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Faschistisch belastete Bezeichnung „Alto Adige“

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Faschistisch belastete Bezeichnung „Alto Adige“

Die Landtagsabgeordneten der Bewegung SÜD-TIROLER FREIHEIT, Eva Klotz und Sven Knoll, verweisen in Zusammenhang mit der Bezeichnung Sudtirolo in der Fiat- Werbung auf die wissenschaftliche Analyse dieses geografischen Begriffs durch Dr. Cristian Kollmann (s. unten) und darauf, dass „Alto Adige“ faschistisch belastet ist. Sie bedauern, dass dem Geschrei der Verteidiger faschistischer Namensvergewaltiger nachgegeben wird!

Südtirol – Alto Adige – Sudtirolo
(von Dr. Cristian Kollmann)

Namensgeschichtlicher Abriss und Überlegungen zu einer modernen Nomenklatur

Südtirol und Alto Adige sind in den Köpfen der meisten Leute automatische Entsprechungen, zumal dieses Namenpaar von der Politik so vorgegeben wird. Da ist es fast schon ein Wunder, wenn in einem Land, in dem Alto Adige omnipräsent ist, vereinzelt auch Sudtirolo beharrlich seinen Weg geht und die eine oder andere Nische findet. Südtirol und Alto Adige bezeichnen zwar dasselbe Territorium, aber bei genauerer Betrachtung werden durch die jeweilige Bezeichnung völlig divergierende Assoziationen und Emotionen geweckt, die Südtirols Geschichtsbild zwischen den Sprachgruppen um so mehr auseinanderklaffen lassen. Der deutsche Name Südtirol, der immer noch das Grundelement Tirol enthält, ist historisch korrekter als Alto Adige, daher ist im Italienischen die Übersetzung Sudtirolo auch wegweisender, ja schlicht und einfach ehrlicher. Blickt man hinter die Kulissen von Alto Adige, entdeckt man ein ganz bestimmtes nationalistisches Konzept: Auf der Grundlage der sogenannten „Naturgrenztheorie“ sollte allen voran durch Ettore Tolomei, den „Erfinder des Alto Adige“ (nach Maurizio Ferrandi), ein südlich des Brenners und westlich der Toblacher Felder befindlicher Tiroler Landesteil geleugnet und der historische Anspruch auf ein „Hochetsch“ begründet werden. Werfen wir einen Blick auf die Namensgeschichte.

Namensgeschichtlicher Abriss

13. Jh.

Im Jahr 1248 wird durch den Aufstieg der Grafen von Tirol, die ihren Namen von der Burg oberhalb von Meran ableiten, die Bezeichnung Gefürstete Grafschaft Tirol gebräuchlich. Der ältere unpolitische Name terra inter montes (= Land im Gebirge) wird dadurch mehr und mehr verdrängt.

14. Jh.

Magarethe Maultasch übergibt 1363 die Grafschaft Tirol, das Land an der Etsch und am Inn, den Habsburgern. Der Herrschaftsbereich der Grafschaft Tirol geht von der Hauptstadt Meran aus und erstreckt sich vorwiegend entlang der Etsch bis zur Nocemündung. Gebiete im Osten (Hayden-Ampezzo, Pustertal) und im Nordosten (Rattenberg, Kufstein, Kitzbühel; Zillertal) kommen erst nach 1500 dazu. Aus diesen Gründen wird vor allem im 14. Jh. neben Tirol auch Etschland (lat. partes Athasis) als Landesbezeichnung geführt.

15.-18. Jh.

Meran wird 1420 als Landeshauptstadt von Innsbruck abgelöst. Das politische Gewicht verschiebt sich nördlich des Brenners. Die Namen Tirol bzw. Grafschaft oder Land Tirol, ital. Tirolo bzw. Contea oder Provincia del Tirolo scheinen sich zu festigen. Aber auch die Namen Etschland, Land an der Etsch, ital.  Longoladige, Paese Longoladige bestehen weiterhin, dies jedoch zunehmends nur mehr als Landschaftsbezeichnungen, die sich in der Regel auf das Etschtal zwischen Meran und Trient beziehen. 1762 wird auf einer Landkarte von Joseph von Spergs ein Teil Tirols abgebildet. Er nennt sich Tyrolis pars Merdionalis und reicht im Nordwesten bis Schlanders und im Nordosten bis Ampezzo. Erstmals wird hier ein Teil Tirols namentlich als im Süden befindlich wahrgenommen.

Anfang des 19. Jhs.

