Im Auftrag der SÜD-TIROLER FREIHEIT erstellte Prof. Hilpold, Völkerrechtler an der Universität Innsbruck, ein Gutachten. Dieses trägt den Titel „Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und seine praktische Anwendung – unter besonderer Berücksichtigung Südtirols“ und wurde im Mai 2013 der Öffentlichkeit repräsentiert. Das Ergebnis der Untersuchung brachte nicht den erhofften Freibrief für eine Sezession von Italien, es war aber auch nicht als ein abschlägiger Bescheid derselben zu verstehen. – Die Schadenfreude der SVP-Spitzenpolitiker war deshalb etwas verfrüht…
Das Völkerrecht sieht im Allgemeinen kein automatisches Recht auf Sezession vor, schließlich, so Prof. Hilpold, sei die Völkergemeinschaft keine „Mördergrube“. Er stellte mehrere Fälle vor, wo es um die Frage ging, ob eine Sezession zu gewähren ist oder nicht. Es wurden, manchmal etwas verklausuliert, Gründe genannt, die den Ausschlag zu einer erfolgreichen Sezession gaben. Auch wenn die Völkergemeinschaft bzw. der Internationale Gerichtshof (IGH) in erster Linie versucht, das Problem innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen zu lösen, so gebe es Grauzonen in der Rechtspre-chung. Im Gegensatz zur Nachkriegszeit sind die Sensibilität betreffs des Minderheitenschutzes und die Bereitschaft, auch auf drastische Maßnahmen zurück zu greifen, gestiegen.
Geschichtlicher Rückblick
Mit der Herausbildung von bürgerlichen Nationalstaaten in Europa Anfang / Mitte des 19. Jahrhunderts begann eine Diskussion zum Begriff „Nation“ und zum Völkerrecht. Pasquale Stanislao Mancini (1817-1888) hatte großen Anteil der Entwicklung des modernen Völkerrechts. Der Begriff „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ wurde in erster Linie durch den US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson geprägt. Er entwickelte in Hinblick auf den Kriegsgegner des 1. Weltkrieges Österreich-Ungarn das friedenstiftende 14-Punkte-Programm. Ein wichtiger Punkt war, die Staatsgrenzen unter Berücksichtigung der ansässigen Volksgruppen zu ziehen. Die Alliierten England und Frankreich ignorierten seinen Friedensplan auf das Brutalste. Plötzlich befanden sich die Südtiroler, Sudetendeutsche und Siebenbürger in einem ihnen fremden Land und wurden ihrer Herkunft wegen diskriminiert. Mit diesem Unrecht wurde die Saat für den nächsten Krieg gelegt.
In Anbetracht des Grauens des 2. Weltkrieges wurden von der Sowjetunion, von der entstehenden Dritten Welt und von den westlichen Staaten Ideen entwickelt. Sie fanden ihren Niederschlag im Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte sowie im Internationalen Pakt über Wirtschaftliche und Kulturelle Rechte. In beiden Pakten wird im Artikel 1 ausführlich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker eingegangen. 1966 wurde dieses Regelwerk von der UNO angenommen und trat 1977, als die Mehrheit der Mitgliedsländer es ratifiziert hatte, in Kraft. – Italien hatte 1977 unterschrieben und sich damit zur Einhaltung dieser Rechte verpflichtet.
Begriffliche Definition des Selbstbestimmungsrechts (SBR)
Beim Begriff „Selbstbestimmungsrecht“ wird im internationalen Völkerrecht zwischen der internen und der externen (Sezession) unterschieden. Da eine Lösung der ethnischen Probleme innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen bevorzugt wird, spricht man gerne von interner Selbstbestimmung.
Seit der Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte im Jahre 1977 durch Italien dürfte auf alle Fälle das interne SBR der Südtiroler nicht angezweifelt werden.
Durch den Zusammenbruch des sozialistischen Systems hat sich das sozialistische interne SBR von selbst erledigt. Übrig geblieben ist das demokratische SBR wilsonscher Grundprägung.
Wer hat Anspruch auf das externe Selbstbestimmungsrecht?
Nach dem 2. Weltkrieg gibt es zwei Gründe für ein uneingeschränktes Recht auf Sezession: das koloniale SBR und das SBR als Notwehrrecht.
Der Entkolonialisierungsprozeß dürfte weitgehend abgeschlossen sein.
Nach dem 1. Weltkrieg ist die Tiroler Landeseinheit zerbrochen. Damit ist das Selbstbestimmungsrecht in all´ seinen Facetten auf Südtirol, speziell auf die deutschsprachige Bevölkerung als nationale Minderheit in Italien, übergegangen.
