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Siegfried Brugger Hand in Hand mit „Fratelli d´Italia“?

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Siegfried Brugger Hand in Hand mit „Fratelli d´Italia“?

Die „Fratelli d´Italia“ applaudieren Siegfried Brugger zu seinem Vorschlag, das muttersprachliche Prinzip in der Schule auszuhöhlen. Spätestens da müsste bei all jenen, welche die Altoatesinisierung verhindern wollen, die Alarmglocken schrillen, warnt die Bewegung SÜD-TIROLER FREIHEIT.

Ist der Art. 19 einmal aufgeweicht, geht es nicht nur mit der Muttersprache, sondern auch mit unserer Identität bergab. Dass wir Süd-Tiroler unsere Kultur bis heute bewahren konnten, verdanken wir all jenen, die unter Einsatz ihres Lebens dafür gekämpft haben.
 
Vater Brugger würde sich wohl im Grabe umdrehen, sähe er, was Sohn Siegfried heute treibt!
 
Als Warnung sei der Aufsatz von Etienne Alexandre Andrione angefügt.
 
L. Abg. Dr. Eva Klotz
 
14.02.2013

Einige Daten und Fakten
 

1. 1858: Die frankophone Bevölkerung beträgt lt. Volkszählung des Königreichs Sardinien über 95% der Valdotains; zum Zeitpunkt der Entstehung des Königreichs Italien kann das Aostatal mit den höchsten Prozentsatz alphabetisierter Bürger vorweisen.
 
2. 1884: Italienisch wird als Schulsprache dem Französischen gleichgestellt, nach einem ersten Versuch, Französisch einfach abzuschaffen und es einfach mit dem Italienischen zu ersetzen.
 
3. 1919: die Italienische Stiftung Gens wird ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die Einwanderung ins Aostatal aus dem Lombardisch-Venetischen Reiches zu fördern, während die Auswanderung der Einheimischen ins Ausland ungehindert ihren lauf fortsetzt (in Levallois-Perret, einem Vorort von Paris, leben mehr Personen, die aus dem Aostatal stammen, als in Aosta selbst).
 
4. 192? Die Stahlwerke von Cogne, die größte Industrie des Aostatales, das trotz Verluste im Tal aus politischen Gründen am Leben erhalten wird, werden von Mussolini angewiesen, kein Personal aus dem Aostatal mehr einzustellen.
 
5. 1921: nach der letzten italienischen Volkszählung (die 1946 entstandene Republik wird dann keine sprachliche Volkszählung mehr durchführen lassen), sind 88% der Einwohner des Aostatales frankophon.
 
6. 1922-1945: Der Faschismus verbietet den Unterricht und selbst den Gebrauch der französischen Sprache, italianisiert die Ortsnamen und bereitet sich vor, auch die Familiennamen zu italianisieren.
 
7. 1932: Die Kirche wechselt die Unterrichtssprache im Priesterseminar: Innerhalb eines Jahres geht man vom Französischen zum Italienischen über.
 
8. 1938: Der Faschismus verbietet, den Kindern ausländischen Vornamen zu geben. Erst im Oktober 1966 tritt dieses Verbot außer Kraft. Jetzt besteht im Aostatal ein Gesetz, das gestattet, den eigenen Vornamen zu ändern, vorausgesetzt jedoch, dass man davor geboren wurde und dass es glaubhaft gemacht werden kann, dass die betroffene Person immer mit einem anderen als dem im Standesamt eingetragenen Vornamen gerufen worden ist.
 
9. 1948: Autonome regionale Verfassung, die die Gleichstellung beider Sprachen im Unterricht vorsieht. Von der Italienischen Republik wird dies als Einführung von 5 Unterrichtsstunden Italienisch und 5 Französisch in der Woche gedeutet, und der Rest des Unterrichts erfolgt auf Italienisch.
 
10. 1976: Einführung der "vollständigen" Zweisprachigkeit: Die Hälfte der Fächer werden in einer Sprache und die andere Hälfte in der anderen Sprache unterrichtet. Die Lehrkräfte müssen Italiener sein und ihre Unterrichtsbefähigung in Italien erhalten haben.
 
11. 1996: David Monti, Staatsanwalt in Aosta, spricht während einer Gerichtsverhandlung von "frankophoner Fauna" und bezeichnet die französische Kultur als "Eurodisney". Er wird dafür nicht bestraft oder gerügt.
 