Die Bezeichnung Süd-Tirol – Tirolo meridionale taucht erstmals auf, so z. B. bei Andreas Hofer. Hierbei handelt es sich um eine sporadische und unpolitische Beschreibung für das südliche Tirol, ohne dieses am Brenner, sondern weiter südlich (entweder Klausen – südlich von Meran, Bozen oder Salurn) festzumachen.

1810 bis 1814

Durch die Aufteilung Tirols durch Napoleon zwischen Bayern und Italien entstehen Südbayern und das Oberetsch-Department  – Dipartimento dell’Alto Adige. Letzteres umfasst die heutige Provinz Trient und reicht im Norden bis Gargazon und Kollmann. Primör-Primiero, Buchenstein, Hayden-Ampezzo und Toblach gehören zum Dipartimento del Piave. Dass Verwaltungseinheiten nach Flüssen benannt werden, entspricht den französischen Gepflogenheiten.

19. Jh. nach 1814

Nach der Wiederherstellung Tirols und dessen Rückkehr zu Österreich tritt die Bezeichnung Südtirol – Tirolo meridionale häufiger auf, aber auch hier immer nur als Landschaftsname. Anfänglich bezieht sich dieser auf das ehemalige Oberetsch-Department, also die heutige Provinz Trient und die heutige Provinz Bozen bis Gargazon und Kollmann. Später deckt sich Südtirol – Tirolo meridionale vielmehr mit dem italienischen Teil Tirols. Für den deutschen Teil Tirols, zu dem freilich auch Bozen gehört, ist aus Welschtiroler Sicht auch Tirolo settentrionale geläufig. Auf administrativer Ebene gelten ab der Mitte des 19. Jahrhunderts Deutsch-Tirol – Tirolo tedesco für das deutsche Tirol (außer Deutschnonsberg, Truden und Altrei) und Ladinien (außer dem Fassatal), und Welsch-Tirol – Tirolo italiano für das italienische Tirol (inklusive Deutschnonsberg, Truden und Altrei) und das ladinische Fassatal. Mit Tirolo italiano konkurriert im Italienischen schon seit den 1840er Jahren der von den Irredentisten bevorzugte Begriff Trentino, der „das Trientnerische“ bedeutet.

Ende des 19. Jhs.

Der extreme Roveretaner Nationalist Ettore Tolomei beginnt seinen Kampf um den Gewinn Deutsch-Tirols südlich des Brenners und westlich der Toblacher Felder. Um jede Gemeinsamkeit mit Tirol zu leugnen, prägt er für dieses Territorium den Begriff Alto Trentino. Indes beginnt die Tourismusbranche, das deutsche südlich des Brenners gelegene Tirol auch als Deutsch-Südtirol – Tirolo meridionale tedesco zu bewerben, das somit dem welschen Südtirol (Trentino) gegenübergestellt wird.

1906

Tolomei lässt Alto Trentino endgültig fallen und gräbt Napoleons Alto Adige aus, nachdem dieses seit 92 Jahren verschwunden ist und für ein ganz anderes Gebiet gegolten hat. Hinter der Übertragung von Alto Adige auf das südlich des Brenners und westlich der Toblacher Felder befindliche Deutsch-Tirol (ohne Deutschnonsberg und Altrei) und Ladinien (ohne Hayden-Ampezzo und Buchenstein) steckt die von Tolomei für seine irredentistischen Zwecke missbrauchte Idee der natürlichen Grenze an der Wasserscheide zwischen dem Einzugsgebiet der Etsch, die in die Adria fließt und ins Mittelmeer mündet, und dem Einzugsgebiet des Inns und der Drau, die beide in die Donau fließen und ins Schwarze Meer münden. Tolomei wörtlich in Bezug auf die Etsch und sein Alto Adige: „Finché decorre il rivo e il fiume in giù, la ragione l’ho io. Combinazione che il fiume e il rivo andassero all’insù, dirò che ho torto e che hai ragione tu.“ Für die heutige Provinz Trient (inklusive Deutschnonsberg und Altrei) treibt Tolomei die Bezeichnung Trentino voran. Indes sind in der österreichischen Verwaltungssprache einerseits nach wie vor die Bezeichnungen Deutsch-Tirol – Tirolo tedesco und Welsch-Tirol – Tirolo italiano geläufig, andererseits findet man auch die Bezeichnungen Südtirol – Tirolo meridionale und Nordtirol – Tirolo settentrionale als Landschaftsnamen. Wenn Südtirol – Tirolo meridionale für das Gebiet unmittelbar südlich des Brenners gilt, umfasst dieser Begriff auch den Bezirk Lienz.

