Die Bewegung SÜD-TIROLER FREIHEIT beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Frage der Selbstbestimmung für Süd-Tirol und war dabei stets bemüht, die diesbezüglichen Voraussetzungen und die Folgen für das Land zu prüfen und zur Diskussion zu stellen. Zahlreiche Gespräche wurden geführt, Gutachten eingeholt und Meinungen angehört. Die SÜD-TIROLER FREIHEIT wird diese Studien auch in Zukunft fortführen, Experten konsultieren und entsprechende Diskussion anregen.
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist zweifelsohne eines der zentralen Prinzipien des Völkerrechts, das einer fortlaufenden, dynamischen Entwicklung unterliegt. Einige Elemente dieses Konzepts sind deshalb gegenwärtig noch in der Schwebe, andere haben sich aber definitiv konsolidiert.
In Bezug auf die aktuelle Diskussion um die Selbstbestimmung für Süd-Tirol und betreffend die Folgen einer möglichen Ausübung des Selbstbestimmungsrechts können folgende Punkte als unstrittig gelten:
Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts
Die Entscheidung muss beim Volk liegen
Für die Wahrnehmung der Selbstbestimmung wäre grundsätzlich die Form einer informierten Volksabstimmung zu bevorzugen. Das heißt, es würde zu einer freien und demokratischen Volksabstimmung kommen, der jedoch eine hinreichend lange Vorbereitungszeit vorausgehen muss, damit allen Beteiligten die Möglichkeit geboten wird, sich ausreichend über alle Vor- und Nachteile zu informieren. Die definitive Entscheidung muss somit unmittelbar beim Volk liegen. Um den reibungslosen Ablauf dieser Volksabstimmung zu gewährleisten, wäre die internationale Überwachung durch die Vereinten Nationen, durch die OSZE, den Europarat und die EU anzustreben. Tatsächlich haben diese internationalen Einrichtungen in den letzten Jahrzehnten in einer Vielzahl an Fällen solche Formen der Volksabstimmung gefördert (und überwacht).
Verselbstständigung Süd-Tirols und die Frage der Staatsangehörigkeit –
Doppelte Staatsbürgerschaft
In der Vergangenheit -so auch bei der Annexion Süd-Tirols durch Italien- wurde der Bevölkerung des abgetrennten Territoriums häufig die neue Staatsbürgerschaft (bei gleichzeitiger Aberkennung der alten Staatsbürgerschaft) automatisch zuerkannt. Die Süd-Tiroler hätten beispielsweise die österreichische Staatsbürgerschaft nur dann behalten dürfen, wenn sie binnen eines Jahres Süd-Tirol verlassen und nach Österreich übersiedelt wären.
Mittlerweile wird dem Willen der Bevölkerung eine viel größere Bedeutung zugemessen und die Staatenpraxis zeigt, dass es bei einem Gebietswechsel nicht mehr automatisch zum Verlust der Staatsangehörigkeit kommt.
Die Lostrennung Süd-Tirols von Italien und eine nachfolgende Angliederung an Österreich hätten keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit der Bevölkerung. Der Bevölkerung müsste die Möglichkeit eingeräumt werden, sowohl die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben als auch die italienische Staatsangehörigkeit zu behalten. Hier wäre ein idealer Anlassfall für die breitgefächerte Zulassung (bzw. Förderung) der doppelten Staatsbürgerschaft gegeben.
Dies ist vor allem für die italienischsprachige Bevölkerung in Süd-Tirol wichtig, da eine Abspaltung Süd-Tirols von Italien somit nicht zum Verlust ihrer italienischen Staatsangehörigkeit führen muss und sichergestellt wird, dass es zu keiner Diskriminierung kommt.
Mitgliedschaft in der EU und internationalen Organisationen
– Bei Eigenstaatlichkeit Süd-Tirols
Die Verselbstständigung von Regionen, die bisher einem EU-Staat angehörten, (z.B wenn Süd-Tirol ein eigener Staat werden sollte), würde einen komplexen Verhandlungsprozess in Gang setzen. Sollte sich bei der Selbstbestimmung Schottlands 2014 eine Mehrheit für die Unabhängigkeit finden, wird diese innere Erweiterung der EU erstmals durchexerziert und damit maßgeblich für zukünftige Entwicklungen dieser Art.