Wie könnte die Sezession aussehen?
Prinzipiell gibt es drei Varianten: Die Wiedervereinigung mit Österreich (von der SÜD-TIROLER FREIHEIT favorisiert), der Freistaat nach dem Vorbild Liechtensteins (Ziel der Freiheitlichen) und die Europaregion Tirol (Ziel der BürgerUnion). Eine Vereinigung mit der Schweiz oder mit Deutschland (als Sonderwirtschaftszone) wäre auch noch möglich. Die realistischsten Varianten sind meines Erachtens die ersten beiden.
Gründe für eine Sezession
Prof. Hilpold nennt in seinem Gutachten vier Gründe, warum eine nationale Minderheit Sezession betreibt. Ich möchte diese noch um drei weitere ergänzen.
Die Forderung nach Sezession wird oft dann erhoben, wenn:
1. – ein Staat aus wirtschaftlichen/ politischen Gründen zerfällt,
2. – die Bildung eines eigenen Staates oder die Vereinigung mit einem anderen Staat mehr Gerechtigkeit bietet,
3. – die Rechte der betreffenden Minderheit absichtlich/ systematisch übergangen werden,
4. – keine ausreichenden Garantien für Interessenausgleich gegeben sind,
5. –s ich die Minderheit wesentlich vom Staatsvolk unterscheidet (andere Kultur und Mentalität) und
6. – die Geschäftsgrundlage des Autonomievertrages in Frage gestellt wird.
7. – Der Fall Triest.
Prof. Hilpold geht in seinem Gutachten trotz des Zusatzes in der Überschrift „unter besonderer Be-rücksichtigung Südtirols“ nur auf der ersten Seite direkt auf Südtirol ein. Wesentlich konkreter wird Prof. Peter Pernthaler mit seinem Gutachten „Südtirol auf dem Weg zur Selbstbestimmung“. Deshalb wird der Vollständigkeit halber ab und zu auch Prof. Pernthaler zitiert.
I
Italien hatte am 31.12.2011, kurz nachdem Mario Monti die Regierungsgeschäfte übernahm, eine Staatsverschuldung von 120,8% des BIP. Die Sparmaßnahmen, die er einleitete, konnten die Zunahme der Verschuldung nicht aufhalten. Am 31.12.2012 war die Staatsverschuldung bereits bei 127% des BIP! Während er die einfachen Menschen und die kleineren und mittleren Unternehmen mit der Immobiliensteuer und anderen Steuern zum eisernen Sparen zwang, blieben die Reichen, die Politiker und die Mafia weitgehend verschont. Die Einsparungen hatten eher einen sporadischen Charakter und zielten nicht auf ein „Fordern und Fördern“ ab. Während Südtirol einen soliden Haushalt aufweist, versickern die Gelder in Rom und Sizilien. Italien hält sich einen Fuhrpark mit 600.000 Staatskarossen, und das „waldreiche“ Sizilien 28.500 Waldarbeiter! Auf der anderen Seite lebten 2012 14% aller Italiener unter der Armutsgrenze. Das ist eine Verdopplung innerhalb von zwei Jahren! 38% der Jugendlichen hatten 2012 keine Arbeit und damit keine Perspektive!
In Italien ist es momentan unattraktiv, ein Unternehmen zu gründen/ zu führen. Es gibt keine Planungssicherheit. Den Unternehmern wird es schwer gemacht, Arbeitskräfte zu entlassen. Dadurch ist die italienische Wirtschaft unflexibel und hat mit der Produktivität zu kämpfen, was sich negativ auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit auswirkt. Früher konnte Italien diese Entwicklung durch eine Entwertung der Lira ausgleichen. Mit der Einführung des EURO ist das nicht mehr möglich.
Am 17.05.2012 berichtete die Zeitung „Der Standard“: „Steuerhinterziehung, Schattenwirtschaft und Kriminalität machen rund 31% des italienischen Bruttoinlandproduktes aus.“ – Wie lange ist Italien noch handlungsfähig?
Was bedeutet das für Südtirol?
Mario Monti hatte unter dem Vorwand der Einsparungsmaßnahmen das Autonomiestatut mehrfach eklatant verletzt. Auch das Mailänder Abkommen, das die Verteilung der Finanzen und die Beteiligung Südtirols am Abbau der Schulden regelt, wurde außer Kraft gesetzt. Ministerpräsident Letta möchte ein neues Mailänder Abkommen mit Südtirol abschließen. Es ist ein offenes Geheimnis, was das für Südtirol bedeutet: Südtirol soll „freiwillig“ noch mehr zahlen.
