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Verschiedenes zur Einheit Italiens

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Verschiedenes zur Einheit Italiens

Am 17. März hat in der Brixner Cusanus-Akademie eine vom Verein „Heimat Brixen Bressanone Porsenun“ organisierte Podiumsdiskussion zum Thema 150 Jahr Einheit Italiens stattgefunden. Gabriele Di Luca, Lehrer und Zeitungskommentator, Hans Heiss, Historiker und Landtagsabgeordeter, Giorgio Mezzalira, Historiker und Zeitungskommentator, sowie Hartmuth Staffler, Journalist und Gemeinderat der Süd-Tiroler Freiheit, gaben recht unterschiedliche Stellungnahmen dazu ab. Nachstehend die Wortmeldung Stafflers:

„Es ist behauptet worden, dass die Einigung Italiens vom Volk
ausgegangen sei, die zehn Jahre später erfolgte Einigung Deutschlands
hingegen von oben herab diktiert wurde. Das stimmt nicht. In Italien hat
eine Schicht von Intellektuellen die Einigung vollkommen
unterschiedlicher Gebieten erzwungen; an den Abstimmungen durften sich
nur knapp zwei Prozent der Bevölkerung beteiligen, weil die Masse nicht
wahlberechtigt war und nicht einmal lesen und schreiben konnte bzw.
durfte. Noch 1834 war im Königreich Piemont/Sardinien das Lesen lernen
nur Vermögenden erlaubt, während es in Österreich seit 1774 für alle
Pflicht war. Eine deutsche Einigung, ausgehend vom Volk, wäre beinahe
1848 zustande gekommen. Der Anstoß dazu ging vom Tiroler Freiheitskampf
1809 aus, der den deutschen Freiheitskrieg 1813 beeinflusste und auch
auf die Revolution von 1848 und das Frankfurter Parlament Auswirkungen
hatte, in dem sich unser Brixner Abgeordneter Jakob Phillip Fallmerayer
für die deutsche Einheit einsetzte. Mit Recht dichtete Julius Mosen 1834
unter Bezug auf 1809: „…ganz Deutschland ach in Schmach und Schmerz“.
Es ist eine unglückliche Idee, den 17. März als Jahrtag der Einheit
Italiens zu feiern. Am 17. März 1861, also vor 150 Jahren, ist ein
Königreich Italien ausgerufen worden. Das ist ein historisches Datum wie
viele andere, an die man ohne weiteres erinnern kann, ohne deswegen
feiern zu müssen. Kurioserweise ist ja auch das vorherige Königreich
Italien, jenes von Napoleon Bonaparte, an einem 17. März ausgerufen
worden, und zwar 1805. Solche historische Jahrtage sollte man zum Anlass
nehmen, um sich mit der Geschichte zu befassen und daraus zu lernen,
nicht aber um sie nationalistisch auszuschlachten.
Genau das ist aber jetzt der Fall. Man begeht den 17. März nicht als ein
interessantes Geschichtsdatum, sondern zweckentfremdet als „Tag der
Einheit Italiens“. Die Einheit Italiens hat mit dem 17. März 1861 nicht
viel zu tun. Damals wurde das Königreich Italien proklamiert, das am 2.
Juni 1946 mit einem Referendum wieder abgeschafft wurde. Beide Male war
Tirol nicht beteiligt. 1861 gehörten wir noch zu Österreich, 1946
durften wir nicht abstimmen, weil noch nicht geklärt war, ob wir bei
diesem Staat bleiben müssen, der nicht der unsere ist, weil wir eben
keine Italiener sind. Das Königreich Italien vom Jahr 1861 war noch
nicht vollständig. Es fehlte noch Venetien und ein Teil des
Kirchenstaates. Venetien kam dank der Hilfe Preußens 1866 hinzu, der
Kirchenstaat 1870. Damit war Italien vereint und die hehren Ansprüche
des Risorgimento waren erfüllt. Alles, was danach kam, hat gegen diese
Grundsätze verstoßen.
Wenn Italien die Einheit des Staates in den heutigen Grenzen feiert,
dann feiert es das Ergebnis von imperialistischer Aggression gegen
fremde Völker und von Verrat an eigenen Landsleuten. Schon 1859 hat
König Viktor Emanuel die mehrheitlich italienische Grafschaft Nizza den
Franzosen überlassen, um ihre entscheidende Hilfe beim Erwerb der
Lombardei zu erhalten. Nach dem Ersten Weltkrieg hat sich Italien, das
den Krieg zu seinem Glück auf der Seite der Sieger beendet hatte, das zu
einem großen Teil von Slowenen besiedelte österreichische Küstenland
(Görz/Gradisca, Istrien und Triest) sowie den Großteil des Kronlandes
Tirol angeeignet. Der südliche Teil Tirols war zwar überwiegend
italienischsprachig, doch war die Bevölkerung keineswegs damit
einverstanden, zu Italien zu kommen, so wie auch die
italienischsprachige Bevölkerung der Schweiz kein Bedürfnis verspürt
hätte, von Italien erobert zu werden. Die Annexion des deutschsprachigen
Süd-Tirol war auch in Italien sehr umstritten. Im Parlament stimmten
1920 nur 170 Abgeordnete dafür, 48 waren dagegen. Für die deutsch- und
ladinischsprachige Bevölkerung Süd-Tirols war die Annexion durch Italien
eine Katastrophe. Von einem Vielvölkerstaat, in dem die Sprachen aller
Völker respektiert wurden, war das mehrsprachige Tirol zum Nationalstaat
Italien gekommen, der nur eine Sprache duldete und diese Unduldsamkeit
im Prinzip bis heute gewahrt hat. Mit dem Begriff „Einheit Italiens“
wird in Südtirol daher in erster Linie die extreme Diskriminierung der
einheimischen Bevölkerung verbunden, die mit der imperialistischen
Expansion Italiens verbunden ist. Alle Abschwächungen dieser
Diskriminierung, die in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten erfolgt
sind, d. h. die vielgepriesene Autonomie, waren kein Entgegenkommen des
Nationalstaates Italien, sondern Folgen des Druckes der Alliierten nach
dem Zweiten Weltkrieg, die eine Autonomie als Ersatz für die
Selbstbestimmung verlangten, sowie von zwei UN-Resolutionen, die Italien
zum Verhandeln mit Österreich verpflichteten. Vor allem waren es aber
die Aktivitäten der Freiheitskämpfer, die Italien zum Nachgeben zwangen.

