In Südtirol – und ganz besonders in vielen Orten des Puster- und Gadertales – werden immer mehr Wohnungen an Personen aus anderen Provinzen und Ländern verkauft. Kurzsichtige Gewinnsucht und Gewinnmaximierung sind die Triebfedern für diese unter vielerlei Gesichtspunkten einschneidende Entwicklung. In Innichen ist jede 4. Wohnung eine Zweitwohnung, in Toblach und Niederdorf jede 3. In Corvara gibt es sogar mehr Zweitwohnungen als ständig bewohnte Wohnungen. Im Bezirk Pustertal gibt es 4000 Zweitwohnungen, 2000 davon befinden sich allein in fünf Gemeinden. In ganz Südtirol gibt es 11.500 Zweitwohnungen, die Gemeinde Welschnofen hält die Spitze mit ein Drittel mehr Zweitwohnungen als Erstwohnungen. In Tourismusgegenden kommen die Besitzer von Zweitwohnungen zu 90 Prozent aus Italien.
Durch diesen Verlust an Heimat werden die betroffenen Ortschaften nicht nur ausverkauft, sondern auch in ihrer ursprünglichen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Struktur einschneidend verändert. Unsere Dörfer und Täler verlieren immer mehr ihre eigene Identität. Die Bindung an Grund und Boden geht verloren; man betrachtet vieles nur mehr unter dem Aspekt des Geschäftemachens. Die traditionellen baulichen Strukturen müssen Appartementhäusern und Zweitwohnsitzen weichen, die teilweise auch das jeweilige Ortsbild aufgrund ihrer großen Volumen oder aufgrund eines anonymen Stils nachhaltig negativ verändern.
Neues Bauland oder Bausubstanz wird aufgrund der starken Nachfrage vonseiten Provinzfremder für die Einheimischen zu teuer. Vor allem für die Jugend wird das Wohnen in ihrer Heimat oft unerschwinglich; ihre Zukunft im Heimatdorf wird ihnen im wahrsten Sinn des Wortes „verbaut“; viele sehen sich jetzt schon gezwungen, sich andernorts (z.B. im günstigeren Osttirol) niederzulassen.
In Toblach beispielsweise zahlt man für 75 Quadratmeter 550.000 Euro. Das sind 8.000 Euro pro Quadratmeter.
Die ortsfremden Zweitwohnungsbesitzer sind kaum daran interessiert, das soziale Netz des Dorfes mitzutragen, zumal sie auch nur zu bestimmten Urlaubszeiten anwesend sind. Sie unterstützen also auch nicht den Zusammenhalt einer dörflichen Solidargemeinschaft. Ein neuer Aspekt ist auch, dass sich ältere Leute aus anderen Provinzen in unseren Dörfern einkaufen: Sie verzerren die normale Bevölkerungsstruktur und Bevölkerungsentwicklung und kippen das Gleichgewicht zu Ungunsten der jüngeren Einwohner. Als Bürger unserer Gemeinden und Dörfer können sie unsere sozialen und gesundheitlichen Einrichtungen in Anspruch nehmen und belasten damit diese zusätzlich auf Kosten der heimischen Bevölkerung.
Auch die wirtschaftliche und speziell die touristische Entwicklung wird einschneidend verändert, denn: Zweitwohnungen sind verlorene Gästebetten. Die Zweitwohnungsbesitzer nutzen zwar das touristische Angebot und die Dienste, leisten aber beispielsweise keinen Tourismus- Solidarbeitrag.
Das ganze Problem des Ausverkaufs hat das Landesraumordnungsgesetz möglich gemacht; die Landespolitik reagiert viel zu zögerlich auf dieses gravierende Problem. Die Raumordnung ist in eine ‚Raumunordnung‘ ausgeartet. Die Bau- und Immobilienlobby hat in Südtirol anscheinend beste Kontakte zur Politik; dies wird wohl auch ein Grund für die negative Entwicklung sein.
Im Tiroler Raumordnungsgesetz wird die Anzahl der Freizeitwohnsitze auf maximal acht Prozent je Gemeinde festgelegt – warum hat man es bei uns versäumt, solche Maßnahmen zu treffen?
Laut Walter Obwexer aus Villnöss, Professor an der Uni Innsbruck, Berater des österreichischen Bundeskanzlers in Fragen des Europarechts und Experte für europäisches Verfassungsrecht, gibt es kein Recht auf einen Zweitwohnsitz! Die Niederlassungsfreiheit für alle EU-Bürger gilt nur für Hauptwohnsitze, aber nicht für Ferienhäuser. Das bedeutet: Jeder darf sich ein Haus kaufen, er darf es vermieten oder als Erstwohnung selbst benutzen, er darf aber keine Zweitwohnungen daraus machen. Die Tiroler 8%-Lösung wurde von der EU nicht beanstandet.
Die Zukunft unserer Jugend, die Fortentwicklung unserer Tradition, die Entwicklung unseres Tourismus, die Solidargemeinschaft unserer Wohnorte stehen auf dem Spiel – die Politik ist gefordert, jetzt endlich massiv und nicht nur kosmetisch gesetzgeberisch einzugreifen.
Dies vorausgeschickt
beschließt der Süd-Tiroler Landtag
den Anteil an Zweitwohnsitzen von Provinzfremden (also nicht in der Provinz Bozen geboren) je Gemeinde auf eine Obergrenze von maximal 8% zu beschränken.
L. Abg. Bernhard Zimmerhofer
L. Abg. Dr. Eva Klotz
L. Abg. Sven Knoll
Tirol, am 14.01.2014
Abstimmungsergebnis: Mehrheitlich abgelehnt.
Ja-Stimmen 12
Gegenstimmen 15