Grundsätzlich gilt jedoch, dass die EU im höchsten Maße daran interessiert ist, keine neuen weißen Flecken auf der EU-Landkarte entstehen zu lassen, zumal es sich ja um Gebiete handelt, die bereits integrierter Bestandteil der EU-Wirtschaftsstruktur sind. Es ist daher davon auszugehen, dass die EU kein Interesse daran haben dürfte, diese neuen Gebiete durch einen Ausschluss dauerhaft zu bestrafen.
Für die Mitgliedschaft bei allen anderen internationalen Organisationen gilt, dass eine solche Mitgliedschaft höchstpersönlich ist und nicht automatisch übergeht. Süd-Tirol müsste somit im Falle einer Verselbstständigung um Aufnahme ansuchen.
– Bei Wiedervereinigung Tirols mit Österreich
Im Falle einer Wiedervereinigung mit Österreich gilt das Prinzip der „beweglichen Vertragsgrenzen“, welches besagt, dass alle Verträge Österreichs somit auch auf Süd-Tirol ausgedehnt würden. Sowohl die Mitgliedschaft in der EU als auch bei internationalen Organisationen, denen Österreich gegenwärtig angehört, wären somit automatisch.
Staatennachfolge in Vermögen und Schulden
Im Falle einer Verselbstständigung Süd-Tirols, bzw. einer Wiedervereinigung mit Österreich, ist davon auszugehen, dass die allgemeinen Regeln der Staatensukzession zur Anwendung kommen würden.
Süd-Tirol würde somit (entweder selbst oder weiterleitend auf den österreichischen Staat) -auf der Basis des Proportionalitätsgrundsatzes- einen Anteil der italienischen Verbindlichkeiten übernehmen, hätte dafür aber auch Anspruch auf die entsprechenden Vermögenswerte Italiens.
Rentenansprüche
Die Rentenansprüche der Süd-Tiroler wären im Falle einer Loslösung von Italien sowohl auf europarechtlicher als auch auf völkerrechtlicher Ebene mehrfach abgesichert. Eine einseitige Kündigung der Rentenansprüche durch Italien würde gegen den Rechtsstaatlichkeitsgrundsatz gemäß Art. 2 EUV sprechen und wäre als rechtswidrige Enteignung einzustufen.
Die in Italien erworbenen Versicherungsansprüche der Süd-Tiroler könnten somit sowohl im Falle einer Wiedervereinigung als auch im Falle der Eigenstaatlichkeit geltend gemacht werden.
Zusammenfassung:
Die SÜD-TIROLER FREIHEIT hat umfangreiche Informationen über die Voraussetzungen für eine Verselbstständigung Süd-Tirols und ihre Folgen eingeholt und kann auf dieser Grundlage federführend ein zentrales gesellschaftspolitisches Diskussionsthema voranbringen.
Diese Diskussion wird weiter fortgeführt werden, aber schon jetzt kann verschiedenen Ängste und Sorgen, aber auch bestimmten rechtlichen Bedenken bestimmt begegnet werden.
6. Es gibt Experten, die an einem Sezessionsrecht zweifeln, aber an der Kraft der Selbstbestimmungsidee zweifelt niemand. Im Glauben an die Selbstbestimmungsidee steckt eine außergewöhnliche Kraft, die – wie die Entwicklungen in vielen Teilen Europas zeigen – fortlaufend auf Veränderungen hinwirkt!
Wer trotzdem noch glaubt, dass eine Selbstbestimmung Süd-Tirols rechtlich und politisch absolut unmöglich sei, dem sei folgendes Zitat vor Augen geführt:
Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder, am 12. Juni 1989
SÜD-TIROLER FREIHEIT
Freies Bündnis für Tirol