In der Edition Südtiroler Zeitgeschichte ist in diesen Tagen die erweiterte Neuauflage der sensationellen Dokumentation: „Für die Heimat kein Opfer zu schwer“ erschienen. Die Dokumentation schildert das Schicksal der Südtiroler Freiheitskämpfer, die in den 1960er Jahren durch ihre Anschläge das Schicksal Südtirols zum Besseren gewendet hatten und – in die Hand der Carabinieri geraten – Schreckliches durchmachen mussten. Das umfangreiche Buch (814 Seiten, 604 Abbildungen) kann mittels E-Mail: info@suedtiroler-zeitgeschichte.com bestellt werden.
Bereits Ende der Fünfzigerjahre und dann mit dem großen Schlag der „Feuernacht“ im Jahre 1961 hatte der „Befreiungsausschuß Südtirol“ (BAS) mit Sepp Kerschbaumer an der Spitze begonnen, die Unterdrückungspolitik Roms in Südtirol auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern.
Das Ziel Roms war es gewesen, auch nach 1945 durch Fortsetzung und Vollendung der faschistischen Politik die deutschen und ladinischen Südtiroler durch Unterwanderung und Italianisierung zur rechtlosen Minderheit im eigenen Lande zu machen.
Das scheiterte mit Jahrzehnte langer Nachwirkung an dem mutigen Freiheitskampf einfacher Männer und Frauen aus dem Volk und an dem zähen politischen Widerstand einiger Südtiroler und österreichischer Politiker.
Der Staat als Schutzmacht von Verbrechern – Mord- und Entführungsaufträge -Folterungen
Mit Einsetzen des tätigen Widerstandes auf Südtiroler Seite geschah jedoch auf der italienischen Regierungsseite Ungeheuerliches: Der Staat trat den Bürgern in Südtirol nicht als Hüter des Rechts, sondern als Auftraggeber und Beschützer von Verbrechern entgegen.
Es gab staatliche Mord- und Entführungsaufträge.
In den Carabinierikasernen kam es massenhaft zu entsetzlichen Folterungen. Man versuchte, von Verhafteten Geständnisse zu erpressen, um die Südtiroler Untergrundorganisation zerschlagen zu können.
Der „christdemokratische“ Innenminister Scelba verteidigte diese Methoden gegenüber einem Südtiroler Abgeordneten ganz offen mit den hohnvollen Worten, dass doch auf der ganzen Welt die Polizisten ihre
Festgenommenen schlagen würden.
In Südtirol wurde in den Carabinierikasernen jedoch nicht nur geprügelt, sondern es kamen auch ausgefeilte Foltermethoden zur Anwendung, wie man sie bisher nur aus den grauenhaftesten Berichten menschenverachtender Diktaturen kannte.
Die von Magnago unterdrückten Hilferufe der Gefolterten
Aus ihren Gefängnissen schrieben die Südtiroler Häftlinge flehentliche Hilferufe an die Südtiroler Volkspartei und sie schmuggelten auf abenteuerlichen Wegen handschriftliche Aufzeichnungen über die
erlittenen Qualen hinaus.
Sepp Kerschbaumer (links) schrieb an Magnago: „Lieber Herr Doktor. Es ist wohl an der Zeit…“
Alle diese Dokumente und Informationen landeten auf dem Schreibtisch von Landeshauptmann und Parteiobmann Silvius Magnago. Statt damit in der Öffentlichkeit massiven Protest zu erheben, ließ Magnago die Dokumente im Parteiarchiv verschwinden, um sie für Tauschgeschäfte bei den Autonomieverhandlungen benützen zu können: Südtiroler Stillschweigen gegen römisches Entgegenkommen!
Magnago bewegte sogar den österreichischen Außenminister Kreisky, die Folterunterlagen den Vereinten Nationen in New York nicht vorzulegen, um die italienische Verhandlungsseite nicht vor den Kopf zu stoßen.
Die Rechnung ging nicht auf
Das war eine Rechnung, die nicht aufging. Rom wertete das Schweigen Magnagos offenbar lediglich als Angst vor eigener Verfolgung und nahm keinerlei Rücksichten. Auch die Folterungen gingen ungebremst weiter. In Südtiroler Orten vernahm man in den Nächten aus den Carabinierikasernen die gellenden Schreie der Gefolterten. Darüber berichteten sogar deutsche Zeitungen.
