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Auf den Spuren Tirols in Wien (Reisebericht)

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Auf den Spuren Tirols in Wien (Reisebericht)

„Wien, Wien, nur du allein, sollst stets die Stadt meiner Träume sein! …“ Während ich mich im Anflug zum Flughafen Wien – Schwechat befinde, geht mir dieses weltberühmte Lied von Rudolf Sieczynski nicht aus dem Kopf. Da mir Wien sehr gefallen hat, bin ich ein zweites Mal hierher gekommen. Beim ersten Mal war die Hofburg, die Spanische Reitschule, das Stadttheater, die Kapuzinergruft (wo alle Kaiser und Könige ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, welche das Schicksal Deutschlands und Österreich-Ungarns bestimmt haben), der Stephansdom und Schloß Schönbrunn auf dem Programm. Dieses Mal sollen es eher die Außenbezirke und Wien auf den Spuren Tirols sein.

Ich beziehe Quartier in einem der Hotels am Rennweg. Das liegt sehr verkehrsgünstig zum Flugplatz und ist auch nicht weit vom Zentrum entfernt.

Die italienische Botschaft ist ganz in der Nähe. Die Fassade des Gebäudes befindet sich in einem, diplomatisch ausgedrückt, renovierungsbedürftigen Zustand. –Ist das nicht ein Synonym für den politischen und wirtschaftlichen Zustand Italiens?

Nur einige Minuten zu Fuß ist Schloß Belvedere entfernt. Angrenzend befindet sich der Botanische Garten. Blumenfreunde können dort einen alpinen Steingarten bewundern. Im April / Mai kann man sich dort der Blütenpracht der Alpenrosen (Rhododendren) und der Strauchpfingstrosen erfreuen.

In etwas weiterer Entfernung befindet sich die Karlskirche. Die grüne Kuppel und die „Minarette“ ragen majestätisch über das Blättermeer der Bäume. Es ist eine christliche Kirche, die immer schöner wird, je mehr man sich ihr nähert. Im Inneren ist sie reich verziert und vergoldet. In fast jeder Nische befinden sich Gedenktafeln, die mit den Namen der Gefallenen des Ersten Weltkrieges versehen sind. Jede Waffengattung hat ihre Nische. Anhand der Namen kann man erkennen, wie die k.u.k.-Armee aus den verschiedensten Nationen zusammengewürfelt war. Fast alle sind freudig für „Kaiser, Gott und Vaterland“ in den Krieg gezogen. –Durch das maximilianische Landlibell von 1511 waren die Tiroler nur verpflichtet, ihre Heimat Tirol zu verteidigen. Der Tiroler Landtag mußte bei Kriegsgefahr befragt werden. Dieses Prinzip wurde im Ersten Weltkrieg durch Kaiser Franz Joseph verletzt. Aber bereits Maria Theresia hatte die Tiroler Freiheiten fast unauffällig durch die Einrichtung eines Guberniums (Statthalterschaft) in Innsbruck eingeschränkt. 1914 nun kam es dazu, daß viele Tiroler an der Ostfront eingesetzt wurden und für die Verteidigung vor dem italienischen Aggressor nur noch männliche Personen zur Verfügung standen, die jünger als 18 Jahre und älter als 60 Jahre waren. Diese kämpften aber als Standschützen mit großer Aufopferung. Der ehemalige Bergführer in den Sextner Dolomiten, Sepp Innerkofler, gelangte zu Ruhm, weil er als Kommandant der Sextner Standschützen durch militärische Bravourstücke schaffte, daß die wichtigsten Bergspitzen nicht in die Hand der Italiener fielen…

Man hat den Eindruck, daß in dieser Kirche immer gebaut wird. Über einen Lift und ein wacklig erscheinendes Baugerüst kann man bis unter die Kirchenkuppel gelangen. Es ist nichts für Leute, denen sehr schnell schwindelig wird und die unter Höhenangst leiden. Wer sich trotzdem überwunden hat, wird bei Schönwetter mit einem grandiosen Blick auf Wien und der näheren Umgebung belohnt.

