Werter Schützenkurat, verehrte Stadträtin, lieber Schützenhauptmann, Marketenderinnen und Schützen, liebe Landsleute! Das 200jährige Gedenkjahr der Tiroler Freiheitskämpfe von 1809 ist nun zu Ende gegangen. Wir Tiroler haben ein ganzes Jahr mit verschiedenen Gedenkfeiern und Veranstaltungen sowie Errichten von Gedenktafeln und Steinen sowie Theateraufführungen in den Dörfern der schicksalsschweren Zeit der Freiheitskämpfe im fernen Jahr 1809 gedacht.
Der Höhepunkt war sicher der große Landesfestumzug in Innsbruck am 20.
September. Es war eine Pracht und ein Genuss, die vielen verschiedenen
Gruppen und Trachten zu sehen, welche die kulturelle Vielfalt des Landes
Tirol widerspiegeln.
Weniger schön waren die Polemiken, die im Vorfeld über die Dornenkrone
und die Transparente mit den politischen Aussagen geführt wurden. Die
Politiker diesseits und jenseits des Brenners wollten ja nur einen
folkloristischen Schönwetter-Umzug gestalten. Das ist ihnen aber durch
die Hartnäckigkeit des Südtiroler Schützenbundes versalzen worden. Es
wurden auch Aussagen von namhaften Politikern gemacht, die für das
Zusammenwachsen der drei Landesteile Süd-, Ost- und Nordtirol absolut
nicht förderlich waren.
Uns Freiheitskämpfer wollten sie auch nicht beim Festumzug dabei haben.
Acht Monate haben sie uns hingehalten. Erst 12 Tage vor dem Festumzug
habe ich die schriftliche Zusage erhalten und da war ihnen unsere
politische Botschaft auf unserem Transparent „Trotz Autonomie die Heimat
in Gefahr – Selbstbestimmung für Südtirol“ noch zu aussagekräftig. Erst
als ich Andreas Khol klar machte, entweder sie genehmigen diesen
verhältnismäßig harmlosen Text oder wir werden die Konsequenzen daraus
ziehen, haben sie einen Rückzieher gemacht.
Der durchgehend starke Applaus bei den Zuschauern hat die Richtigkeit
unserer Entscheidung, beim Umzug mitzugehen, bestätigt.
Doch nun zurück in die Zeit um 1809:
Mit Stolz können wir unserer Vorfahren gedenken, denn ihre kämpferischen
Leistungen (sie waren ja keine kriegerisch ausgebildeten Soldaten)
waren in der damaligen Zeit eine heldenhafte Leistung! Ganz Europa hat
gestaunt und das kleine Bergvolk bewundert, mit welchem Mut es sich
gegen den übermächtigen Feind gewehrt und in mehreren Schlachten
siegreich aus dem Land vertrieben hat.
Andreas Hofer, der Oberkommandant von Tirol wurde in ganz Europa als der
Held und Anführer der aufständischen Tiroler bewundert, der imstande
war, mit seinen Landstürmern und Schützen den großen, allseits
gefürchteten Feind zu schlagen.
Wo haben diese einfachen Leute diesen Kampfgeist und Überzeugung zum
Widerstand her? War es der Glauben, Heimat- oder Vaterlandsliebe oder
die Treue zum Hause Habsburg?
Sicher haben diese Gründe alle dazu beigetragen, aber das stärkste Motiv
war sicher das tief verwurzelte Gefühl der Freiheit. Wir Tiroler sind
nun einmal ein freiheitsliebendes Volk und wenn es unterdrückt wird, wie
es damals durch die Bayern in der Ausübung ihrer Religion, durch
Erhöhung der Steuern und Einschränkung verschiedener kultureller Bräuche
geschehen ist, dann kann und ist es zu einer Anhäufung von Unmut und
Entwicklung von ungeahnten Kräften gekommen, dass sie solch große Opfer
auf sich genommen haben.
Man hat nie offizielle Zahlen gehört, aber es müssen ja mehrere tausend
Tote auf tirolerischer Seite gewesen sein. Dazu kommen die
Brandschatzungen nach der Niederlage; es wurden mehrere Dörfer
angezündet und geplündert. Das Land war ausgeblutet und wirtschaftlich
am Boden und konnte sich erst langsam wieder erholen.
Können wir von unseren Vorfahren etwas lernen, hat ihr Kampf
letztendlich nicht nur Leid und Elend über ihre Heimat gebracht? Auf den
ersten Blick scheint es so. Man darf aber nicht übersehen, dass der
heroische Kampf der Tiroler ein Fanal für die europäischen Staaten war,
der dann drei Jahre später zum Kampf und Sieg über das gefürchtete
napoleonische Heer geführt hat.