12. 19…-2009: Eine beim breiten Publikum ausgelegte Werbekampagne bezeichnet die Einwohner des Aostatales als raues Bergvolk, den Tieren nicht unähnlich und sogar mit dem Geruch des Viehs ausgestattet. Als unzivilisierte Rasse hätten sie von der Eingliederung ins Italienische Reich und sogar vom modernisierenden Faschismus sehr profitiert. Man könne aber nicht von einem anderen Volksstamm reden, da es nicht stimmen würde, dass sie eine andere Sprache sprachen, sollte dies doch stimmen, dann würde es sich um eine sagenhafte Vergangenheit handeln. Im Klartext: Sie würden nicht als eigenständiges Volk existieren, sondern nur als menschliche Sub-Kategorie, anders gesagt, als Untermenschen. Ein gerade im Tale erschienener "Rap" (?) beschreibt den  durchschnittlichen Einwohner des Aostatales: Ein Säufer, der ein mit Kuhmist beladenen "Ape" fährt. Mehrere Politiker haben dem Autor gratuliert, niemand von ihnen hat ihn getadelt.
 
Das Aostatal heute
 
13. 2001: Erste breit und gründlich angelegte sprachliche Forschung im Aostatal seit 1921 (7.250 Fragebögen, unterteilt nach Alterklassen, 79 Datenerfassungsstellen). Die frankophonen Muttersprachler stellen 2% der Bevölkerung und 3/4 von ihnen wurden in Frankreich geboren. 12% der Befragten erklären, ihre Muttersprache sei "Frankoprovenzialisch".
 
14. Noch ein Beispiel:
1921-1931 in Cogne Geborene.
Erklärte Muttersprache: Frankoprovenzalisch 100%, Italienisch 0%.
1977-1983 Geborene: Frankoprovenzalisch 0%, Italienisch 100%.
 
15. Nicht von der Regionalverwaltung subventionierte Publikationen auf Französisch: 0.
16. Tages- und Wochenpresse auf Französisch: 0.
17. TV-Sender auf Französich im neu eingeführten Digitalfernsehen: 0.
18. FM-Radiosender auf Französisch: 0
19. Französische Buchhandlungen: 0.
20. In Vorjahr ausgegebene Gelder für Studentenaustausch mit frankophonen Ländern: 10.000 Euro. Reisekosten der Regionalabgeordneten im Rahmen der offiziellen Frankophonie: 400.000 Euro.
 
21. In den Oberstufen wird die "vollkommene Zweisprachigkeit" unter Zuhilfenahme eines "Unterstützungslehrers" eingeführt. Ein italienischer Lehrer des betreffenden Faches, dessen Französischkenntnisse nicht ausreichen, um das Fach zu unterrichten, wird von einem Französischlehrer unterstützt. Die Auswirkung dieser Methode ist leicht vorstellbar, komisch oder tragisch, je nach Betrachtungsweise.
 
22. Französische Professoren oder solche französischer Muttersprachler in der neuen Universität des Aostatales (zu 90% von der Regionalverwaltung finanziert): 0.
Einziges Masterstudium mit sprachlicher Ausrichtung: Italienisch- Unterricht für Ausländer
23. Universitäts- Kurse nur in französischer Sprache: 0.
24. Überlebenschancen ohne Italienischkenntnisse: 0.
25: Überlebenschancen mit alleinigen Italienischkenntnissen: Vorhanden.
26. Pflicht der Verwaltung, den Bürger in der von ihm gewählten offiziellen Sprache anzusprechen: Nicht vorhanden.
27. Pflicht, die Verwaltungsverordnungen zweisprachig zu veröffentlichen: Nicht vorhanden.
28. Offizielle Verwaltungsverordnungen nur auf Italienisch: 100%.
29. Pflicht für Richter und Staatsanwälte, Französisch zu sprechen/verstehen: Nicht vorhanden.
 
30. Die Bevölkerung ist in etwa zu einem Drittel kalabresischer Abstammung und unterstützt massiv die "Autonomistenpartei" UNION VALDOTAINE. Es gibt viele Partnerschaften und Verbindungen aller Art mit Kalabrien, insbesondere mit den Dörfern von San Giorgio Morgeto, San Luca und Bovalino Marina. Die ‚Ndrangheta ist mit den ’ndrine Nirta, Iocolano, Iaria, Forgiono, Torcasio, Asciutti, Grimaldi, Iamonte, Facchineri, vertreten.
 
31. Das Aostatal ist Umschlageplatz für Rauschgift und Waffen in Richtung Deutschland und Osteuropäische Länder über die Schweiz; es ist auch ein Zentrum der Geldwäsche (Quelle: DIA, Parlamentskommission Antimafia).
 