Nun geht es auf eine Tasse Kaffee zum Cafè Schwarzenberg am Schwarzenbergplatz. Dabei kommen wir an der wunderschönen Villa der Botschaft Frankreichs vorbei. Wir passieren das Gebäude mit dem „Goldenen Saal“ der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. –Jedes Jahr findet dort das weltbekannte Neujahrskonzert statt. Dieses wird in mehr als 70 Länder übertragen. Neben bekannten und weniger bekannten Melodien der Strauß-Dynastie werden per Fernübertragung auch Balletteinlagen aus umliegenden Schlössern gezeigt. Am Schluß wird immer „An der schönen blauen Donau, op. 314, gespielt. –Wer das Gebäude besichtigen will, muß sich rechtzeitig anmelden, erst Recht bei der Teilnahme an dieser Veranstaltung…

Das Café Schwarzenberg gibt es bereits seit 1861. Die Entstehung des Kaffeehauses allgemein wird mit dem Ende der Türkenbelagerung um 1683 in Verbindung gebracht. Seither haben sich die Wiener eine Vielfalt an Kaffee-Kreationen ausgedacht. Wenn ich nun als Tourist im Wiener Kaffeehaus zum Bedienpersonal unbedacht sage: „Ein Kaffee bitte!“, dann muß ich mit einem Aufschrei oder gar mit Arbeitsverweigerung rechnen. So bietet das Café Schwarzenberg mehr als ein Dutzend Kaffee-Kreationen an: „Einspänner“, „Überstürzter Neumann“, „Omas Häferlkaffee“, „Kaffee „Fiaker““ usw. Das Kaffeehaus am Schwarzenbergplatz hat ein besonderes Ambiente und weckt Erinnerungen an die „gute alte Zeit“. Aber hat es die jemals durchweg gegeben? Auf jeden Fall sind für die Wiener die Kaffeehäuser eine Institution, ein Ort des sich Treffens und der entspannten Konversation.

Für den Besuch von Schloß Schönbrunn und Umgebung muß man mindestens einen Tag einplanen. Neben der obligatorischen Besichtigung der Räume, von wo aus einst Maria Theresa und Kaiser Franz Joseph fast halb Europa regierten, ist auch der Besuch der Wagenburg und ein Spaziergang durch den weitläufigen Schloßpark empfehlenswert.

Der Tiergarten ist im Vergleich zum Berliner Tierpark und zum Berliner Zoo wesentlich kleiner, hat aber einen gewissen Charme: Er hat neben einem modernen Regenwald- und Wüstenhaus auch barocke Pavillions zu bieten. Der Tiergarten Schönbrunn wurde bereits 1752 angelegt und gilt folglich als einer der ältesten Zoos der Welt. Er hat immer noch dieses Ambiente. Er ist klein, aber fein und wird mit viel Liebe gehegt und gepflegt.

Wenn man eine Mahlzeit einnehmen will, dann gibt es dort mehrere Möglichkeiten. Empfehlenswert ist der Besuch des Tirolerhofes, eine Gaststätte in Kombination mit einem Bauernhof. Man kommt dorthin über einen normalen Weg, mit der Panoramabahn oder, was die Naturfreunde anspricht, über eine Kettenbrücke in Baumwipfelhöhe. Von dort aus hat man an bestimmten Aussichtspunkten einen wundervollen Blick auf den Tiergarten, teilweise auf die im Tal befindliche Stadt und auf die Prunkvillen am Stadtrand / an den Berghängen.

Von Reisen in Tirol inspiriert ließ Erzherzog Johann von Österreich (1782 bis 1859) im Jahre 1802 in der Nähe vom Gloriettenberg in Schönbrunn ein Bauernhaus im Tiroler Stil errichten. Dort wurde dann auch Landwirtschaft betrieben. Es wurde sehr bald als „Tirolergarten“ bekannt. Es ist ein Gegenstück zur strengen barocken Form des Schloßgartens, genau wie er als Freigeist oft in Opposition zum Hause Hohenzollern stand. –Johann liebte Tirol über alles. Als er im Jahre 1800 das erste Mal in Tirol weilte, begann „jene unveränderliche und unerschütterliche Liebe, welche diesem Land erwiesen und die von demselben treu erwidert wurde,   und welche ich mit ins Grab nehmen werde.“ Er stand in Kontakt mit Andreas Hofer und Freiherr Josef von Hormayr. Er unterstützte Andreas Hofer im Kampf gegen Bayern und Napoleon. Nach der Niederschlagung des Aufstandes und der standrechtlichen Erschießung Andreas Hofers plante er einen erneuten Volksaufstand aller im Alpenbund vereinten Alpenländer. Als die Sache 1813 aufflog, verbot ihm sein Bruder, Kaiser Franz I. von Österreich, Tirol jemals zu betreten. Erst 1833 wurde dieses Verbot aufgehoben. Erzherzog Johann von Österreich starb 1859 in Graz und wurde 10 Jahre später in das gerade fertiggestellte Mausoleum bei Schloß Schenna bei Meran überführt.

