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Offener Brief an den Bürgermeister von Bozen zu seinen Aussagen vom 20. Juli 2010

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Offener Brief an den Bürgermeister von Bozen zu seinen Aussagen vom 20. Juli 2010

In einem Zeitungsinterview vom 20. Juli hat Luigi Spagnolli öffentlich erklärt, dass er die faschistischen Ortsnamen zu seinem persönlichen Kulturgut ("Patrimonio culturale personale") zählt und die Vetta d’Italia (richtigerweise Klockerkarkopf) Teil seines Lebens ist ("Vetta d’Italia fa parte della mia vita …"). Diese unverständlichen Aussagen des ersten Bürgers der Landeshauptstadt nimmt die SÜD-TIROLER FREIHEIT zum Anlass, Herrn Luigi Spagnolli beiliegenden offenen Brief zukommen zu lassen.

Offener Brief an den Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli – Einladung zur öffentlichen Diskussion  

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Luigi Spagnolli!  

Zunächst darf ich Ihnen meine Wertschätzung dafür zum Ausdruck bringen, dass Sie sich wiederholter Maßen für ein gutes Zusammenleben der Volksgruppen in Südtirol eingesetzt und vor allem auch den Deutsch-Südtirolern und den Ladinern stets Respekt gezollt haben.

Auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts und der Wertschätzung darf ich aber auch ein offenes Wort zu den Fragen äußern, wo wir uns – zumindest im Augenblick – nicht einig sind.

Sie haben im “Alto Adige“ vom 20. Juli 2010 sehr generalisierend geäußert, dass die italienischen Orts- und Flurnamen Ihr persönliches kulturelles Erbe sowie jenes der italienischen Mitbürger italienischer Sprache darstellten. („…il mio patrimonio culturale personale, e quello dei concittadini di lingua italiana”)

In einem persönlichen Brief an mich haben Sie diese Aussage bekräftigt und erklärt, dass Sie sich durch das Verlangen nach Abschaffung der faschistischen Ortsnamen beleidigt fühlten.

Glauben Sie mir, sehr geehrter Herr Bürgermeister, dass es mir und wohl den meisten meiner deutschen und ladinischen Mitbürger vollkommen fern liegt, einen Mann wie Sie zu beleidigen, den wir als Mitbürger immer sehr geschätzt haben und auch heute schätzen.

Verstehen Sie aber bitte auch unseren Standpunkt, dass eine staatlich beabsichtigte Aufrechterhaltung des gesamten Tolomei-Orts- und Flurnamensbestandes für uns eine große Provokation und kulturelle Beleidigung bedeutet.

Zudem haben die toponomastischen Tolomei-Erfindungen geschichtlich und kulturpolitisch eine sehr verheerende Rolle in unserer Landesgeschichte gespielt.

Das Unheil für Südtirol begann im Jahre 1915 damit, dass italienische Chauvinisten über die gerechten nationalen Forderungen des Risorgimento hinaus das imperialistische Ziel der kriegerischen Gewinnung des deutschen und ladinischen Südtirol verfolgten.

Noch im Mai 1915 hatte Österreich-Ungarn dem von dem gemeinsamen Bündnisvertrag abgefallenen Italien ein äußerst großzügiges Angebot gemacht. Als Preis für die Aufrechterhaltung der italienischen Neutralität bot Wien Rom einen Vertrag an, welcher die Abtretung des Trentino und Gradiscas vorsah. Triest sollte eine freie Stadt werden, eine italienische Universität erhalten und sein Hafen sollte als Freihafen auch italienischen Interessen zur Verfügung stehen. Das Deutsche Reich erklärte sich bereit, als Garant für die Durchführung eines solchen Vertrages zur Verfügung zu stehen.

Am 23. Mai erklärte Italien jedoch den Krieg, denn die Entente-Mächte hatten mehr geboten: Auch das deutsche und ladinische Südtirol sollte zur Beute Roms werden.

Die von den italienischen Interventionisten in den Krieg gezwungene Jugend Italiens mußte das Opfer von rund 600.000 Gefallenen für eine Lüge bringen: „Trento e Trieste!“ hieß die Lüge, die der Jugend vorgaukelte, daß sie für dieses hohe Ziel willig zu sterben hätte. „Trento e Trieste“ hätte man aber bei Annahme des österreichischen Angebotes ohne ein einziges Opfer haben können.

Der damalige Kriegstreiber Mussolini hat später zu Recht den Kriegsbeginn als den Beginn der faschistischen Bewegung bezeichnet.

Nachdem die an mehreren Fronten ausgeblutete österreichisch-ungarische Monarchie im Jahre 1918 innerlich zusammen gebrochen war und Italien Südtirol kampflos hatte besetzen können, ergriff bald der Faschismus die Macht in Italien.

