Sehr geehrte Frau Klotz!
Ich bin ein Italiener. Ich lebe in Volterra, in der Nähe von Pisa.
Trotzdem ich kein gutes Deutsch sprechen (und schreiben) kann, werde ich versuchen, mich auf Deutsch auszudrücken: Das ist nur eine Frage des Respekt für Ihr Land und die Leute, die dort wohnen und leben.
Ich will nur diesen einfachen Begriff äußern:
Heute sind wir alle damit einverstanden, dass man kein Land durch den Krieg erobern kann. Zum Beispiel sagt man, dass die Israelis sich aus den besetzten palästinischen Gebieten zurückziehen sollen: Das ist richtig und unwiderlegbar, weil sie diese Territorien durch einen Krieg erobert haben. Aber das sollte für alle Fälle und Lagen gelten. Das sollte deshalb auch für Italien und Südtirol gelten.
Italien hat Südtirol durch einen Krieg erobert und hat sich darauf nicht begrenzt: Die Italiener haben auch versucht, die Eigenschaften, die Traditionen und die Kultur der Einheimischen zu zerstören. Sie haben mit italienischen Bürokraten, Richtern, Polizisten, Carabinieri, Postbeamten und ihren Familien Südtirol teilweise kolonisiert. Sie haben Euch nicht nur ihre Gesetze, sondern auch ihre Mentalität gebracht. Das ist unbegreiflich und scheußlich in unserem Zeitalter.
Man muss den Südtiroleinwohnern das Selbstbestimmungsrecht zuerkennen und gestatten. Sie müssen die Möglichkeit haben, durch ein Referendum ihren eigenen politischen Status zu wählen: die heutige Lage zu bestätigen oder sich zum Beispiel für die Unabhängigkeit auszusprechen.
Diese sind die Regeln der Demokratie. Sonst müssen wir zugeben, dass wir Italiener echte Unterdrücker sind.
Als Slowenien, Kroatien, Bosnien ihre Unabhängigkeit erreicht haben, waren alle unsere Politiker damit zufrieden. Niemand hat gesagt, dass man Jugoslawiens Einheit auf jeden Fall beschützen sollte. Dasselbe ist mit der Zersetzung der Sowjetunion passiert. Aber was Italien betrifft, ist seine Einheit etwas Heiliges und Unantastbares. Ich bin auch überzeugt, dass die Einheit unserer Heimat ein wichtiger Begriff ist; aber noch wichtiger ist das Recht aller Völker, ihr Schicksal zu wählen und ihre Geschichte mit ihren eigenen Händen zu schreiben.
Mit freundlichen Grüßen
Giovanni Cavallini
Volterra (PI)