Nachfolgend ein Rechenbeispiel, was auf Südtirol zukommt:
Italien hatte im Oktober 2012 eine Staatsverschuldung von ungefähr 2 Billionen €. Allein die Zin-sen auf die Staatsschulden betrugen bei einer Verzinsung von 4,5% 90 Milliarden €. Angenommen, die Schulden werden auf die ganze italienische Bevölkerung gleichmäßig verteilt. Südtirol hatte am 31.12.2011 einen Bevölkerungsanteil von 0,843%. Der einfacheren Rechnung wegen runden wir auf 1% auf. Damit ergibt sich eine jährliche Zinszahlung von mindestens 900 Millionen €. Um die Staatsverschuldung auf 50% zu senken, wäre für Südtirol ein Betrag von 10 Milliarden € zu zahlen. Südtirol hat aber nur ein jährliches Budget von ungefähr 5 Milliarden €…
Pikanterweise ist die romtreue Südtiroler Volkspartei (SVP) aus Gründen des Machterhaltes auf diesen Deal in Form eines Koalitionsvertrages mit dem Partito Democratico (PD) eingegangen, was rechtlich äußerst fragwürdig ist. Solche Vereinbarungen kann nur der Landtag abschließen. Diese Vereinbarung hat in Südtirol für Empörung gesorgt. Es ist ohnehin eine Milchmädchenrechnung, denn die Provinzen südlich von Rom, ganz zu schweigen von Sizilien, haben keinen Haushaltsüberschuß…
II
Die Wiedervereinigung mit Österreich, die Gründung eines Freistaates Südtirol oder eine Europaregion Tirol brächten wesentlich mehr Gerechtigkeit. Die drei Volksgruppen würden sich dann in gleicher Augenhöhe begegnen.
In Südtirol finden wir folgende Situation vor:
- Die italienische Volksgruppe wird durch Rom und durch die romtreue SVP bevorzugt behandelt. Erinnert sei an die bessere Bezahlung der italienischen Schulen, an die mit Ignoranz hingenommene Aufweichung des Proporzes und an die schleichende und unterschwellige Italienisierung. Die Deutsch-Südtiroler fühlen sich trotz bestehender Autonomie wie Fremde im eigenen Land.
- Die Verwaltung arbeitet hier viel sparsamer und effizienter als in anderen Provinzen. Das rächt sich: Als Lohn dafür wird Südtirol von Rom überproportional zur Kasse gebeten.
- Bozen bezahlt einen Teil der Schulausbildung, hat aber kaum Einfluß auf die Lehrinhalte. Auf kul-turelle Besonderheiten wird kaum eingegangen und eine einseitige Geschichtsdarstellung betrieben.
Andreas Khol, langjähriger Angehöriger des Nationalrates von Österreich, behauptete einmal, die Brennergrenze sei nur in den Köpfen von Ewiggestrigen, sie existiere faktisch nicht mehr. Nachfolgend drei Beispiele, die das Gegenteil beweisen:
- Wenn Südtiroler Schüler eine Klassenfahrt nach Ost- oder Nordtirol machen wollen, müssen sie das bei der Quästur (Polizeipräsidium) in Bozen melden und diese polizeilich genehmigen lassen.
- Rom unternimmt nichts, um die faschistischen Denkmäler in Südtirol zu beseitigen und um fa-schistisch-nationalistische Veranstaltungen zu unterbinden. Wenn aber Menschen gegen ein faschis-tisches Denkmal demonstrieren wollen, kann die Polizei auf faschistische Gesetze zurückgreifen und die Demonstration verbieten lassen. So ist es am 25.04.2009 in Bruneck passiert, als die Südti-roler Schützen gegen das Alpini-Denkmal protestieren wollten. Das ist in Österreich undenkbar!
- Bei einem Gewinn von 1 Million € bleiben dem Unternehmer in Österreich nach Steuern ca. 750.000 € und dem Unternehmer in Südtirol 430.000 € als Eigenkapital für den Betrieb.
III
Die SVP hatte die Illusion, ohne Eingriffe aus Rom ihre Autonomie ausleben zu können. Spätestens 2006 platzte für diese Partei der Traum wie eine Seifenblase. „Die dynamische Autonomie ist tot!“ sagte SVP-Parlamentarier Karl Zeller.