1984 riß man das inzwischen baufällige Gebäude des Tiroler Hofes ab. 1994 wurde ein seit 1772 bestehender Erb-Bauernhof in Brandenberg (Nord-Tirol) abgebaut und in Schönbrunn im Tiroler Garten originalgetreu wieder aufgebaut. In den Ställen des Tirolerhofes werden vom Aussterben bedrohte Tierarten des Alpenraumes, wie zum Beispiel das Tuxer Rind, das Montafoner Braunvieh, das Tiroler Steinschaf und das Pustertaler Sprinzen gepflegt. Die dortige Gaststätte bietet traditionelle Tiroler Gerichte an…

Der südliche Verkehrsknotenpunkt in Wien zwischen U-Bahn und S-Bahn ist der Südtiroler Platz. Unter dem Eindruck der Annexion Südtirols und der Unterdrückung der zu diesem Zeitpunkt bis zu 75% deutschen Bevölkerung durch Italien wurde 1927 der Favoritenplatz in Südtiroler Platz umbenannt.

Am 14.05.1978 fand auf dem gleichnamigen Platz vor dem Haus Nr. 3 die Enthüllung einer steinernen Stele statt, welche an Andreas Hofer erinnern soll. Diese wurde im Auftrag des „Tirolerbundes“ errichtet.

Auf der einen Seite befindet sich ein großer Adler mit darunter stehendem Schriftzug „Andreas Hofer“. Auf der anderen Seite der Stele ist die Tiroler Landeshymne eingraviert. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß die dritte Strophe der Hymne fehlt, welche lautet: „Doch als aus Kerkerngittern / Im Feste Mantua / Die treuen Waffenbrüder / Die Händ´ er strecken sah, / Da rief er laut: „Gott sei mit euch, / Mit dem verrat´nen Deutschen Reich.“ –Hat man das aus Platzgründen weggelassen oder ist das eine Stilblüte des Austro-Nationalismus? –Wie dem auch sei, mit diesem Denkmal wird den Wienern ein Stück Geschichte Tirols mit seinem Ringen um Freiheit nähergebracht.

Das Schicksal der Südtiroler war den Wienern in der Vergangenheit nicht egal. So gab es am 03.10.1945, am 14.10.1945, am 14.05.1946 und am 13.10.1956 Großkundgebungen für die Wiedervereinigung Südtirols mit Österreich.

Wie wird heutzutage der Wiener / Österreicher über (Süd-)Tirol informiert?

Hierzu schrieb Norbert Hölzl in seinem Buch „1000 Jahre Tirol“, daß es eine Radiosendung „Tirol an Etsch und Eisack“ gab, die österreichweit ausgestrahlt wurde. Als Rudolf Nagiller die Funktion des Intendanten des Landesstudios Tirol in Innsbruck bekleidete (1986 – 1990), wurde mit der Begründung, Südtirol zahle nichts, die Sendung abgesetzt.

Seit 1982 gab es auch ein österreichweites Fernsehmagazin „Alpen-Donau-Adria“. Die von Günther Ziesel betreute Sendung lief 2010 ohne Angabe von Gründen aus.

Der ORF ist dazu übergegangen, die Radio- und Fernsehprogramme zu regionalisieren. Unter dem Oberbegriff „Bundesland heute“ gibt es je nach Bundesland „Burgenland heute“, „Kärnten heute“, …, „Wien heute“, „Tirol heute“ und auch „Südtirol heute“.

Nur die TV-Volksmusiksendungen „Klingendes Österreich“ (seit 1986) mit Sepp Forcher und „Mai liabste Weis“ (seit 1988) mit Franz Posch sind österreichweit geblieben.

Die Zeitungen in Österreich berichten erfreulicherweise viel öfter über (Süd-) Tirol als die deutschen Medien. Sie geben vor, neutral und parteienunabhängig zu sein. Leider kommen fast ausschließlich Vertreter der österreichischen Regierungsparteien und der Südtiroler Volkspartei (SVP) zu Wort, um ihre Sicht der Dinge als unumstößliche Wahrheit den Wienern / Österreichern vorzugaukeln. Mißliebige Leserbriefe werden nicht veröffentlicht. –Sollten sich Herausgeber und Redakteure nicht Gedanken machen, warum die Zeitungsauflagen ständig sinken? –Die Leser haben zum Glück die Möglichkeit, auf das Internet als Informationsquelle zurückzugreifen.

