Die Bewegung SÜD-TIROLER FREIHEIT organisiert im Herbst ein landesweites Selbstbestimmungs-Referendum in Süd-Tirol, bei dem jeder wahlberechtigte Bürger die Möglichkeit erhalten wird, darüber abzustimmen, ob Süd-Tirol das Selbstbestimmungsrecht ausüben soll. Bereits die Ankündigung dieses Referendums hat zu heftigen politischen Diskussionen geführt. Gegner der Selbstbestimmung- allen voran dieSüdtiroler Volkspartei- scheuen in dieser Diskussion nicht davor zurück, mit Falschaussagen der Bevölkerung einzureden, dass die Selbstbestimmung Süd-Tirols nicht möglich sei. Die Bewegung SÜD-TIROLER FREIHEIT hat daher die Universität Innsbruck mit einer umfangreichen Studie zur Durchführbarkeit der Selbstbestimmung in Süd-Tirol beauftragt.
Neben völkerrechtlichen Aspekten werden darin alle relevanten Bereiche einer Loslösung Süd-Tirols von Italien, wie die EU-Mitgliedschaft, die Frage der Rentenregelung, Schuldenbeteiligung, Staatsbürgerschaftsfrage uvm. beleuchtet. Es ist dies die umfangreichste Studie, die jemals in Süd-Tirol zu dieser Thematik erstellt wurde. Sie räumt schonungslos mit Falschbehauptungen auf und zeigt, wie die Selbstbestimmung Süd-Tirols umgesetzt werden kann.
Mit dieser Studie leistet die SÜD-TIROLER FREIHEIT einen wichtigen Beitrag zur Vorbereitung der Selbstbestimmung in Süd-Tirol.
Die Studie umfasst 3 große Themenbereiche:
- Rechtliche Voraussetzungen des Selbstbestimmungsrechts der Völker und seine praktische Anwendung – unter besonderer Berücksichtigung Süd-Tirols.
- Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts/Folgen für Staatsbürgerschaft
- Staatensukzession und ihre Auswirkungen/Vergleich Wiedervereinigung und Freistaat
Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde heute Vormittag der erste Teil der Studie vorgestellt, der sich mit den rechtlichen Voraussetzungen des Selbstbestimmungsrechts befasst und dabei die Frage beleuchtet, unter welchen Voraussetzungen Süd-Tirol die Selbstbestimmung ausüben kann.
Die Studie zeigt auf, wie das Selbstbestimmungsrecht entstanden ist und Einzug in das Völkerrecht, bzw. die UN-Menschenrechtspakte gefunden hat. Das 20. Jahrhundert kann dabei als Jahrhundert der Selbstbestimmung bezeichnet werden. Die Selbstbestimmung ist zum Aufhänger und Motor für die politische und rechtliche Legitimation territorialer Veränderungen geworden.
„Selbstbestimmung wird auch als Prinzip zur Legitimierung von Wandel in den internationalen Beziehungen verstanden. Wandel ist ein kontinuierliches Phänomen, das seine Grenzen im Interesse an Stabilität findet. Wandel und Stabilität sind damit zwei Seiten derselben Medaille. Die großen Selbstbestimmungsbewegungen haben das Selbstbestimmungsrecht selbst nicht konsumiert. Sie stellten allein beschleunigte Phasen der Veränderung dar. Das Völkerrecht enthält kein Recht auf Sezession außerhalb des kolonialen Bereichs. Es verbietet Sezession aber auch nicht. Und es fordert immer stärker die Partizipation des Einzelnen und es schützt ein immer breiter gefächertes Spektrum an Rechten des Individuums. Damit entsteht aber auch eine immer stärkere Spannung zwischen Wandel und Stabilität.“
Obgleich das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Art. 1 der UN-Menschenrechtspakte verankert ist, gibt es keinen Automatismus dafür, unter welchen Umständen und ab wann das Selbstbestimmungsrecht in Anspruch genommen werden kann. Es ist dies von der individuellen Situation abhängig und letztlich eine Frage des Wollens.
Menschenrechts- bzw. Autonomieverletzungen keine Voraussetzung für Selbstbestimmung:
Von der SVP wird immer wieder die Behauptung aufgestellt, dass Süd-Tirol durch die Autonomie bereits eine Art „innere Selbstbestimmung“ erreicht hat und die wirkliche „äußere Selbstbestimmung“ erst dann ausgeübt werden kann, wenn es von Seiten Italiens zu schweren Menschenrechtsverletzungen, oder Autonomieverletzungen kommt. Das stimmt nicht! Die Studie zeigt klar auf, dass es keine rechtliche Legitimation für eine Selbstbestimmung als Notwehrrecht gibt:
„Schlägt nun, wie verschiedentlich behauptet wird, das innere Selbstbestimmungsrecht in ein Recht auf Sezession um, wenn Minderheiten das Recht auf wirksame Partizipation verweigert wird? Für die Existenz eines solchen Automatismus, ja auch nur für das Vorliegen von diesbezüglichen normativen Regelungsansätzen liegen keine überzeugenden Belege vor. Insgesamt ist davon auszugehen, dass ein Selbstbestimmungsrecht als Notwehrrecht im Völkerrecht nicht existiert, zumindest wenn man darunter einen völkerrechtlich geschützten Anspruch auf Loslösung von einem Staatsverband bei schweren Menschenrechtsverletzungen versteht.“
Wille zur Selbstbestimmung ausschlaggebend:
Ob die Staatengemeinschaft bereit ist, die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts zuzuerkennen, hängt von mehreren Faktoren ab. Begünstigt werden diese durch eine wirtschaftliche und politische Schwächung des Zentralstaates, aber auch durch politisch-historische Begründungen des Selbstbestimmungsanspruchs. Entscheidend ist auch die Bereitschaft der sezedierenden Gruppe, Menschenrechts- und Minderheitenschutz zu gewähren, um somit zu einer positiven Entwicklung des Gebietes zu führen.