Den Vorschlägen des Faschisten Tolomei folgend, sollte nun das Land mit dem künstlichen Firnis tausender erfundener italienischer Orts- und Flurnamen überzogen werden, um eine nicht vorhandene Italianität des besetzten Gebietes vorzutäuschen. Man mußte schließlich auch vor den eigenen italienischen Landsleuten eine Rechtfertigung dafür präsentieren, warum 600.000 vorwiegend junge Italiener für die Gewinnung dieses Gebietes geopfert worden waren. Und es sollte natürlich auch die internationale Öffentlichkeit über die ethnische Natur Südtirols getäuscht werden.

Diese Lüge, sehr verehrter Her Bürgermeister Spagnolli, versucht man bis heute aufrecht zu erhalten, wenn gefordert wird, dass man an dem Lügenkonstrukt Tolomeis nichts ändern dürfe.

Bitte versetzen Sie sich einmal in die Lage von uns deutschen und ladinischen Südtirolern! Unsere Großeltern, Eltern und auch wir wurden und werden mit der Anmaßung konfrontiert, dass ein seit mehr als tausend Jahren deutsches und ladinisches Gebiet mit einem künstlichen Anstrich erfundener Ortsnamen versehen wird und die Weltöffentlichkeit so über die wahre Geschichte und Natur des Landes und seiner Bevölkerung getäuscht werden soll.

Vergessen wir dabei nicht, dass der Tolomei’sche Orts- und Flurnamensbetrug die Vorstufe zu dem zwischen Mussolini und Hitler ausgehandelten Plan der „ethnischen Säuberung“ Südtirols von seinen angestammten Einwohnern war.

Bitte haben Sie daher Verständnis für unseren Wunsch, dass Sie und ihre Mitbürger italienischer Sprache nicht den Tolomei-Ortsnamenbetrug als ihr eigenes kulturelles Erbe betrachten sollen, sondern nur aufgrund der Dokumentenlage historisch nachweislich über lange Zeiträume und auf natürliche Weise gewachsene italienische Ortsbezeichnungen.

Ich denke, dass unsere Haltung hier eine großzügige ist, denn auch der amtliche Gebrauch traditioneller und gewachsener fremdsprachiger Ortsnamen ist nicht überall üblich. „Vienna“ ist in Österreich ebenso wenig ein amtlicher Name für Wien wie „Monaco“ für München in Bayern oder „Rom“ für Roma und „Venedig“ für Venezia in Italien.

Wenn wir deutschen und ladinischen Südtiroler unseren Südtiroler Mitbürgern italienischer Sprachzugehörigkeit so weit entgegen kommen, dass wir die historisch gewachsenen italienischen Bezeichnungen als amtlich gültige Namen akzeptieren wollen, so sollte dies geschätzt und nicht darüber hinaus verlangt werden, dass wir auch den Plunder tausender erfundener und zum Teil sehr lächerlicher Tolomei-Namen anzuerkennen hätten.

Ich denke, dass Sie als Angehöriger der italienischen Kulturnation über ein viel wertvolleres kulturelles Erbe verfügen, welches auch von uns Deutschen und Ladinern uneingeschränkt geschätzt wird und welches auch wir zu dem gemeinsamen europäischen Kulturerbe zählen.

Vergessen wir nicht, dass die faschistischen Namensdekrete Ausdruck einer menschenverachtenden Ideologie sind. Immerhin wurden sie so bezeichnet: „Massnahmen für das Hochetsch zum Zwecke einer geordneten, schnellen, wirksamen Aktion zur Assimilierung und Italienisierung“.

Es würde den Rahmen dieses Schreibens sprengen, alle Argumente gegen die volle Beibehaltung des Tolomei-Lügenkonstrukts vorzutragen.

Es würde mich aber freuen, wenn Sie zu einer öffentlichen Diskussion mit Vertretern der „Süd-Tiroler Freiheit“ zu diesen Fragen bereit wären, zu der wir linguistische Fachleute und Historiker gerne mit einladen würden.

Wir könnten mit gegenseitigem Respekt die kontroversen Fragen besprechen und sehen, ob wir nicht doch bei einigen Aspekten zu gemeinsamen Auffassungen kommen können. 

Es würde mich freuen, wenn Sie diesem Vorschlag zustimmen könnten und ich erwarte gerne Ihre geschätzte Antwort! 

Mit freundlichen Grüßen!  

Roland Lang
Leitungsmitglied der „Süd-Tiroler Freiheit“ und Obmannstellvertreter des „Südtiroler Heimatbundes“

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