Die Südtiroler Landesregierung hatte akribisch jeden Fortschritt der Autonomie aufgeschrieben. Der letzte Eintrag war im Oktober 2003. Wenn man vom Übergang des Bozner Musikkonservatoriums auf das Land Südtirol im Jahre 2006 und dem Abschluß des Mailänder Abkommens im No-vember 2009 absieht, gab es nicht nur einen Stillstand. Seitdem wurde die Autonomie kontinuierlich zurückgefahren.
Viele Südtiroler Politiker gehen davon aus, daß die Rückschritte mit der Verfassungsreform von 2001 zu tun haben. Diese gab der Bevölkerung mehr Mitspracherechte in Form von Volksentscheiden. (Seitdem dürfen auch Landesoberhäupter direkt vom Volk gewählt werden, was die SVP aus Machtgründen ablehnt.) Die Kehrseite der Reform: Seitdem werden die Autonomiekompetenzen Stück für Stück durch Verfassungsgerichte umgedeutet. Heutzutage, so beklagen die Oppositionsparteien, wird selbst jeder Abstand zwischen den Häusern von Rom aus bestimmt. Sie beklagen auch, daß die Gerichte, die über das Wohl und Wehe der Autonomie entscheiden, nicht paritätisch besetzt sind.
Ist die Verfassungsreform von 2001 ein Mittel Roms zum systematischen Abbau der Autonomierechte???
Landeshauptmann Durnwalder hat bei Prof. Obwexer von der Universität Innsbruck ein Gutachten zu diesem Thema in Auftrag gegeben.
Dank des SVP-Medienmonopols wurden die Rückschritte bei der Autonomie lange Zeit verschwiegen, schließlich war die „dynamische Autonomie“ innerhalb Italiens das erklärte Ziel der SVP.
IV
Mit der Amnestie der italienischen Faschisten und ihrer Kriegsverbrechen durch den kommunisti-schen Justizminister Palmiro Togliatti im Jahre 1946 wurde der Grundstein gelegt, daß das faschistisch-nationalistische Gedankengut noch heute in breiten Teilen der Bevölkerung Italiens vorhanden ist. Daraus resultiert ein Unverständnis gegenüber nationalen Minderheiten. Deshalb ist Italien nicht in der Lage, eine vernünftige Minderheitenpolitik zu betreiben. In der Berlusconi-Partei PdL gibt es viele „geläuterte“ Faschisten. Daher ist es nicht verwunderlich, daß aus dieser Partei extrem auto-nomiefeindliche Äußerungen zu vernehmen sind.
Am 02.08.2009 sagte der Minister für öffentliche Verwaltung, Renato Brunetta, gegenüber der Zeitung „Il Gazzettino“: „In drei bis fünf Jahren wird alles anders. Die Regionen, die bis dato Privilegien genießen, darf es bis dahin nicht mehr geben!“ Mario Monti setzte diese Vorankündigung in die Tat um. Unter dem Vorwand der EU-Sparvorgaben verstümmelte er die Autonomie Südtirols bis zur Unkenntlichkeit. – Wenn die SVP noch heute gebetsmühlenartig von der „weltbesten Autonomie“ redet, dann stellt sich die Frage, von welcher Autonomie diese Partei spricht.
Die Äußerungen Montis vom 25.10.2012 gegenüber der Tageszeitung „Kurier“ betreffs Südtirol zeigen eindeutig, daß die italienischen Spitzenpolitiker ihre Ansicht nicht geändert haben, daß jede Verbesserung der Autonomie ein Geschenk Roms sei, nicht aber eine Verpflichtung aus dem Pariser Abkommen.
Ernsthafte Kratzer an der Glaubwürdigkeit der italienischen Politiker dürfte es durch den massiven Bruch der Autonomievereinbarungen insbesondere durch Monti und die unglaublichen Wahlversprechen Berlusconis zu den Wahlen im Februar 2013 gegeben haben. Diese sind in der Zeitung „Der Standard“ vom 21.02.2013 dokumentiert. Es sei auch an die Aktion erinnert, als Italien 5.700 afrikanischen Flüchtlingen 500 € in die Hand gedrückt und dann mit dem Bus nach Deutschland gekarrt hat. Gesetze werden so verdreht, wie es den Politikern nützt. Das starke Abschneiden der Grillo-Bewegung kann man als eine Absage an die verlogene italienische Politikerkaste verstehen.
