Mit einer gemeinsamen Feier haben der Süd-Tiroler Heimatbund und die Bewegung Süd-Tiroler Freiheit am Sonntag, 23. Mai, am Andreas-Hofer-Denkmal in Meran an die vor 95 Jahren erfolgte Kriegserklärung Italiens und die damit verbundenen Opfer gedacht.
Reinhild Campidell, Gemeinderätin der Süd-Tiroler Freiheit in Meran, begrüßte die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung und verlas das Manifest „An meine Völker“ von Kaiser Franz Josef, mit dem der Monarch seine Erschütterung über den ungeheuerlichen Vertragsbruch Italiens ausgedrückt hatte.
Hartmuth Staffler, Gemeinderat der Süd-Tiroler Freiheit in Brixen,
erinnerte in der Gedenkansprache an die vielen Opfer, die der von
Italien entfesselte Krieg an der Front und in der Heimat gefordert hat.
Den gefallenen Tirolern wurde noch lange Zeit die letzte Ehre
verweigert; in Brixen, Bozen und in vielen anderen Orten wurden die
Kriegerdenkmäler zerstört, in Welsch-Tirol war es sogar bis vor kurzem
nicht möglich, die 12.000 Soldaten zu ehren, die für ihre Tiroler Heimat
gefallen sind. Staffler gedachte auch der beinahe 700.000 italienischen
Soldaten, die von einer skrupellosen Regierung in den Tod geschickt
worden waren, um ein Gebiet zu erobern, auf das Italien keinen Anspruch
hatte.
Pater Walter Marzari sprach für alle Opfer dieses unsinnigen Krieges ein
Gebet, worauf ein Kranz im Gedenken an alle Gefallenen niedergelegt
wurde.
SÜD-TIROLER FREIHEIT – Landesleitung
Südtiroler Heimatbund
Gedenkrede von Hartmuth Staffler:
Sehr geehrte Anwesende, liebe Tiroler Landsleute!
„Der König von Italien hat Mir den Krieg erklärt“ – so hat es unser Kaiser Franz Josef vor genau 95 Jahren in dem Manifest an seine Völker formuliert. „Der König von Italien hat Mir den Krieg erklärt“ – das klingt fast so, als wenn es nur eine Angelegenheit zwischen zwei Monarchen gewesen wäre. Tatsächlich waren aber Millionen von Menschen von dieser Kriegserklärung betroffen, viele hunderttausende Menschen sind deswegen gestorben, gefallen an der Front, verhungert in der Heimat, zugrunde gegangen an Unfällen oder Krankheiten. Hunderttausende, ja Millionen sind körperlich und selisch schwer verletzt heimgekehrt, haben ihre Existenz verloren, ihre Familie, ihre Heimat. Familien wurden zerstört, weil der Vater nicht mehr heimkehrte, die Mutter an den Entbehrungen starb, die Kinder den Krieg nicht überlebten.
Nein, der Krieg ist nicht nur unserem Kaiser erklärt worden, er ist unserem ganzen Land erklärt worden, er ist jedem Einzelnen unserer Vorfahren erklärt worden, die sich verzweifelt und letztlich leider vergeblich gegen diese vollkommen unbegründete imperialistische Aggression wehren mussten.
Der 23. Mai ist in erster Linie ein Tag der Trauer im Gedenken an die vielen Opfer, die der an diesem Tag vor 95 Jahren erklärte Krieg auf allen Seiten gefordert hat. Der 23. Mai ist aber auch ein Tag, an dem wir Tiroler uns besonders eingehend mit unserer Geschichte befassen müssen, die durch diesen schicksalshaften Tag ein tragische Wendung erfahren hat.
Italien hat am 23. Mai 1915 wohl Österreich-Ungarn den Krieg erklärt, aber es war ein Krieg, der sich besonders gegen unser Land Tirol gerichtet hat, das Italien zum größten Teil, bis auf die kleineren tirolerischen Gebiete jenseits des Alpenhauptkammes, erobern wollte. Die Tiroler haben sich, wie es in ihrer Tradition war, gegen diese Aggression gewehrt, aber alle Opfer waren angesichts der internationalen Lage vergebens.
Rund 47.000 Tiroler sind im Ersten Weltkrieg gefallen, davon etwa 12.000 Welschtiroler. Viele von ihnen hatten sich als Standschützen als erste dem italienischen Angriff auf ihre Tiroler Heimat entgegengestellt. Sie haben nicht nur ihr Leben verloren, sondern man wollte ihnen auch noch das ehrende Gedenken verwehren. Erst in unseren Tagen, 90 Jahre nach Kriegsende, sind die ersten Gefallenendenkmäler für unsere Welschtiroler Landsleute möglich geworden. Auch im heutigen Südtirol haben die sogenannten Sieger keinen Respekt für die Gefallenen gezeigt. Das Gefallenendenkmal in Brixen, der eiserne Adler, wurde zerstört, das Ehrenmal für die gefallenen Kaiserjäger in Bozen gesprengt, die italienischen Gefallenen für politische Demonstrationen an den neuen Grenzen missbraucht.
An unsere gefallenen Landesverteidiger wollen wir an diesem Tag besonders denken, aber auch an die vielen, allzu vielen Gefallenen der anderen Seite. Beinahe 700.000 italienische Soldaten sind von einer skrupellosen Regierung geopfert worden, um ein Ziel zu erreichen, das im krassen Widerspruch zu den hehren Idealen des italienischen Risorgimento stand und das großteils auch ohne Krieg erreichbar gewesen wäre. Diese Soldaten sind ohne Rücksicht in das tödliche Feuer getrieben oder von den eigenen Sicherheitskräften ermordet worden, wenn sie die Teilnahme an diesem sinnlosen Krieg verweigern wollten.
An alle Gefallenen, an jene, die ihre angegriffene Heimat verteidigt haben, und an jene, die zu Angriff auf ein fremdes Land gezwungen wurden, denken wir heute mit Ehrfurcht und Respekt. Möge ihr Opfer eine Mahnung sein, in Zukunft politische Kontroversen nicht mehr mit Gewalt, sondern mit demokratischen Mitteln zu lösen und den Völkern und Volksgruppen ihre Freiheit zu lassen. Denn nur Freiheit und Gerechtigkeit können die Basis für den dauerhaften Frieden sein, den wir uns alle wünschen.