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Arno und die „black box“ Merkel

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Arno und die „black box“ Merkel

Als ich in der „Neue Südtiroler Zeitung“ vom 15.10.2013 [1] ein Foto mit Arnold Kompatscher und Angela Merkel bei einem Treffen im Adenauer-Haus in Berlin sah, bekam ich einen Schreck und dachte mir: Was will der Arno bei der Merkel? Nun hat es der Arme geschafft, sich werbewirksam neben der „black box“ Merkel ablichten zu lassen. Wenn man keine Vision hat, muß man sich halt etwas anderes ausdenken. Vielleicht fällt dadurch auch auf ihn ein bißchen Glanz ab…

In Hinblick auf die Opposition freut sich die SVP diebisch über diesen Husarenstreich. Wenn diese Aktion nur nicht nach hinten los geht! Für Sarkozy war der Wahlbesuch Merkels kontraproduktiv. Kurz danach verlor er die Wahl. Frau Merkel kann sich in das Guinnes Buch der Rekorde eintragen lassen: Kein deutscher Politiker hat es in der Nachkriegszeit geschafft, sich in ganz Europa so unbeliebt zu machen.

Besonders interessiert scheint unsere „black box“, unsere Bundeskanzlerin, nicht zu sein. Keiner weiß, an was sie in diesem Moment wirklich dachte, vielleicht, was es hoffentlich bald zum Essen gibt? Man hätte auch ein Wackel-Dackel vor Arnold Kompatscher stellen können…

Was ist eine „black box“? In der Elektronik bezeichnet man so ein elektrisches Gerät, wo man nur weiß, wie das Eingangssignal und wie das Ausgangssignal aussieht. Das Innenleben des Gerätes ist unbekannt. Nur die engsten Vertrauten werden wissen, wie Angela Merkel wirklich tickt.

Rückblick:
Als in der DDR im Sommer und Herbst 1989 die Menschen auf die Straße gingen und dabei Leib und Leben riskierten, waren Frau Merkel, die ostdeutschen Christdemokraten und Liberalen noch treue Verbündete der SED. Durch die machtvollen Demonstrationen wankte die Macht der SED. Am 9. November 1989 fiel die (Berliner) Mauer. Erst als die Gefahr vorbei war, kündigten Frau Merkel, die CDU und die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) der SED die Freundschaft. Sie trat Anfang Dezember 1989 dem Demokratischen Aufbruch (DA) bei.
Nein, Angela Merkel ist keine Freiheitskämpferin! Dieses Verhalten hat ihr künftiges Leben geprägt: Erst abducken, die Lage peilen und bei einer ihr genehmen Stimmungslage sich zum Wortführer erheben.

Das bekam später Helmut Kohl zu spüren. Er nahm das ostdeutsche Mauerblümchen Angela herzlich in die CDU auf. Für ihn war es das „kleine Mädel aus der DDR“. Wenn man Fotos aus dieser Zeit sieht, könnte man meinen, man habe ein Schulmädchen vor sich, das kein Wässerchen trüben könnte. Aber sie hatte es faustdick hinter den Ohren: Nach fast 10-jährigem Ausloten der Lage nutzte sie die Gunst der Stunde, als die CDU wegen einer Spendenaffäre ins Wanken kam, und stürzte ihren politischen Ziehvater Helmut Kohl. Es war nicht die feine englische Art. Das führte zur erbitterten Feindschaft zwischen den beiden.

Frau Merkel ist halt eine „black box“, wo keiner weiß, welche politischen Winkelzüge sie plant, und welche Rolle man in ihrem Spiel spielt. Laut Wikipedia waren sogar ihre Freunde und Verwandte der 1970-er und 1980-er Jahre irritiert über ihre politische Wendungen…

Aber nicht immer ist sie die Gewinnerin. So konnte sie die Wahl von Joachim Gauck zwar hinauszögern, aber nicht verhindern. Der ehemalige Pfarrer aus Rostock ist aus einem anderen Holz geschnitzt und war aktiv an der friedlichen Revolution beteiligt. Er ist im Gegensatz zu Merkel ein Mann der Freiheit!

Zurück zum Treffen von Arnold Kompatscher mit Bundeskanzlerin Merkel im Adenauer-Haus in Berlin. Im Beitrag der Zeitschrift „Die Neue Südtiroler Tageszeitung“ vom 15.10.2013 stachen mir besonders zwei Sätze ins Auge: “Kompatscher erklärte der Bundeskanzlerin, dass es aus seiner Sicht für Südtirol von grundsätzlicher Bedeutung sei, die Regionen in Europa zu stärken und konkret auf Südtirol bezogen die Europaregion Tirol aufzuwerten. „Als Minderheit müssen Sie diesen Weg gehen“, bestärkte Merkel den Spitzenkandidaten der Volkspartei.“

Wieso redet Kompatscher von der Europaregion? Wollte die SVP nicht die „Vollautonomie“? Das Wort Europaregion hat für mich zum einen einen inflationären Charakter. Wenn sogar der Nationalist Luigi Spagnolli, Bürgermeister von Bozen, davon redet, dann weiß man, daß diese nie kommt. Es ist ein Vertrösten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.