Es wäre schon ganz interessant, zu wissen, wie heutzutage der einfache Mensch in Wien / Österreich zum Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler steht.

Wenn man als Tourist pflastermüde geworden ist, dann empfiehlt sich eine Exkursion ins Grüne, in den Wienerwald. –In meinem Wanderurlaub in den Sextner Dolomiten hatte ich einen Fernsehbericht des ORF über den Wienerwald gesehen.

Der Lainzer Tiergarten mit der Hermesvilla ist ein beliebtes Naherholungsgebiet der Wiener. Es ist das letzte Stück des ursprünglichen Wienerwaldes. Es war ein Jagdrevier der Habsburger. Teile des Waldes sollten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeholzt werden, um die klamme Staatskasse zu füllen. Insbesondere dem Einsatz von Josef Schöffel, dem damaligen Bürgermeister von Mödling, ist es zu verdanken, daß wir heute noch ausgedehnte Eichen- und Buchenwälder vorfinden. Manche Bäume sind bis zu 400 Jahre alt.

Der Lainzer Tiergarten ist 2.450 Hektar groß, komplett ummauert und durch sechs Tore öffentlich zugänglich. Er hat Anhöhen, die bis zu 500 Meter hoch sind. In den Wäldern leben Rehe, Hirsche, Damwild, Wildschweine und Mufflons. Er liegt am westlichen Stadtrand, in der Nähe der S- und U-Bahnstation Hütteldorf.

Kaiser Franz Joseph ließ die Hermesvilla ursprünglich als Jagdschloß errichten. Da er im Laufe der Zeit immer weniger Lust auf Jagd hatte, wurde dieses Schloß für seine Frau Elisabeth eingerichtet. Ziel war es, die rastlose Kaiserin an Wien zu binden. Dieser Versuch mißlang. Elisabeth von Österreich-Ungarn mied seit 1860 / 1861 permanent den Wiener Hof. Seit ihr Sohn Rudolph sich das Leben nahm, war sie zudem schwermütig und sie machte sich viele Gedanken um den Tod. Am 10.09.1898 endete ihre Odyssee am Genfersee durch ein Attentat eines italienischen Anarchisten.

Das Schloß befindet sich in einem renovierungswürdigen Zustand. Die Räume wirken teilweise überladen und etwas dunkel. Trotzdem ist es ein niedliches Schloß, das es verdient, auch von künftigen Generationen bewundert zu werden.

Das Schloß befindet sich ungefähr eine halbe Spazierstunde vom Lainzer Tor entfernt. Auf dem leicht ansteigenden Weg zum Nikolaitor passiert man Wiesen und Wälder. Im April und Mai sind große Teile des Waldbodens mit einem weißen Blütenteppich des Bärlauchs bedeckt und man kann eine leichte Prise Knoblauchduft riechen. Nach einer weiteren halben Stunde lichtet sich der Wald und die Stadt Wien liegt dem Wanderer plötzlich zu Füßen. Auf einer Bergwiese, die mit Tischen und Bänken versehen ist, kann man eine Brotzeit einlegen und hat einen wunderbaren Blick auf Wien. Diese Stelle wird „Wiener Blick“ genannt. Das Nikolaitor ist nun nicht mehr weit entfernt. Ich ärgere mich, daß ich kein einziges Wild gesehen habe. Doch plötzlich huscht eine Wildschweinfamilie in zirka 50 Meter Entfernung an mir vorbei. Es waren vielleicht sechs Frischlinge, die hinten und vorne von ihren Eltern eskortiert wurden. Gut erholt und sichtlich zufrieden mit dem Naturschauspiel erreiche ich das Nikolaitor und trete den Heimweg an.

Die Votivkirche ist eine der schönsten Kirchen Wiens und eine der bedeutendsten neugotischen Sakralbauwerke der Welt. Am 18.02.1853 entging der junge Kaiser Franz Joseph knapp einem Attentat. „Zum Dank für die Errettung Seiner Majestät“ erfolgte im gesamten Reich eine Spendenaktion. Ungefähr 300.000 Menschen folgten dem Spendenaufruf. Die zu bauende Kirche sollte eine „Votivgabe“ (ein Dankgeschenk) aller Völker des Reiches sein. In dieser sollten alle ihre geistige und politische Heimat finden.