1918

Annexion Tirols südlich des Brenners und westlich von Sillian durch Italien. Plötzlich nimmt man es mit dem viel zitierten Prinzip der Wasserscheide nicht mehr so genau: Im Hochpustertal wird die neue Grenze nicht quer durch die Toblacher Felder gezogen, sondern auch die im Einzugsgebiet der Drau liegenden Orte Sexten und Innichen werden aus militärstrategischen Gründen (Zugang über Comelico) vom Bezirk Lienz abgetrennt. Tolomeis Stunde ist gekommen: Das annektierte deutsche Tirol (ohne den Deutschnonsberg und Altrei, aber mit Gröden und dem Gadertal) erhält die Bezeichnung Alto Adige. Alto Adige mit dem Bestandteil Adige weist nach Süden. Jede namentliche Verbindung zu Tirolo, wie etwa Tirolo meridionale, das nach Norden weisen würde, ist somit aus dem Weg geräumt. Mit dem Erwerb von Sexten und Innichen hätte nicht einmal Tolomei gerechnet, da diese nicht im Einzugsgebiet der Etsch liegen. Diese beiden Gemeinden bekommt Italien aber als eine Art Zusatzbonus.

1923

Verbot des Landesnamens Tirol (Tirolo) mit sämtlichen Ableitungen. Erlaubt sind nur Alto Adige – Oberetsch und die Einwohnerbezeichnung Atesino – Etschländer. Das von Italien annektierte Tirol wird zu einer Großprovinz mit der Hauptstadt Trient. Hayden-Ampezzo und Buchenstein kommen zur Provinz Belluno. Tolomei selbst zieht im Deutschen den eigenhändig rückübersetzten Begriff Hochetsch napoleonischem Oberetsch vor.

1927

Das Oberetsch – Alto Adige wird eigene Provinz mit der Hauptstadt Bozen, heißt somit offiziell als Körperschaft Provincia di Bolzano. Der Deutschnonsberg, Altrei und das Unterland bleiben bei der Provinz Trient. Die Region, die beide Provinzen umfasst, heißt Venezia Tridentina.

1948

Durch das 1. Autonomiestatut wird die Region umbenannt: Regione autonoma Trentino-Alto Adige – Autonome Region Trentino-Tiroler Etschland. Die Bezeichnung Südtirol ist offiziell immer noch verboten, da diese durch das Element Süd- an ein geteiltes Tirol erinnern würde. Der Deutschnonsberg, Altrei und das Unterland werden an die Provinz Bozen angegliedert. Diese heißt offiziell Provincia autonoma di Bolzano – Autonome Provinz Bozen.

1970

In zweisprachigen Wörterbüchern taucht unter dem Begriff Südtirol neben Tirolo meridionale erstmals die italienische Entsprechung Sudtirolo auf. Schriftlich ist die Bezeichnung Sudtirolo bzw. die Ableitung sudtirolese aber spätestens schon seit den 1940er Jahren bezeugt, wenn auch nur lückenhaft. Man muss bedenken, dass der deutsche Name Südtirol, geschweige ein italienisches Tirolo meridionale oder Sudtirolo, immer noch verpönt sind. Die Bezeichnung Sudtirolo stellt eine wortbildungsmäßig modernere Form zu älterem Tirolo meridionale dar, und man findet sie mittlerweile in nahezu allen zweisprachigen Wörterbüchern. Der Begriff Alto Adige wird dagegen von Anfang an in den Wörterbüchern mit Oberetsch-Gebiet und später mit Tiroler Etschland übersetzt, mit Letzterem zum Teil auch heute noch.

1972

Der deutsche Name Südtirol ist bis zu diesem Jahr als Eigenbezeichnung auf allen öffentlichen Dokumenten tabu. Durch das 2. Autonomiestatut wird die Region im Deutschen umbenannt: Autonome Region Trentino-Südtirol. Die Kunstkomposition Tiroler Etschland wird fallengelassen. Die offizielle Wiederherstellung des Namens Südtirol ist – wenn auch nur in Bezug auf die Region Trentino-Südtirol – „ein später Akt historischer Gerechtigkeit“ (nach Rolf Steininger). Allerdings hat man es unterlassen, den Landesnamen auch in der italienischen Nomenklatur wiederherzustellen. Dieser würde Tirolo meridionale oder moderner Sudtirolo lauten. Tolomeis Alto Adige bleibt – in Bezug auf die Region Trentino-Alto Adige – beibehalten. Die Provinz Bozen heißt laut beiden Autonomiestatuten Provincia autonoma di Bolzano – Autonome Provinz Bozen und laut Verfassung nur auf Italienisch Provincia autonoma di Bolzano. Auf Landesebene wird mit Inkrafttreten des 2. Autonomiestatuts die Kurzform Südtirol an die offizielle Bezeichnung Autonome Provinz Bozen angehängt. Offenbar besteht das Anliegen, Südtirol auch in die Bezeichnung für die Provinz miteinfließen zu lassen. Gleichzeitig wird aber Tolomeis Alto Adige in die italienische Diktion Provincia autonoma di Bolzano eingeschleust.