32. Das Aostatal befindet sich seit mindestens 5 Jahren in einer Rezession. Die Regionalverwaltung beschäftigt direkt 2.900 Personen, 1.000 weniger als die Lombardei. Addiert man die Angestellten der Spielbank, die von teilverstaatlichten Unternehmen und die anderer lokalen Verwaltungen, dann ergibt sich eine Gesamtzahl der Personen, die im Öffentlichen Sektor arbeiten, die um ein Vielfaches ähnliche Zahlen aus Kalabrien oder Sizilien übersteigt. Heute kann man wahrscheinlich getrost sagen, dass das Aostatal die italienische Region mit dem höchtsten "residuo fiscale" (?), mit dem höchsten Staatsanteil an der Gesamtbeschäftigung und mit dem niedrigsten Wachstum ist.
 
33. Das Aostatal ist eine militarisierte Region. Ordnungskräfte (Carabinieri, Polizei, Steuerfahndung) sind in etwa viermal so stark wie im italienischen Durchschnitt vertreten, gezählt im Prozent der Gesamtbevölkerung. Hinzu kommen noch die Geheimdienste, die sehr wahrscheinlich vertreten, aber nicht quantifizierbar sind. Wenn man davon ausgeht, dass Italien den höchsten Prozentsatz an Sicherheitskräften in der westlichen Welt hat, dann kann man schon sagen, dass das Aostatal die am stärksten militarisierte Region des Westens ist.
 
34. Die Sicherheit des Palastes der Regionalverwaltung ist, der Wahl der "Autonomistenpartei" UNION VALDOTAINE folgend, General Paolo Inzerilli, dem ehemaligen Stabsleiter des SISMI und Gladios, anvertraut worden.
 
Dies sind einige Daten, die ich für besonders wichtig halte.
Es liegt auf der Hand, dass der Verlust der sprachlichen Identität und eine gleichzeitige massive Militärpräsenz, ein Anstieg der Auswanderung und eine massive Immigration, die organisierte Kriminalität und die Inkompetenz, gelinde gesagt, der öffentlichen Verwaltung, sehr stark miteinander korrelieren könnten.
Es ist nämlich offensichtlich, dass Italien bewusst und aus Überzeugung das Ziel einer vollständigen Entwurzelung der sozialen und sprachlichen Identität des Aostatales verfolgt hat. Die Mittel dazu:
Die Umkehrung des Zahlenverhältnisses zwischen den frankophonen und den italophonen Bevölkerungsanteilen. Dies ist geschehen einerseits mittels einer massiven Einwanderung zuerst von Einwohner des Lombardo-Venetos (Italische Stiftung Gens), später von Kalabresen (seit dem Ende der 30er Jahre) und anderseits mit der Förderung der Auswanderung von Einheimischen aus dem Aostatal (1/3 der Bevölkerung zwischen dem Ende des 19. und der Mitte des 20. Jahrhunderts) und mit der Verwässerung der Aostanischen "Besonderheit" in einem größeren Zusammenhang (Abschaffung der Provinz Aosta und spätere "Wiedergeburt", aber in der Gemeinschaft mit dem bevölkerungsreicheren Canavese).
 
Gewährung und Ablehnung von Subventionen: Das Spektrum reicht vom Gießkannenprinzip der Regierung Gava (1951), welche die Finanzierungen aus Rom nur bei einem gefälligen Wahlergebnis (DC) vorsehe, bis zum Gegenteil:1981 Steuersplitting der 9/10, einschließlich MWSt auf den Importen, was nach 1992 mit einer jährlichen Ersatztransferleistung fortgesetzt wurde. Minister Andreatta soll dazu erklärt haben: "Die werden nie mehr Lust haben, sich von uns zu trennen". Mit anderen Worten ging es hier um sehr hohe und zum Teil nicht begründbare Geldtransfers, die eine sehr starke Abhängigkeit vom Staat erzeugen.
 
Abschneiden der Minderheit von möglichen Hilfsmitteln, die aus dem Ausland, insbesondere aus Europa ihr zufließen könnten, mittels zwischenstaatlicher Abkommen und insbesondere mittels der Vorstellung im Ausland eines Italien, welches den Minderheiten Respekt und Großzügigkeit entgegenbringt. Sie werden sogar in der Verfassung erwähnt. Frankreich, ein Land, welches für die Anliegen der Minderheiten wenig empfindlich ist, die europäische Frankophonie nicht unterstützt, grundsätzlich jedem Anliegen, das nicht "nur eine Sprache für ein Land" vorsieht, feindlich gesinnt ist, glaubte den Italienern sehr gerne.
 
