Vor 95 Jahren, am 26. April 1915, unterzeichnen die ENTENTE (Frankreich, Großbritannien Russland und Serbien) und das Königreich Italien den Londoner Geheimvertrag. Das Leitungsmitglied der Bewegung SÜD-TIROLER FREIHEIT, Roland Lang, erinnert aus diesem Anlass, dass dieser Vertrag die eigentliche Geburtsstunde der Zerreißung Tirols und der Fremdbestimmung Süd-Tirols war, die bis heute andauert.
Italien hatte unter Bruch seines Bündnisvertrages mit Österreich-Ungarn
und dem Deutschen Reich bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges zuerst seine
Neutralität erklärt und dann von Österreich nicht nur die Abtretung
aller ethnisch italienischen Gebiete, sondern auch die alte
napoleonische Grenze von 1811 mitten durch Süd-Tirol gefordert. Am 4.
Mai 1915 hatte Rom dann offiziell den Dreibund-Vertrag gekündigt.
Parallel dazu verhandelte Rom mit den Entente-Mächten. Wien gestand am
10. Mai 1915 die Abtretung aller italienischen Gebiete einschließlich
des Trentino, der Gebiete am Isonzo und von Gradisca zu. Triest sollte
ein Freihafen werden. Nur auf die deutschen Gebiete Süd-Tirols zu
verzichten, war Wien nicht bereit. Rom hatte aber mit Österreich-Ungarn
nur noch Scheinverhandlungen geführt und bereits am 26. April 1915 den
Londoner Geheimvertrag mit den Entente-Mächten abgeschlossen, welche
auch die Brenner-Grenze versprochen hatten.
Damit hatte Italien endgültig auf die Unschuld des Risorgimento und des
nationalstaatlichen Prinzips verzichtet. Der italienische
Ministerpräsident Salandra hatte das Wort vom „Sacro Egoismos“ geprägt
und damit die Moral von Räubern zur Leitlinie seines politischen
Handelns gemacht.
Der greise Kaiser Franz Josef soll dazu geäußert haben, bevor er den
Italienern Südtirol schenke, gehe er mit seinen 84 Jahren noch selber in
den Schützengraben. Und es wird über seine Äußerung gegenüber
Erzherzog Karl berichtet: “Lieber wäre ich tot, als in die Zerstückelung
Tirols einzuwilligen“.
Am 20. Mai übertrug die italienische Abgeordnetenkammer mehrheitlich der
königlichen Regierung die außerordentlichen Vollmachten für den
Kriegsfall. Das Votum kommentierte ein Abgeordneter folgendermaßen:
„Heute haben wir die niederträchtigste Tat unseres Lebens begangen, aber
hätten wir es nicht getan, hätten uns draußen die Pflastersteine der
Volksmassen erwartet!“
Am 23. Mai 1915 erklärte König Viktor Emanuel Österreich-Ungarn den
Krieg!
Noch heute wissen in Italien wenige, dass Österreich bereits alle
billigen Forderungen zugestanden hatte und die Jugend Italiens nun für
das imperialistische Ziel der Erwerbung nichtitalienischer Gebiete auf
die Schlachtbank geführt wurde ( mehr als 600.000 tote Soldaten, 7,3
Millionen Kriegsversehrte und Verwundete). Bis in die Gegenwart herauf
verschweigt die offizielle Geschichtsschreibung, dass Österreich auch
ohne Krieg bereit gewesen wäre, italienisch besiedelte Gebiete
abzugeben. Die Einzelheiten des Londoner Geheimvertrages kamen erst an
das Tageslicht, als in Petersburg die russische Revolution gesiegt und
das schändliche Papier aus den Geheimarchiven geholt und veröffentlicht
wurde.
So starben mehr als 600.000 Italiener im Gebirge und in der Hölle des
Karstes. Sie traten mit den sehnsüchtigen und patriotischen Liedern
ihrer Heimat auf den Lippen zum Sturm gegen das "barbarische" Österreich
an und fielen für eine Lüge im Kampf gegen eine Fiktion. Denn für die
„Befreiung“ des Trentino, „Per Trento e Rovereto“ hätte es keinen
einzigen toten Italiener gebraucht!
Roland Lang
Leitungsmitglied der SÜD-TIROLER FREIHEIT
Auszug aus dem Londoner Geheimvertrag, 26. April 1915
Extracts from the Treaty of London, 26 April 1915
Article 4Under the Treaty of Peace, Italy shall obtain the Trentino, Cisalpine
Tyrol with its geographical and natural frontier, as well as Trieste,
the counties of Gorizia and Gradisca, all Istria as far as the Quarnero
and including Volosca and the Istrian islands of Cherso and Lussin, as
well as the small islands of PlavnikArtikel 4
Nach dem Friedensvertrag mit Italien erhält es das Trentino, Tirol
Cisalpine mit seiner geographischen und natürlichen Grenzen sowie
Triest, die Grafschaften Görz und Gradisca, Istrien alle so weit das
Quarnero einschließlich Volosca und der istrischen Inseln Cherso und
Lussin, sowie die kleinen Inseln Plavnik, Unie, Canidole, Palazzuoli,
San Pietro di Nembi, Asinello, Gruica, und die benachbarten Inseln …