Das Land Tirol ist 1248, also vor 763 Jahren entstanden, als die Grafen
von Tirol erstmals auch Gebiete nördlich des Brenners beherrschten, von
denen wir heute leider getrennt sind. Im Jahr 1282, vor 729 Jahren, ist
mit dem Urteilsspruch des Bischofs Konrad von Chur, der unsere
Selbstständigkeit und Unabhängigkeit vom Herzogtum Bayern bestätigte,
das Land Tirol staatsrechtlich anerkannt worden. Seit 1363 hat dieses
Tirol zum Herrschaftsbereich der Habsburger und damit zu Österreich
gehört. Gegenüber den über 700 Jahren der Eigenstaatlichkeit und Einheit
Tirols sind die 150 Jahre Italiens und die 91 Jahre unserer
Zugehörigkeit zu diesem Italien unbedeutend.
Der 17. März als 150. Jahrtag der Gründung des bis 1946 bestehenden
Königreiches Italien ist ein durchaus interessantes historisches Datum,
das jeder nach persönlicher Einstellung feiern kann oder auch nicht. Am
17. März kann man aber auch an die Uraufführung von Friedrich Schillers
Wilhelm Tell vom 17. März 1804 in Weimar denken, ein aktuelles Thema,
weil ja auch wir in Bozen mit dem Siegesdenkmal eine Art
überdimensionalen Gesslerhut stehen haben. Ich persönlich verbinde mit
dem 17. März das Referendum, mit dem am 17. März 1992 die große Mehrheit
der Weißen in Südafrika für die Abschaffung der Apartheid gestimmt hat.
Die südafrikanische Apartheid hatte die vom faschistischen Italien in
Äthiopien eingeführte Rassentrennung zum Vorbild.
Den 17. März als Jahrtag der italienischen Einheit könnten wir nur
respektieren, wenn damit die Vollendung der Einheit Italiens nach der
Eroberung des Kirchenstaates im Jahr 1870 gemeint wäre, nicht aber nach
der imperialistischen Eroberung fremder Gebiete. Einen Großteil dieser
eroberten fremden Gebiete hat Italien inzwischen wieder verloren;
niemand wäre auf die Idee gekommen, Äthiopien oder Libyen, dessen
Staatschef Muammar Gaddhafi im Jahr 1942 noch als italienischer
Staatsbürger geboren wurde, zum Mitfeiern einzuladen. Italien hat sogar
so viel Takt bewiesen, Österreich nicht einzuladen, so dass
Bundespräsident Fischer nicht absagen musste. Von uns Südtirolern wollte
man aber verlangen, dass wir mitfeiern. Man hat kein Verständnis dafür,
dass wir eine  Einheit Italiens mit den heutigen Grenzen, die das 
Ergebnis imperalistischer Aggression sind, niemals feiern können.   
Es würde genügen, wenn Italien den Anspruch auf das nicht italienische
Süd-Tirol aufgeben und einer Grenzverschiebung zustimmen würde, die sich
in vielen Teilen Europas als Mittel zur Entspannung bewährt hat. Dann
würden wir den 17. März gerne feiern.“

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