Die oben genannten Sachverhalte beweisen, daß in Italien ein Interessenausgleich mit den nationa-len Minderheiten nicht möglich ist. Über kurz oder lang haben dort Minderheiten keine Überlebenschance. – In Südtirol befürchtet man, daß sich in 10 bis 20 Jahren die Verhältnisse zuungunsten der Deutsch-Südtiroler verschoben haben.
V
Seit der Annexion Südtirols durch Italien im Jahre 1921 ist die Landeseinheit Tirols zerbrochen. Sowohl die Süd- als auch die Nordtiroler haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie die Teilung als ein Unrecht empfinden.
Die SVP sammelte 155.000 Unterschriften zwecks Wiedervereinigung mit Österreich und übergab sie am 22.04.1946 dem österreichischen Bundeskanzler Leopold Figl.
Am 24.11.1994 verabschiedete der Tiroler Landtag eine Resolution: „In der Präambel zur Tiroler Landesordnung 1989 bekennt sich der Tiroler Landtag zur geistigen und kulturellen Einheit des ganzen Landes. Der Tiroler Landtag stellt dazu fest, daß sich demnach die geistige und kulturelle Einheit auf Nord-, Ost- und Südtirol bezieht. Der Tiroler Landtag bekennt sich… zur Wahrung und Entfaltung des fundamentalen und unveräußerlichen Menschenrechts der Selbstbestimmung, wie dies im jeweiligen Art. 1 Abs. 1 der Menschenrechtspakte sowie der KSZE- Schlußakte von Helsinki zum Ausdruck kommt.“
Elmar Thaler, Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, sieht den moralischen Anspruch auf Selbstbestimmung durch die Teilung des Tiroler Volkes begründet.
Im Oktober 2010 führte das Bozner Apollis- Istitut in Südtirol eine Befragung durch. Von 617 Be-fragten gaben 95% an, sich nicht als Italiener zu fühlen.
Erfreulicherweise wollen auch immer mehr Menschen aus der ladinischen und italienischen Volksgruppe in Südtirol nichts mit Italien zu tun haben. Waren es im Jahre 2008 noch 35%, so sind es jetzt durch die ungenierten Eingriffe Roms in die Autonomie bestimmt noch mehr.
Sowohl Prof. Hilpold als auch Prof. Pernthaler stellen übereinstimmend fest, daß der Weg zur externen Selbstbestimmung durch die Einbeziehung der Ladiner und der ethnischen Italiener wesentlich einfacher sei.
VI
In dem Moment, da italienische Spitzenpolitiker die Autonomie Südtirols und die Schutzmachtfunktion Österreichs nicht anerkennen, stellen sie die Geschäftsgrundlage des Pariser Abkommens und der Streitbeilegung durch Österreich in Frage.
Michael Gehler, Obmann der Historischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wis-senschaften, sagte am 02.12.2012 gegenüber der “Budapester Zeitung“: „Sobald die Autonomie angezweifelt werde, sei die Südtirol-Frage erneut gestellt, die Geschichte somit wieder auf dem Tisch, und der Ausgang offen.“
Prof. Pernthaler schreibt in seinem Gutachten „Südtirol auf dem Weg zur Selbstbestimmung“: „Darüber hinaus steht die Streitbeilegung selbst – wie jeder völkerrechtliche Vertrag – unter dem Vorbehalt der „clausula rebus sic stantibus“. Das heißt, wenn die Verhältnisse sich ändern, muß auch der Vertrag neu verhandelt und geändert werden.“
VII
Vor 60 Jahren forderte Italien von der Weltgemeinschaft erfolgreich das Selbstbestimmungsrecht für Triest. Das Freie Territorium Triest war ein neutraler Staat, welcher auf Betreiben der Alliierten 1947 gegründet wurde.
Das Recht ist bekanntlich keine Einbahnstraße. Wenn Italien vom Recht auf Selbstbestimmung Gebrauch gemacht hat, so muß es auch hinnehmen, wenn eine nationale Minderheit dieses Recht zwecks Sezession nutzt.
„Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Reaktivierung des Selbstbestimmungsrechtes sind durchaus günstig: Alle beteiligten deutschsprachigen Verhandlungsparteien – die Südtiroler Volksgruppe ebenso wie Tirol und die Republik Österreich – haben die so genannte „Streitbeilegung“ nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt des Selbstbestimmungsrechtes akzeptiert und dieser Vorbehalt ist auch von Italien ohne Widerspruch zur Kenntnis genommen worden.“ (Verbalnote vom 11.06.1992 an Italien zugestellt) schreibt Prof. Pernthaler in seinem Gutachten.
Wolfgang Schimank
Berlin