Einschüchterung, tief greifende Kontrollen und, falls nötig, die Repression seitens einer zahlenmäßig sehr stark vertretenen Ordnungsmacht bar jeder Verhältnismäßigkeit jeden Phänomens einer "Abweichung". Es hatte nie Anschläge gegeben.
 
Vielleicht kamen auch andere, hässlichere Mittel zur Anwendung, und nicht nur während der Duce-Zeit (1944, Folterung und Ermordung von Emile Chanoux). Zwischen 1966 und 1972 verlor z.B. das Tal 3 der 4 gewählten Parlamentarier (zwei wurden posthum gewählt) bei Flug- und Verkehrsunfällen. Ein Zufall ist hier fast auszuschließen.
 
Einschließung der Sprachminderheit in eine "Sammelpartei", die nach eigenem Gutdünken handeln und walten darf, da sie sich selbst als Hüterin der Minderheit ernennt, die durch Aufteilung der Kräfte bedroht würde. Die Zersplitterung ist in der Tat gefährlich und die Sammelpartei manchmal nützlich. Aber die Einflussnahme und die Manipulation der Sammelpartei wird somit möglich, insbesondere wenn sie an der Macht ist und diese behalten will. Es ist wie mit einer Burg: Solange der Feind draußen ist, ist sie ein Schutz, wenn der Feind schon drin ist, wird sie zum Gefängnis.
 
Sprachliche Unterdrückung. Diese vollzieht sich über verschiedene Wege: Gewalt, mehr oder minder stark ausgeübt, je nach Zeit, Gesellschaft  und Personen, die sie ausüben, Rassismus, und am tückischsten, Ignoranz.
Auf letzteres möchte ich näher eingehen:
Im Aostatal ist die ethnisch- sprachliche Minderheit als erloschen zu betrachten. Italien hat die Aostanische Besonderheit assimiliert, besser gesagt, hat sie gänzlich zerstört und daraus einen italienischen Brückenkopf an den Grenzen zu Frankreich und zur Schweiz gemacht. Wie bereits erörtert, ist dieser Brückenkopf nicht ohne Makel.
 
Dies alles konnte geschehen wegen des Ungleichgewichtes der Kräfte, des Fehlens einer internationalen Unterstützung, einer besonders schwachen einheimischen Geburtenrate, einer schädlichen Rolle der Aostanischen Kirche (Bischof Imberti sprach 1932 von "italianisieren, faschistisieren", als ob es sich dabei um gleichbedeutende Imperative handelte), einer örtlichen Bourgeoisie, die in der Produktivität zu wünschen übrig ließ und über wenig Selbstbewusstsein verfügte, daher eines schwachen lokalen Widerstands, die sich, wie so oft, als Sammelbecken von Wendehälsen, Verrätern und Spionen entpuppte.
 
Die Wurzel dieser Schwäche und des Unvermögens, an eine Umkehrung der Tendenz zu denken, liegt in der Unkenntnis der französischen Sprache und der Aostanischen Geschichte, die in ebendieser Sprache geschrieben ist. Indem Italien die Aostaner des Französischen beraubte, nahm es ihnen die Fähigkeit, "aostanisch" zu denken. So wie George Orwell es in 1984 vorgesehen hatte. Es ist schwer, sich als etwas Anderes als Italiener zu fühlen, wenn man nur Italienisch kann.
 
Das Projekt, die Bevölkerung intellektuell zu knechten und sie des ethnischen Bewusstseins und des Mittels, um es zu erlangen, der Sprache, zu berauben, wurde, während und nach dem Faschismus, mit brachialer Gewalt vom Königreich Italien verfolgt. Nach dem verlorenen 2. WK wird sich Italien raffinierterer, wenn nicht noch wirksamerer Mittel bedienen. Der Betrug ist das Hauptinstrument, damit wird jeder Widerstand im Keim erstickt. Dieser Betrug hat einen Namen: "Zweisprachigkeit".
 
Die Überlegung, an und für sich verführerisch: Jede Sprache bedeutet eine Bereicherung der Persönlichkeit. Also sind zwei Sprachen besser als nur eine. Und da man im Kindesalter besser Sprachen lernt, müssen bereits Kinder beide Sprachen erlernen. Auch wird nicht-italienischsprachigen Eltern empfohlen, mit dem Kind auch Italienisch zu sprechen, damit es nicht benachteiligt, sondern die Wonne der Zweisprachigkeit voll genießen könne.
 
