass dadurch der Wille zum Volkstumskampf geschwächt wird.

Wenn die politische Entwicklung in unserer Heimat so weitergeht, dann
habe ich die große Befürchtung, dass wir in 10 – 12 Jahren eine
Volksabstimmung nicht mehr gewinnen werden. Dann wären die großen Opfer
der sechziger Jahre umsonst gewesen und das darf einfach nicht sein.
Wir müssen uns wehren, wir müssen dagegen ankämpfen und müssen jede
Möglichkeit ergreifen, um diese Entwicklung zu bremsen und ihr eine
andere Richtung geben. 

Ich möchte aber nicht nur Schwarzmalerei betreiben, denn es gibt auch
Lichtblicke. Alle patriotischen Verbände und Parteien haben viel Zulauf
von jungen Leuten, das ist ein gutes Zeichen. Sie fühlen sich von der
offiziellen Politik nicht mehr angesprochen, sie fühlen sich bei ihr
nicht mehr daheim. Sie wollen mehr als das ewige Hick-hack und die
innere Zerrissenheit einer Partei, die nur mehr Verwaltungspolitik
betreibt und die Volkstumspolitik vernachlässigt. Sie wollen Sicherheit
in der Zukunft, sie wollen als Tiroler leben und keine Mischkultur.

Wasser auf unseren Mühlen leitet aus meiner Sicht auch die rechtsgerichtete
autonomiefeindliche Berlusconi-Regierung, welche ihr wahres Gesicht
bereits gezeigt hat, indem sie schon seit Jahren von unserer Autonomie
Scheibe für Scheibe, wie bei einer Salami, herunter schneidet. Der
Parlamentarier Karl Zeller hat heuer im Frühjahr öffentlich erklärt,
dass die dynamische Autonomie tot ist, dass sie bereits seit Jahren
rückläufig ist. Darum verstehe ich nicht, warum man immer noch
krampfhaft eine Leiche verteidigt.

Wir müssen endlich erste Schritte setzen und zwar in eine Richtung,
welche das große Unrecht, die Zerreichung Tirols, wieder gut macht.
Unser wichtigstes Ziel muss ein „Los von diesem Staat“ sein, der uns
nur Unglück, Unfrieden und viel Leid gebracht hat!

Die Zukunft schaut in Italien düster aus, wirtschaftlich ist der Staat
das Schlusslicht in der EU und die Staatsverschuldung ist enorm. Sie
muss irgendwann abgebaut werden. Wer zahlt sie aber? Der gewöhnliche
Bürger und wir gehören leider auch noch dazu.

Darum liebe Landsleute, müssen wir alle zusammenhalten und am gleichen
Strick ziehen. Ich hoffe, dass die Regierungspartei bald zur Einsicht
kommt, dass wir ohne Italien die besseren Aussichten haben, unsere
Zukunft zu gestalten. 
Wir von der Arbeitsgruppe für Selbstbestimmung sind dabei, sie von
unserer Idee zu überzeugen, wir haben zwar viel Sympathie vorgefunden,
aber es braucht auch Geduld und Zeit, weil es eben reifen muss. Darum
appelliere ich an Euch alle, helft mit, unsere Zielsetzung zu
verbreiten, es lohnt sich dafür zu kämpfen. Jeder hat die Möglichkeit,
in seinem Umfeld dafür zu werben. 

Ich schließe mit einem Satz vom international bekannten Völkerrechtler
und Südtirol-Freund Prof. Felix Ermacora, den er vor mehreren Jahren im
Grieser Kulturheim gesagt hat: „Keine Macht der Erde kann einem Volk
auf die Dauer die Selbstbestimmung vorenthalten, auch Italien Südtirol
nicht, aber wollen und fordern muss man sie!“

Sepp Mitterhofer

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