Die Südtiroler Volkspartei ist frustriert: Sie ist Mitglied der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), die jüngst ein „Minority Safepack“, also ein Sicherheitspaket für Minderheiten initiierte, und dieses wurde von der EU-Kommission prompt abgelehnt. Die Schuldigen sind schnell gefunden: Nach Hatto Schmidt in der Rubrik „Vorausgeschickt“ der SVP-nahen Tageszeitung „Dolomiten“ vom 21. September sind es die Freiheitlichen und die Süd-Tiroler Freiheit auf Grund ihrer Sezessionsbestrebungen.
Die „Sezessionsdebatte nützt Minderheiten nicht“, titelt der Journalist in SVP-gefälligem Ton, denn sie sei für das Anliegen der FUEV, nämlich mehr Autonomie für die europäischen Minderheiten, doch OHNE Grenzverschiebungen, kontraproduktiv. Manche Staaten sähen sich nun gewissermaßen bestätigt, dass die Autonomie lediglich eine Vorstufe zur Sezession sei. Um die Bestrebungen in den europäischen Minderheitenregionen nach mehr Autonomie, geschweige denn nach Sezession, zu dämpfen, habe die EU-Kommission daher eine „politische Entscheidung“ getroffen.
In der Tat zeigt die EU mit ihrer minderheitenfeindlichen Entscheidung einmal mehr ihr wahres Gesicht. Doch statt sich von diesem wie auch der „faccia“ des nationalistischen Italien endlich wachrütteln zu lassen, schiebt die SVP den Schwarzen Peter lieber einer kleinen und ansonsten für sie unbedeutenden oppositionellen Bewegung wie der Süd-Tiroler Freiheit zu. Eigentlich ein Kompliment für die Süd-Tiroler Freiheit, denn selbst die große SVP muss erkennen, dass klein in diesem Fall nicht gleich unwichtig ist. Was die SVP bei alldem jedoch am meisten wurmt, liegt auf der Hand: Die Sezessionsdebatte nützt in erster Linie ihr, der romgefälligen Südtiroler Volkspartei, nicht, denn ihr sind schon längst die Gegenargumente ausgegangen. Und dies macht eine weitere Bevormundung der Süd-Tiroler in der Frage der Selbstbestimmung freilich immer schwieriger.
Was wird sie sich die SVP wohl als Nächstes einfallen lassen, um die Selbstbestimmungsbefürworter zu dämonisieren?
Cristian Kollmann