Was dann geschieht: Das Kind entwickelt eine instinktive sprachliche Unsicherheit, die es schlussendlich beendet, indem es sich fast automatisch für die Stärkere der beiden Sprachen entscheidet. Und, in einem Staat ist die Amtssprache immer die stärkste, in Italien die italienische.  Dies ist die Sprache der Verwaltung, letztendlich der legitimen Gewalt oder, nach Guy Heraud, die Sprache des unwiderstehlichen Zwangs. Wer hier schreibt ist einer der letzten Aostaner französischer Muttersprache. Er hat diese Sprache mühsam wiedererlernen müssen, als er gemerkt hatte, wie sehr er inmitten einer italienischen Umgebung sein Französisch bereits italianisiert hatte, zuerst mit übernommenen Wörtern, dann auch mit italienischen Sprachgebilden im Französischen. Die Ähnlichkeiten zwischen beiden Sprachen erleichtern diesen Vorgang, darunter leidet aber die "verfälschte" Sprache tödlich.
 
Die Lage in Südtirol ist offensichtlich ganz anders als die im Aostatal, und der Gang der Dinge wäre ein anderer, selbst wenn ihr versuchen würdet, unserem Beispiel zu folgen. Dennoch verläuft alles nach demselben Prinzip: Den Fuchs in den Hühnerstall einschleusen, im Namen des sozialen Friedens und der kulturellen Bereicherung. Sobald der Fuchs kann, frisst er die Hühner.
 
Es geht mir hier nicht darum, die wunderschöne Kultursprache Italienisch zu schmähen, oder das Belpaese selbst, so reich an Kunst und Intelligenz. Ich will auch nicht in sich geschlossene und von der Welt abgesonderte Gemeinschaften erfinden, selbst nicht den Vorteil leugnen, mehrere Sprachen zu beherrschen.
 
Aber man muss wissen, dass ein zentralistischer Staat wie Italien, mit einer faschistischen Vergangenheit, die nie wirklich zur Vergangenheit gezählt hat, immer wieder zur Zerstörung seiner Minderheiten neigen wird, mit der Gewalt und mit der Korruption, die schon für sich sehr wirksame Waffen sind. Es wird aber auch zur besonders heimtückischen Waffe greifen: Als Frieden zu verkaufen, was an sich ein hinterhältiger Kleinkrieg ist.
 
Es ist nicht lustig, einer Minderheit anzugehören, es ist mühsam, aufzehrend. Allein um zu überleben, musst Du ein Vollzeit-Extremist sein. Auf einmal schlägt Dir jemand vor, den Rucksack abzulegen, und versichert Dir, dass es kein Verrat ist, sondern nur der Anfang einer neuen Zeit, wo es keinen Krieg mehr geben wird, weil es an Feinden fehlt. Man machte sich lächerlich, jetzt noch mit dem Rucksack zu marschieren, nicht wahr?
 
Nein. Der einzige Weg einer Minderheit, um zu überleben, ist unbeugsam zu bleiben. Es wäre absurd, ihr vorzuwerfen, unbeugsam zu sein: Kein Volk sucht sich das Schicksal aus, vor dem Gespenst der eigenen Zerstörung zu stehen. Man sollte sich nicht wundern, wenn es zumindest versucht, diese Perspektive von sich abzuwenden.
 
Vor Jahren besuchte ich Südtirol und musste auf dem Heimweg heulen, ich hatte nicht ohne Neid etwas gesehen, das meinen Vorstellungen über das Aostatal entsprach. Vor kurzem bin ich wieder bei Euch gewesen und habe, bitte um Verzeihung, auch hier die Symptome der Dekadenz festgestellt, des Fehlens des Antriebs, des Auskostens einer günstigen wirtschaftlichen Situation, des Vergessens der Vergangenheit im Namen der Modernisierung und der Globalisierung, der substantiellen Anhänglichkeit gegenüber Italien bei ausreichenden wirtschaftlichen Transferleistungen im Gegenzug.
 
Ich kenne das. So fing unser Ende auch an. Unser tragisches und widerwärtiges Beispiel steht als Mahnung vor Euch.
Geld, sei es viel oder wenig, je nach Strategie, welcher man sich bedient, aber stets als Bedingung für die Kontrolle des Landes, als Absage an das Ideal der Freiheit, als Einmischung in die Verantwortung für die Erziehung der neuen Generationen verstanden.
 
Wenn ich Dich nicht gleich vernichten kann, dann kaufe ich Dich und damit kontrolliere ich Dich. Dann, sobald dies möglich ist, wandle ich Dich um. Nicht zum Besseren, denn das war nicht der Zweck der Sache!

 
Etienne Andrione

Archiv, Eva Klotz
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