Seitdem Belgiens Vizepremierministerin Laurette Onkelinx vor einiger Zeit zum ersten Mal deutlich aussprach, was bis dahin niemand wirklich glauben konnte, nimmt nun konkrete Formen an: "Wir müssen uns auf das Ende Belgiens vorbereiten." Wie nun aus verschiedenen Medienberichten zu entnehmen ist, kam in Paris im Dezember eine Arbeitsgruppe zusammen, um die Teilung des zehn Millionen Einwohner zählenden Landes abzuwickeln. Die Planungen sehen wie folgt aus:
Das wirtschaftsstarke Flandern im Norden Belgiens bliebe als neuer,
souveräner Staat erhalten. Die frankophone Wallonie im Süden würde
sich Frankreich anschliessen. Auch die Hauptstadt Brüssel, die
eigentlich in Flandern liegt, soll dann an Frankreich gehen. Und die
kleine deutschsprachige Gemeinschaft im Osten des Landes sondiert
bereits seit Wochen, ob Luxemburg einer Aufnahme zustimmen würde.
Mehrfach, so hieß es, sei der Ministerpräsident des deutschsprachigen
Belgiens Karl-Heinz Lambertz bereits im Fürstentum gewesen, „um die
Modalitäten“ eines Anschlusses zu klären.
Sechs Monate nach der vorgezogenen Parlamentswahl steht das Land immer
noch ohne Regierung da. Die im Juni strahlenden Sieger von der Neuen
Flämischen Allianz sind mit der Bildung einer Koalition ebenso
gescheitert wie die wallonischen Sozialisten. Zuletzt versuchte der
aktuelle, vom König eingesetzte Vermittler Johan Vande Lanotte, seine
Gespräche mit den Vertretern der insgesamt sieben möglichen
Koalitionspartnern fortzuführen. An einen Erfolg glaubt niemand mehr.
Und auch dem Monarchen Albert II., der die Aufgabe des Staatsoberhauptes
ausübt, fällt erkennbar nichts mehr ein. Hinzu kommen die wachsenden
wirtschaftlichen Probleme. In einem Bericht der EU-Kommission wird das
Land als Pleite-Kandidat eingestuft, dessen Schuldenlast bis 2012 auf
102,1 Prozent steigen dürfte. Im Umfeld der Kommission rechnet man
damit, dass Belgien noch vor Spanien am Jahresanfang um EU-Krisenhilfe
bitten muss.
Mit der Abwicklung und Teilung Belgiens würde es nach der
Wiedervereinigung Deutschlands und dem Zerfall Jugoslawiens zu
neuerlichen Grenzverschiebungen in Europa kommen. Wieder einmal wird uns
vor Augen geführt, dass Grenzen zwischen Völkern und Staaten noch nie
ein festes immerwährendes Gebilde waren. Grenzen haben sich im Laufe der
Geschichte dauernd verändert. Vor drei Jahren erschien in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Artikel mit dem Titel “Das Ende von
Belgien“. Der Autor dieses Artikels wollte damals darauf keine Wette
abgeben, dass der Zerfall und das Entstehen von neuen Staaten und
Grenzen neben Belgien nicht auch auf andere Regionen Westeuropas wie
Katalonien, Schottland und Südtirol zutreffen kann. Nichts ist
unmöglich. So titelte vor ein paar Wochen auch die Südtiroler
Wirtschaftszeitung und meinte damit die Loslösung Südtirols von Italien,
also genau das, was andere aus welchem Grund auch immer für
unrealistische Hirngespinste oder Zündelein abtun und dabei gerade beim
aktuellen Beispiel Belgien in Erklärungsnot geraten. (em)
Quellen zu diesem Artikel:
Märkische Allgemeine: Frankreich und Luxemburg wollen das Land unter sich aufteilen
Deutsche Welle: Belgien steht vor möglicher Aufteilung
FAZ: Ein Nationalstaat zerfällt. Das Ende von Belgien
EXPRESS:DE :Ein Staat vor dem Zerfall. Verschwindet Belgien von der Landkarte?
http://www.express.de/news/politik-wirtschaft/verschwindet-belgien-von-der-landkarte-/-/2184/4898326/-/index.html