Wie am Fall der Åland-Inseln ersichtlich, wird auch genauestens geprüft, ob der Selbstbestimmungsanspruch zuvor vehement vertreten wurde, oder ob man sich mit Minderheitenrechten zufrieden gibt. Auch in jüngster Zeit wird der Intensität der Selbstbestimmungsforderungen und der Frage, ob historisches Unrecht noch als solches empfunden wird, immer größeren Stellenwert beigemessen. Neuere Untersuchungen deuten sogar darauf hin, dass auch wirtschaftliche Gründe für die Geltendmachung von Selbstbestimmungsansprüchen entscheidend sein können.
Für Süd-Tirol bedeutet dies, dass die Anti-Selbstbestimmungspolitik der SVP, den Selbstbestimmungsanspruch Süd-Tirols nachhaltig schwächt.
Recht auf Sezession:
Die SVP behauptet immer wieder, dass die Selbstbestimmung Süd-Tirols nicht möglich sei, da das Völkerrecht Sezessionen verbiete. Das ist falsch! Das Völkerrecht sieht das Recht auf Sezession explizit für den Entkolonialisierungsprozess vor. Darüber hinaus gibt es keine klare Regelung, das heißt, weder einen Anspruch, noch ein Verbot auf Sezession. Da es jedoch auch nach Abschluss des Entkolonialisierungsprozesses erfolgreiche und international anerkannte Sezessionen gegeben hat (insbesondere in Ost-Europa, beim Zerfall Jugoslawiens, in Ost-Timor, dem Süd-Sudan und vor allem im Kosovo), kommt dem „Sezessionsrecht“ immer größere Bedeutung zu. In einem Gutachten vom 22. Juli 2010 stellte der internationale Gerichtshof (IGH) unmissverständlich fest, dass das Völkerrecht Unabhängigkeitserklärungen nicht verbietet. Der Anspruch auf Sezession ist somit vor allem ein faktisches und weniger eine rechtliches Phänomen.
„Unter Einbeziehung all dieser Faktoren ist davon auszugehen, dass die gegenwärtig an vielen Stellen Europas vorgetragenen Selbstbestimmungsforderungen durchaus starker Natur sind und auch Aussicht auf Erfolg haben können.“
Der erste Teil der Studie zeigt somit auf, dass die SVP die Bevölkerung in wesentlichen Punkten belogen hat. Es gibt weder ein völkerrechtliches Verbot auf Sezession, noch ein Notwehr-Selbstbestimmungsrecht bei Menschenrechtsverletzungen.
Das Völkerrecht, bzw. die UN-Menschenrechtspakte bilden den Rahmen für das Selbstbestimmungsrecht. Ob dieses aber zur Anwendung kommt, hängt vom politischen Willen ab.
Zusammenfassung:
„Sezession ist mehr ein faktisches als ein rechtliches Phänomen. Damit wird es interessant zu prüfen, was die faktischen Determinanten sind, die zur Sezession führen. Empirische Untersuchungen zeigen, dass dafür wirtschaftliche Gründe maßgeblich sein können, aber auch das Vorliegen von Autonomieregelungen. Aus einer Autonomiesituation heraus kann sich das Streben nach Eigenstaatlichkeit verfestigen. Die Autonomie kann Voraussetzungen schaffen, die die spezielle Identität der auf dem betreffenden Territorium lebenden Gruppe(n) weiter stärken. Unerwartete wirtschaftliche Entwicklungen können die Durchsetzung eines Selbstbestimmungsanspruchs faktisch erleichtern. Der Glaube an einen Selbstbestimmungsanspruch kann zusätzlich dazu beitragen, die Kohäsion der Gruppe zu stärken. Dasselbe gilt für die Überzeugung, eine eigenständige Nation darzustellen. Die Entwicklung der Selbstbestimmungsdiskussion ist von zahlreichen Grauzonen gekennzeichnet, so dass der definitive Gegenbeweis, wonach ein Selbstbestimmungsanspruch von ethnisch-national definierten Völkern nicht gegeben sei, nicht mit letzter Überzeugungskraft angetreten werden kann. Wenn aber die staatliche Souveränität eine Schwächung erfährt (aus welchen Gründen auch immer), so können diese Entwicklungen, so sehr sie rechtlich-dogmatisch zu beanstanden sind, eine Eigendynamik annehmen und zu harter Realität werden. In diesem Sinne kann der Glaube (an ein Selbstbestimmungsrecht der Volksgruppen) Berge (i.e. Grenzen) versetzen!“
Der zweite und dritte Teil der Studie wird in den nächsten Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt.
SÜD-TIROLER FREIHEIT
Freies Bündnis für Tirol