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Südtirol: Das System SVP

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Südtirol: Das System SVP

Wolfgang Schimank aus Berlin hat folgenden Artikel verfasst, der die politischen Verhältnisse in Südtirol näher beleuchtet. Es geht um das „System SVP“. Die SVP selbst bestreitet die Existenz dieses Systems. Als ehemaligem DDR-Bürgerrechtler ist Wolfgang Schimank das, was in Südtirol passiert, zutiefst zuwider.

Während unter Silvius Magnago und Alfons Benedikter die SVP und die Kämpfer des BAS von Rom die Autonomie abtrotzten, fand unter Landeshauptmann Luis Durnwalder eine Absicherung der Macht nach Innen statt. –Infolge der etwas überhasteten „Streitbeilegungserklärung“ Österreichs vor der UNO im Jahre 1992 wurde in Südtirol die zuvor eher schwächliche Opposition stärker, und diese galt es in Schach zu halten. Er installierte ein „System SVP“, das sich wie Mehltau bis in die entlegensten Winkel des Landes ausbreitete. Es ist ein System von Gefälligkeiten gegenüber SVP-freundlichen Personen und Organisationen, das vorwiegend aus Steuermitteln finanziert wird. Kritische Personen und Organisationen, selbst Zeitungen werden hingegen finanziell bestraft und ins schlechte Licht gerückt. Diese Erfahrungen haben die ladinische Wochenzeitung „La Usc di Ladins“ und der Südtiroler Schützenbund schon machen müssen.

Das „System SVP“ fördert in der Bevölkerung eine Mentalität des Darüberhinwegsehens: „Ich bin gesund, habe ein Dach über dem Kopf! –Was will ich mehr?“ Luis Durnwalder erntete die Früchte der Arbeit Benedikters und Magnagos. Nach 1992 kehrten ein relativer Frieden zwischen den Bevölkerungsgruppen und wegen des Fleißes der Südtiroler Wohlstand ein. Im Schatten dieser Zufriedenheit betrieben die Spitzenpolitiker der SVP eine maßlose Selbstbedienungspolitik. Einige von ihnen verdienen mehr als Barack Obama, Angela Merkel oder Expräsident Nicolas Sarkozy. –Warum soll sich an diesen Verhältnissen etwas ändern? Das „System SVP“ wirkte bislang bei vielen Südtirolern wie Botox: Es macht unempfindlich und gleichgültig gegen äußere Reize, gegen die täglichen Demütigungen und Italienisierungsversuche durch Rom und die Neofaschisten. –Wo ist der einst so unbändige Freiheitswillen der (Süd-) Tiroler geblieben?
Zur Lethargie vieler Südtiroler tragen auch die in den Schulen von Rom vorgegebene tendenziöse Geschichtsdarstellung und das Pressemonopol des SVP-freundlichen Athesia-Verlages bei.

Die SVP lebt geradezu vom „kalten Wind aus Rom“. Kurz vor den Wahlen wird den Wählern Botox (die heile Welt) entzogen und Front gegen Rom gemacht. Das hatte bisher immer gut geklappt, die Reihen der Südtiroler geschlossen und der SVP traumhafte Wahlergebnisse beschert. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner war bisher nicht nötig. Aber zu oft erwies sich die scharfe Polemik gegenüber Rom im Nachhinein als eine Luftnummer. –Die SVP hatte sich zu einem furchterregenden Tiger aufgeblasen, um dann als pflegeleichter Bettvorleger Roms zu landen. –Nachdem das Wahlziel erreicht ist, soll alles möglichst so bleiben wie es ist.

Die SVP und Rom, das ist wie eine Biozönose: Irgendwie braucht man einander. Rom versucht der SVP die Opposition vom Halse zu halten, und die SVP arrangiert sich dafür (ob freiwillig oder nicht, das ist eine andere Frage) als Statthalter Roms in Südtirol. Die SVP schaut nahezu tatenlos zu, wie Südtirol italienisiert wird und beteiligt sich daran, jeden Freiheitsgedanken zu diskreditieren. Die SVP erhielt von Rom einige Geschenke: die hohe Wahlhürde bei Parlaments- und Senatswahlen (40%), die Ausnahmegenehmigung bei der Wahl des Landeshauptmannes und die nachsichtige Behandlung der Partei bei der zu spät beantragten Wahlkampfkostenrückerstattung.

Wurde der Druck seitens der römischen Zentralisten zu groß, so glaubte die SVP stets, mit Kompromissen, die fast bis zur Selbstverleugnung gingen, das Problem zu entschärfen. Eine rote Linie hat es bei der SVP unter Durnwalder nie gegeben. Aber irgendwann ist das letzte Tafelsilber, die „Identität““ verscherbelt. Sie schreckt auch nicht davor zurück, mit dem linken Parteisammelsurium Partito Democratico (PD) ein Bündnis einzugehen, das ganz offen dafür eintritt, in Südtirol den „ethnischen Ballast“ über Bord zu werfen. Selbst PD-Politiker betrachten die faschistischen Relikte in Südtirol als Symbol der „Italianitá“.

So hart es auch klingen mag, wenn man die Versäumnisse der SVP zusammenzählt, so kommt man zum Schluß, daß die SVP ein „betreutes Sterben“ der Identität ihres eigenen Volkes betreibt.

Die SVP hatte die Illusion, unbehelligt von Rom die Autonomie ausleben zu können. Rom greift jedoch mindestens seit 2006 immer ungenierter in das Leben Südtirols ein. Karl Zeller, der heute möglichst nicht mehr daran erinnert werden möchte, stellte seinerzeit fest: „Die dynamisierte Autonomie ist tot!“.

Seitdem ist die „weltbeste Autonomie“ eine Lebenslüge der SVP.

Das von Francesco Cossiga 2006 vorgeschlagene Selbstbestimmungsreferendum wäre der Ausweg aus diesem Dilemma. Aber die SVP verweigert sich einer Lösung außerhalb Italiens, was Luis Durnwalder in einem Interview mit der österreichischen Zeitung „Die Presse“ am 08.11.2012 am klarsten zum Ausdruck brachte.

Damit entzieht sich die SVP fahrlässig der Verantwortung und stellt ihr eigenes Wohlergehen über das ihres Volkes.

„Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit!“ (Marie von Ebner-Eschenbach)

Wolfgang Schimank
Berlin, den 21.03.2013

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