2001

Laut neuem Verfassungsgesetz zur Föderalismusreform lautet der Name für die Region nunmehr offiziell Trentino-Alto Adige/Südtirol. Der Text im Wortlaut: „La Regione Trentino-Alto Adige/Südtirol è costituita dalle Province autonome di Trento e di Bolzano“. Der Name Südtirol gilt also nach wie vor nur in Bezug auf die Bezeichnung für die Region (und nicht für die Provinz!), und nur in Verbindung mit Alto Adige. Es ist immer noch kein Ersatz von Tolomeis Alto Adige durch Sudtirolo vorgesehen. Auf Landesebene wird nach wie vor – konträr zur Landesbezeichnung im Autonomiestatut und in der Verfassung – die Tautologie Autonome Provinz Bozen-Südtirol – Provincia autonoma di Bolzano-Alto Adige geführt.

Überlegungen zu einer modernen Nomenklatur

Die derzeit auf Landesebene amtliche Nomenklatur Autonome Provinz Bozen-Südtirol – Provincia autonoma di Bolzano-Alto Adige ist in beiden Sprachen zu schwerfällig, semantisch inkorrekt und in Bezug auf Alto Adige nationalistisch-faschistisch konnotiert. Was das Deutsche betrifft, so gibt es entweder nur eine Autonome Provinz Bozen oder ein Land Südtirol. Die Bezeichnung Land Südtirol entspricht zunehmends dem deutschen Sprachgebrauch, zumal die vielen Ableitungen ja auch Südtiroler Landeshauptmann, Landesregierung, Landtag usw. heißen. Was das Italienische betrifft, so ergibt hier nur die Bezeichnung Provincia autonoma di Bolzano (also ohne Alto Adige) einen Sinn. Die Provinz Trient heißt ja auch nicht Provincia autonoma di Trento-Trentino. Eine amtliche Nomenklatur Land Südtirol – Provincia autonoma di Bolzano entspräche dem natürlichen Sprachgebrauch und Sprachempfinden. Als deutsche Kurzform kommt freilich Südtirol in Frage. Und diesem kann im Italienischen vollinhaltlich nur Sudtirolo entsprechen. Weder Alto Adige/Südtirol noch Sudtirolo sind in Bezug auf die Provinz von der italienischen Verfassung bzw. vom Autonomiestatut vorgesehen.

Der Akt der historischen Gerechtigkeit in Bezug auf die offizielle Bezeichnung des Landes ist erst dann gänzlich wiederhergestellt, wenn 1. auf amtlicher Ebene im Deutschen der Langform Land Südtirol mehr Gewichtung beigemessen wird als der aus dem Italienischen rückübersetzten Langform Autonome Provinz Bozen, wenn 2. alternativ zur Langform die Kurzform Südtirol gebraucht werden kann, und wenn 3. im Italienischen, alternativ zur Langform Provincia autonoma di Bolzano, auch die Kurzform Sudtirolo gebraucht werden kann. Auf nicht amtlicher Ebene sollte es freilich jedem freistehen, im Deutschen zwischen der Langform Land Südtirol oder Autonome Provinz Bozen und im Italienischen zwischen der Kurzform Sudtirolo oder Alto Adige zu wählen. Eines sei aber festgehalten: Das Gefühl, dass Sudtirolo wenn nicht verboten, dann zumindest verpönt ist, sollte einem durch die Politik genommen werden. Sudtirolo kann nur dazu beitragen, dass die interethnische Diskrepanz in der historischen und gegenwärtigen Wahrnehmung unseres Landes, die zweifellos an die gewichtige Terminologie Südtirol einerseits und Alto Adige andererseits gekoppelt ist, schrittweise abgebaut wird, und dass ein einheitliches Südtirol-Bild entsteht, mit dem sich alle Sprachgruppen identifizieren können.

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