Das Schweigen wurde durchbrochen – mutige Berichterstattung der „Dolomiten“
Das von Magnago verhängte Schweigen über die Folterungen wurde jedoch durchbrochen. Durch das korrekte Verhalten eines mutigen italienischen Untersuchungsrichters kam es zu einem Prozess gegen mehrere Carabinieri in Trient, wo der Staatsanwalt sichals Verteidiger der angeklagten Folterer gebärdete. Der Prozess endete zwar mit unglaublichen Freisprüchen und Amnestierungen, enthüllte aber doch vor einer breiten Öffentlichkeit, was in den Folterkammern vor sich ging.
In immer stärkerem Ausmaß engagierte sich die Tageszeitung „Dolomiten“. Deren mutige und zur damaligen Zeit durchaus nicht risikolose Berichterstattung trug wesentlich dazu bei, dass immer mehr Tatsachen über schwerste Menschenrechtsverletzungen an das Licht der Öffentlichkeit kamen.
Im großen Mailänder Südtirolprozess schilderten sodann Südtiroler Angeklagte die erlittenen Mißhandlungen, die ausführlich in den „Dolomiten“, aber auch in zahlreichen deutschen und österreichischen Medien behandelt wurden und öffentliche Empörung auslösten.
Zudem veranlasste der mit Magnagos Gangart offenbar nicht einverstandene Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer, dass eine Reihe von in Innsbruck in Kopie vorliegenden Folterberichten in einer „Bergiselbund-Broschüre“ an die Öffentlichkeit gelangten und dass auch das Tiroler ÖVP-Organ „Tiroler Nachrichten“ über einzelne Fälle schonungslos berichtete.
Erstmals Folterunterlagen im Original vorliegend
Die Magnago in den Sechzigerjahren zugegangenen Folterdokumente wurden im Original jedoch erst vor kurzem in den SVP-Akten im Südtiroler Landesarchiv aufgefunden und durch Roland Lang vom „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) sowie durch ehemalige Häftlinge wie Sepp Mitterhofer (Ehrenobmann des SHB) an den österreichischen Historiker Helmut Golowitsch in Ablichtungen übermittelt.
SHB-Obmann Roland Lang (ganz links) und SHB-Ehrenobmann Sepp Mitterhofer brachten wertvolle Dokumentationen an das Licht des Tages: Engelbert Angerer hatte Blut im Urin und bat seine Peiniger, ihn zu erschießen!
Diesem gelang es auch, in österreichischen Archiven sowie in den Unterlagen des ehemaligen österreichischen Außenministers Bruno Kreisky weitere erschütternde Berichte und Unterlagen zu finden.
Erstauflage der Folterdokumentation auf Platz 4 der Südtiroler Bestsellerliste
Im Jahre 2009 erschien die erste Auflage der sensationellen Folter-Dokumentation unter dem Titel „Für die Heimat kein Opfer zu schwer“, die es binnen kürzester Zeit auf Platz 4 der Südtiroler Bestsellerliste schaffte.
Das Buch erregte erhebliches Aufsehen und war Gegenstand engagierter Auseinandersetzungen im Südtiroler Landtag, wo Abgeordnete deutscher Parteien neofaschistischen Versuchen entgegentraten, die Menschenrechtsverletzungen der Sechzigerjahre zu leugnen. Breite Erörterungen fanden auch auf öffentlichen Veranstaltungen und in den Medien statt.
Zweite Auflage nun mit wesentlichen Erweiterungen
Nachdem die Erstauflage bereits vergriffen ist, liegt nun die zweite Auflage vor, die anhand neu entdeckter Dokumente und Fakten um einige spannende und auch erschütternde Kapitel erweitert wurde:
Eine den Südtirolern in die Schuhe geschobene Mordtat
In dem Kapitel „Wer ermordete Tiralongo?“ wird einer Mordtat nachgegangen, die von den italienischen Behörden Jahrzehnte lang immer wieder den Südtiroler Freiheitskämpfern in die Schuhe geschoben worden war. In der neuen Dokumentation wird nachgezeichnet, wie der Reihe nach und bis in die jüngste Zeit gerichtliches Beweismaterial zum Verschwinden gebracht worden war. In dem Buch zitierte Aussagen von Zeugen, die nach Jahrzehnten es jetzt erstmals wagen, sich öffentlich zu äußern, ergeben ganz neue Hintergründe und massive Hinweise auf eine gänzlich andere als die bislang immer behauptete Täterschaft.