Uns zeigt der heldenhafte Kampf von 1809, dass der starke
Freiheitswillen der Tiroler einerseits und die Unterdrückung durch die
Bayern andererseits eine Opferbereitschaft erzeugt haben, eben solche
Leistungen zu vollbringen.
Wir Südtiroler haben heute nicht die gleiche, aber eine ähnliche
Situation:
Wir sind seit über 90 Jahren fremd besetzt, von einem Staat, der von der
Anektion bis heute nicht anderes im Sinne hatte und noch hat, als uns
zu italienisieren! Unsere Muttersprache ist in Gefahr, unsere Identität
und unsere Tiroler Kultur sind in großer Gefahr.
Wirtschaftlich sind wir bei einem bankrotten Staat, der in der EU nur
von Griechenland überholt wurde. Die enorme Staatsverschuldung muss
irgendwann bezahlt werden und wir hängen mit drinnen. Die Justiz ist
nicht mehr imstande, die Prozesse des skandalgebeutelten Staates
aufzuarbeiten. Was wollen wir noch bei diesem elenden Staat, über den
ganz Europa spöttelt und lacht?!
Der Parlamentarier unserer stärksten Partei, Karl Zeller hat vor einem
knappen Jahr öffentlich erklärt, dass unsere dynamische Autonomie tot
ist, sie ist schon jahrelang rückläufig!
Ja, warum läuft man dann noch krampfhaft einem toten Gebilde nach, das
uns volkstumspolitisch keine Sicherheit mehr bietet, ja nie geboten hat?
Sie war zwar eine gute Übergangslösung, aber mehr nicht, denn sie
konnte und kann die schleichende Assimilierung nicht aufhalten. Wer dies
nicht sieht, will es eben aus bestimmten Gründen nicht sehen. Unsere
Mehrheitspartei wird auch früher oder später einsehen müssen, dass
Südtirol bei diesem Staat keine Zukunft mehr hat; dass wir der
Mischkultur entgegengehen.
Der Südtiroler Heimatbund propagiert schon seit ca. 30 Jahren das „Los
von Italien“ durch Selbstbestimmung und zwar in einem oder zwei
Schritten. Ob es zuerst ein Freistaat ist und später die
Wiedervereinigung oder ein zehntes Bundesland, das hängt dann von der
jeweiligen politischen Situation bei der Abstimmung ab. Da spielen so
viele Gründe eine Rolle, dass es heute sehr schwer zu sagen ist, welches
Modell günstiger ist. Das allerwichtigste ist zur Zeit die Aufklärung
der Bevölkerung in allen drei Tiroler Landesteilen.
Die überparteiliche „Arbeitsgruppe für Selbstbestimmung“ hatte schon
mehrere Aussprachen mit hohen Funktionären der Mehrheitspartei, mit mehr
oder weniger Erfolg. Es braucht noch etwas Zeit und muss eben reifen.
Der Ausgang der Gemeinderatswahlen wird bestimmt auch dazu beitragen.
Ebenso die autonomiefeindliche Berlusconi-Regierung, wenn sie weiterhin
Scheibe für Scheibe von unserer viel gelobten Autonomie herunter
schneidet. Die römische Politik muss uns zu Hilfe kommen, sonst schaffen
wir es nicht, dazu sitzen derzeit die richtigen Leute am Ruder. Das
beste Beispiel ist wohl das durch Zufall abgeschaffte faschistische
Dekret über die Ortsnamenregelung, das sie dann nach ein paar Tagen
wieder rückgängig gemacht haben. Oder die Renovierung des Siegesdenkmals
mit Steuergeldern, eine wirklich gemeine Schandtat und einmalig in
Europa! Wer da nicht merkt, was der italienische Staat mit uns vorhat,
der ist mit Blindheit geschlagen.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich das Rad der Geschichte noch
einmal zurückdrehen bis zum Ersten Weltkrieg. Denken wir an die vielen
Standschützen und Soldaten, welche im Ersten Weltkrieg unsere Heimat
einer vielfachen Übermacht des Feindes so heldenhaft verteidigt haben.
Denken wir an die Lebensbedingungen, denen diese Männer in 3.000 m
Meereshöhe und darüber in Kälte, Schnee und Eis unterworfen waren.
Ebenso an die vielen Lawinenopfer, welche für den Nachschub sorgen
mussten und deren Zahl höher ist, als die der eigentlichen Kriegstoten.
Welch große Verbitterung mussten die übrig gebliebenen Soldaten und
deren Familien in Südtirol erlebt haben, als sie nach dem Ersten
Weltkrieg trotz der großen Opfer zusehen mussten, wie die hohe Politik
Südtirol vom Vaterland Österreich abtrennt und einem fremden Staat der
Willkür auslieferte. Damit nahm das Schicksal unserer Heimat seinen
Lauf.
Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ist durch die brutale
Unterdrückung und Ausbeutung unseres Landes zur Genüge bekannt. Die
unselige Option hat die Südtiroler vor eine unmenschliche Entscheidung
gestellt. Sie mussten zwischen Heimat und Volkstum entscheiden. Mehrere
Südtiroler haben sich aus Verzweiflung das Leben genommen. 75.000 sind
ausgewandert und nur mehr ca. die Hälfte ist nach dem Krieg
zurückgekehrt. Das war ein starker Aderlass für unsere von der
Unterwanderung ohnehin schon geschwächte Volksgruppe.
Dazu kommen noch die ca. 8.000 Kriegstoten, welche in fremden Ländern
für eine Wahnsinnsidee kämpfen mussten und letztendlich gar nicht
wussten, für welches Ideal sie ihre Leben opfern mussten. Sie alle
verdienen unseren höchsten Respekt und unsere Anerkennung, denn es gibt
nichts Höheres als für das Vaterland sein Leben zu geben!
Aber das damalige Nazi-Deutschland war nicht unser Vaterland, Hitler hat
uns an Mussolini verraten und verkauft. Bis zum Zusammenschluss war
Österreich unser Vaterland und Tirol unsere Heimat!
Vergessen wir aber auch unsere Toten nicht, welche in der Faschistenzeit
in Ausübung ihrer Gewissenspflicht für den Erhalt unserer Muttersprache
ihr Leben lassen mussten, wie z.B. Josef Noldin und Angela Nikoletti.
Oder den Lehrer Franz Innerhofer, der in Bozen beim Messeumzug einen
jungen Trommler aus der Gefahrenzone der schießenden Faschisten retten
wollte und dabei selbst erschossen wurde.
Vergessen wir auch jene Männer nicht, welche in den sechziger Jahren an
den Folgen der brutalen Folterung in den Carabinieri-Kasernen ihr junges
Leben lassen mussten.
Oder Sepp Kerschbaumer, der im Gefängnis von Verona an Herzversagen
gestorben ist, weil er beim Sprengstoffprozess die ganze Verantwortung
übernommen hatte und die Belastung für sein geschwächtes Herz einfach zu
groß wurde.
Oder auch die jungen Leute, welche willkürlich und ohne Vorwarnung von
den Besatzern erschossen wurden und jene, welche an den Folgen des
Freiheitskampfes allzu früh ihr Leben einbüßen mussten.
Aber auch an Luis Amplatz wollen wir denken, der auf der Brunner Mahder
im Schlaf von gedungener Mörderhand erschossen wurde.
Aus humanen Gründen wollen wir auch jene jungen Soldaten nicht
vergessen, welche in Ausübung ihrer Pflicht durch die fehlgeleitete
römische Politik in Südtirol ums Leben kamen.
Es ist die Aufgabe eines Kulturvolkes seiner Toten zu gedenken und es
wäre ein Armutszeugnis, wenn es sie vergessen würde!
Abschließend noch ein kurzer Blick auf die heutige politische Situation
in unserer Heimat. Sie ist nicht gerade rosig, aber auch nicht
deprimierend. Denken wir an den starken Zulauf der Jugend zu den
patriotischen Verbänden und Parteien. Wenn es auch nicht die Mehrheit
ist, aber sie sind von ihrer Handlungsweise überzeugt. Sie wollen mehr
politische Sicherheit in unserer Heimat, die ihnen die Autonomie nicht
bieten kann.
Die Mehrheitspartei ist in ihrer Selbstherrlichkeit, Opportunismus und
Postenschacher ein Geldverteilungsapparat geworden und ist nicht mehr
glaubwürdig.
Darum müssen die patriotischen Kräfte zusammenstehen und die Idee der
Selbstbestimmung mit dem „Los von Italien“ verstärkt unter der
Bevölkerung verbreiten. Das ist der einzig richtige Weg, um einen
gerechten Frieden in unserem Land herzustellen. Jeder einzelne hat die
Aufgabe und Pflicht, in seinem Umfeld dafür zu werben.
Nur wenn wir zusammenhalten und an einem Strang ziehen, können wir unser
Ziel erreichen. Der Druck von der Bevölkerung wird letztendlich auch
die Politiker der Mehrheitspartei irgendwann soweit bringen.
Ich schließe mit einem Satz vom international bekannten und geschätzten
Völkerrechtler und Südtirol-Freund, den er vor mehreren Jahren im
Grieser Kulturheim gesagt hat: „Keine Macht der Erde kann einem Volk auf
die Dauer die Selbstbestimmung vorenthalten, auch Italien Südtirol
nicht, aber wollen und fordern muss man sie!“