Zum anderen gehen die Tendenzen in eine andere Richtung: Brüssel treibt die Zentralisierung voran, und in Rom sieht es nicht anders aus.* So wird Francesco Palermo in den „Dolomiten“ zitiert: „Die neuerliche Zentralisierung wäre die falsche Medizin, die riskiert, das Problem zu vergrößern als es zu mildern. Das gilt vor allem für die Sonderautonomien.“ [1] Es kommt noch schlimmer.

Die Südtiroler Landesregierung nutzt nicht einmal alle derzeit bestehenden Möglichkeiten aus, um mit Nord- und Westtirol wirtschaftlich und kulturell enger zusammen zu arbeiten. So will die SVP zum Beispiel die Zusammenarbeit der Universitäten Bozen und Innsbruck auflockern und forciert eine Neuausrichtung mit einer italienischen Universität.

Der Satz von Frau Merkel „Als Minderheit müssen Sie diesen Weg gehen.“ ist an Beliebigkeit kaum noch zu übertreffen! Würde sie diesen Satz auch zu einer Delegation aus dem Aostatal sagen, wo laut Wikipedia nur noch 16,2% der Bevölkerung Frankoprovenzalisch als Muttersprache haben oder zu einer Delegation aus der Niederlausitz, wo vielleicht in einem Dorf eine Person noch sorbisch sprechen / verstehen kann? Oder nahm sie die Delegation der SVP nicht ernst, so dass sie sich auf die Südtiroler Problematik gar nicht vorbereitet hat?

Ich bedauere sehr, daß Frau Merkel das Fingerspitzengefühl für Südtirol fehlt. Würde sie mit allen Deutschsüdtiroler Parteien sprechen, dann hätte sie sich ein objektiveres Bild von der Lage in Südtirol machen können.

Die SVP stellt die Absicherung ihrer Pfründe über das Selbstbestimmungsrecht ihres eigenen Volkes und will, daß sich nichts ändert. Das ist für Frau Merkels Planspiele angenehmer. Aber die Geschichte fragt nicht Frau Merkel. Die Geschichte in ihrem Lauf halten weder SVP noch Merkel auf!

Die SVP schwärmt vom friedlichen Zusammenleben der deutschen und der ladinischen mit der italienischen Volksgruppe. Aber ist dieser „Frieden“ nicht erkauft durch Selbstverleugnung und Verdrängung/Verniedlichung historischer Ungerechtigkeiten? Jeder Psychologe wird mir Recht geben, wenn ich behaupte, daß das für einen Menschen auf Dauer nicht gut ist. Die „Medizin“, die die SVP ihrer Bevölkerung verschreibt, ist, sich mit dem italienischen Faschismus und seinen Kriegsverbrechen zu arrangieren.

Nur in einem Freistaat Südtirol oder in einem wiedervereinigten Österreich würden alle drei Volksgruppen sich auf Augenhöhe gegenüberstehen. Die Südtiroler wurden nie gefragt, ob sie Teil des Stiefelstaates sein wollen. Daher ist die von der SÜD-TIROLER FREIHEIT organisierte Befragung zur Selbstbestimmung so wichtig. Danach möge sich das Südtiroler Volk entscheiden, ob es der Freistaat oder eine Wiedervereinigung mit Österreich sein soll.

Ich war seit August 1989 in der Sozialdemokratischen Partei der DDR aktiv. Als ehemaliger DDR-Bürgerrechtler fordere ich Bundeskanzlerin Merkel auf, sich zum Selbstbestimmungsrecht der Völker, in diesem Fall das der Südtiroler, zu bekennen. Ich möchte Frau Merkel daran erinnern, daß sie mit einer Selbstverständlichkeit dieses Recht für sich in Anspruch genommen hat. Daraus resultiert für uns Deutsche auch eine gewisse Verpflichtung anderen Völkern gegenüber.

Wolfgang Schimank
Berlin, den 20.10.2013

[1] http://tageszeitung.it/2013/10/15/arno-trifft-angela/

[2] http://www.stol.it/layout/set/print/content/view/artikel_print/732563

*) Bereits der Völkerrechtler Prof. Felix Ermacora hatte 1991 in seinem Buch „Südtirol – die verhinderte Selbstbestimmung“ auf diesen Mißstand hingewiesen.

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