Widerlegung von Steurers Märchenerzählung
Das Kapitel „Der geschmähte Freiheitskampf“ setzt sich mit falschen Beschuldigungen gegen die ehemaligen Freiheitskämpfer auseinander. Der für seine politische Schlagseite bekannte Südtiroler Lokalhistoriker Leopold Steurer
hat erst unlängst frei erfunden und ohne jeden Sachbeweis, aber im Brustton der Überzeugung, eine abenteuerliche Behauptung aufgestellt: Die Südtiroler Freiheitskämpfer hätten im Jahre 1961 das Andreas-Hofer-Denkmal auf dem Bergisel bei Innsbruck selbst gesprengt, um diese Tat zu Propagandazwecken der italienischen Seite verleumderisch in die Schuhe zu schieben.
Der Autor Helmut Golowitsch hat nun die österreichischen polizeilichen Erhebungsberichte und Gerichtsakten beschafft und ausgewertet und die Ergebnisse der Dokumentenlage samt Faksimile-Wiedergaben von Dokumenten und polizeilichen Erhebungsfotos veröffentlicht.
Die in Österreich aufgefundenen Reste der Sprengmittel waren italienischer militärischer Herkunft und stammten mutmaßlich aus einem „Gladio“-Geheimdienstdepot. Der österreichische Polizeibericht vermerkte über sie:
Das Ergebnis: Die Festschreibung der Täterschaft durch die österreichischen Behörden. Es handelte sich um eine namentlich festgestellte und mit Fotos dokumentierte Neofaschisten-Bande! Diese Bande hatte auch auch in Ebensee und in Wien terroristische Anschläge mit mutmaßlich geheimdienstlichen „Gladio“-Hintergrund geplant und durchgeführt gehabt, war zeitweilig in Italien wegen Sprengstoffanschlägen auf Parteilokale festgenommen und hatte sogar Geständnisse über ihre Taten in Österreich abgelegt. Rasch wurden die Täter wieder freigelassen und konnten sich bis auf ein Bandenmitglied in das Ausland absetzen. Dann wurden die schwereren Delikte durch die italienischen Justizbehörden für amnestiert erklärt und die italienische Staatsanwaltschaft nahm eine weitere Einschränkung auf leichtere Delikte vor. Schließlich wurde nur ein einziger Angeklagter in Verona zu einer Strafe auf Bewährung verurteilt. Obwohl die Bande bei dem Anschlag auf die Saline im österreichischen Ebensee einen Toten und mehrere Verletzte auf dem Gewissen hatte, musste keiner der Täter auch nur einen Tag in Strafhaft verbringen.
Gegen die Leugnung der Tatsachen
Das Kapitel „Folterungen – das unbewältigte Thema“ befasst sich mit der Leugnung der Folterungen durch italienische Politiker wie den Südtiroler Landtagsabgeordneten Alessandro Urzi und den jetzigen Landtagspräsidenten Mauro Minniti. Dieser hatte in einem von ihm verfassten Buch „Martiri invisibili“ („Unsichtbare Märtyerer“) behauptet, die von „Rassenfanatismus“ getriebenen Südtiroler hätten sich „die Verletzungen selbst zugefügt“, um die „im Alto Adige operierenden Polizeikräfte und mit ihnen Italien zu verleumden.“ Die Südtiroler Landesregierung schließlich habe sich entschieden, „die Schlächter (Anm.: gemeint sind die Freiheitskämpfer) statt ihre Opfer (Anm.: gemeint sich die Carabinieri) zu feiern.“
Im Jahr 2011 war Minniti durch Gnaden der SVP bereits wohldotierter Landtagspräsident. Als die Erstauflage dieser Folter-Dokumentation erschienen war und die SVP-Politikerin Martha Stocker nun gegen Minnitis Folter-Leugnung protestierte, vollzog Minniti am 28. Juni 2011 eine rasche Kehrtwendung. Er räumte vor dem Südtiroler Landtag ein, dass es die Misshandlungen doch gegeben habe.
Wie man sieht, kann ein hohes und gut bezahltes Amt zu unerwarteten Einsichten verhelfen.
Würdigung der Tätigkeit für das Gemeinwohl
Das Kapitel „Ihr Leben für die Heimat und Freiheit“ schildert stellvertretend für viele das Leben einiger ehemaliger Häftlinge, die erlittener Folter und nach Jahren zermürbender Haft sich in Südtirol wieder selbstlos in den Dienst des Gemeinwohls stellten. Auch das ist ein erstmals geschriebenes Kapitel der jüngeren Südtiroler Geschichte und würdigt diese moralisch herausragenden und von offizieller Seite vielfach unbedankten Persönlichkeiten.
Stimmen über die Dokumentation:
Dr. Bruno Hosp
Landesrat a.D. der Südtiroler Landesregierung, 1996-2004 Vizepräsident der „Förderalistischen Union Europäischer Volksgruppen“ (FUEV), 2000-2005 Vizepräsident der „Versammlung der Regionen Europas“ (VRE) in seinem Vorwort:
„Möge die vorliegende Dokumentation über die Folterungen an unseren politischen Häftlingen, begleitet von authentischen Hintergrundinformationen, vor allem unserer jüngeren Generation nicht nur das Leid und die Opfer in Erinnerung rufen, sondern auch das Bewusstsein vermitteln, daß der Erhalt einer lebenswerten Heimat Wachsamkeit und beständigen Einsatz von uns allen erfordert!“
Aus einer Buchbesprechung der Erstausgabe auf der Internetseite der Südtiroler Landesbibliothek Dr. Friedrich Tessmann:
„Diese sensationelle Dokumentation schildert das Schicksal der Südtiroler Freiheitskämpfer, die in den 1960er Jahren durch ihre Anschläge das Schicksal Südtirols zum Besseren gewendet hatten und – in die Hand der Carabinieri geraten – Schreckliches durchmachen mussten. Erstmals werden die Folterberichte in ihrer Originalfassung wiedergegeben, darunter auch Briefe von Sepp Kerschbaumer, dem charismatischen Anführer der Erhebung. Bislang geheim gehaltene Dokumente belegen, daß die offizielle Politik auf österreichischer und Südtiroler Seite Folterbriefe unterdrückt hatte, um sie für politische Tauschgeschäfte verwenden zu können. Auch diese dunkle Seite der Geschichte wird erstmals an das Licht des Tages gebracht.
Eine späte und notwendige Würdigung der damals Handelnden.“
Am 25. Mai 2009 widmete die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ der Folterdokumentation eine ganze Seite und schrieb unter anderem:
„Mit diesem Buch hat Helmut Golowitsch ein Werk vorgelegt, um das niemand herum kommen wird, der sich ernsthaft mit den Vorkommnissen der frühen 1960er Jahre in Südtirol befasst, auch nicht jener Abgeordnete einer italienischen Rechtspartei, der wider besseres Wissen im Südtiroler Landtag das diametrale Gegenteil von dem vertrat, was effektiv vorliegt.
Das über 700 Seite starke Buch, reich ausgestattet mit historischem Fotomaterial und mit mehreren Faksimile-Wiedergaben einzelner Anklagebriefe, wird im Bestreben nach einer objektiven Darstellung der Geschehnisse seine Rolle spielen.
Seine Lektüre sei allen empfohlen, die bestrebt sind, einen Akzent wider das Vergessen zu setzen oder aber die eine Nachholnotwendigkeit in zeitgeschichtlichem Bezug verspüren.
Gleichermaßen sei seine Lektüre allen Italienern guten Willens nahegelegt als bedeutende Hilfe zur Aufarbeitung jener Geschehnisse, die ihre Nation in Südtirol zu verantworten hat.“
Radio Südtirol am 13. Mai 2009:
„Im Zuge dieser Arbeiten fanden sich in verschiedenen Archiven und in wissenschaftlichen Dokumentensammlungen weitere bislang unbekannte Unterlagen, die ein dramatisches und leidvolles Geschehen enthüllen.
Die Veröffentlichung dieser Dokumente verurteilt alle Versuche zum Scheitern, die Folterungen wehrloser Gefangener nachträglich zu leugnen und Berichte darüber als Lügen hinzustellen.“