Erwähnenswert ist die „europaweite Ausschreibung“ dieses Projektes. Letztendlich gab es 75 Entwürfe von Architekten aus dem Habsburger Reich, Deutschland, Frankreich und England…

Nach 23-jähriger Bauzeit wurde die Votivkirche am 24.04.1879, anläßlich der Silberhochzeit des Kaiserpaares, eingeweiht.

Diese Kirche ist mit 99 Metern hinter dem Stephansdom die zweitgrößte Kirche Wiens. Sie beherbergt 6 Altäre / Kapellen und 3 Orgeln. Sehenswert ist auch der Sarkophag des Grafen Niklas von Salm. Dieser wehrte als Befehlshaber des Heeres 1529 erfolgreich die Belagerung Wiens durch die Türken ab.

Links davon wird in einer Nische der Gefallenen des 1. Weltkrieges gedacht, die bis 1916 an der Ostfront kämpften und dann für die Verteidigung des südlichen Tirols verantwortlich waren. Auf der Gedenktafel steht:

„DIE LETZTEN KAISERSCHÜTZEN AUS DEM

VÖLKERRINGEN 1914 – 1918 IHREN TOTEN

KAMERADEN DER KAISERSCHÜTZEN – RGT.

NR. I – TRIENT, NR. II – BOZEN, NR.III – INNICHEN.

GETREU IHREM WAHLSPRUCH

„SIEG ODER TOD IM ALPENROT“

STARBEN

502 OFFIZIERE UND ÜBER 15.500 MANN

FÜR DAS VATERLAND“

Der Wahlspruch mag dem Leser von heute etwas erschrecken. Er sollte sich aber bewußt sein, daß die Menschen in jeder Zeitepoche von einem bestimmten Zeitgeist befangen waren und sind.

An der Verteidigung Tirols waren auch Freiwillige aus Kärnten, aus dem Salzburger Land und aus Bayern beteiligt.

Das nächste Ziel ist die Minoritenkirche. Dabei passiere ich das Bundeskanzleramt und das Außenministerium Österreichs. Die Minoritenkirche wurde 1224 erbaut und nach einem Stadtbrand 1275 wieder aufgebaut. Das Gebäude ist im gotischen Baustil / in französischer Kathedralarchitektur errichtet und entsprechend dem Selbstverständnis des Franziskanerordens eher schlicht und bescheiden gehalten. Es wurden im Laufe der Zeit Gebäudeteile angebaut. Aufgrund der Beschädigungen durch die Belagerung der Türken in den Jahren 1529 und 1683 und den nachfolgenden Reparaturen änderte sich das äußere Anlitz dieser Kirche.

Seit 1784 ist sie Eigentum der Italienischen Kongregation und italienische Nationalkirche.

In der Minoritenkirche ist ein großes Mosaik „Das letzte Abendmahl“ zu bewundern. Es ist eine Kopie des Freskos im Mailänder Kloster „Santa Maria delle Grazie“, welches Leonardo da Vinci schuf. Links und rechts vor der Kapelle stehen Figuren, die Ottokar II. Přemysl (1232 – 1278) und Leopold VI. (1176 – 1230) darstellen sollen.

Im Chor der Minoritenkirche ist Margarete von Tirol-Görz (1318 – 1369), die letzte Regentin eines freien und unabhängigen Tirols, beigesetzt. –Margarete hatte einen Geheimvertrag mit Herzog Rudolph IV. abgeschlossen. Falls sie eines Tages keine Erben vorweisen kann, fiele Tirol an Habsburg. Im Gegenzug machte Rudolph IV. seinen Einfluß beim Papst geltend, um den Kirchenbann von Tirol zu nehmen, die Scheidung der Ehe mit Johann Heinrich von Böhmen und die zweite Ehe mit Ludwig von Brandenburg aus dem Hause der Wittelsbacher zu genehmigen. Als im Jahre 1361 ihr Mann und 1363 ihr Sohn (Graf Meinhard III.) verstarben, ist der für nicht möglich gehaltene Fall eingetreten, daß sie ohne Erben dastand. –Norbert Hölzl geht in seinem Buch „1000 Jahre Tirol“ davon aus, daß beide von Rudolph IV. vergiftet worden sind. Diese These ist bei den Wissenschaftlern äußerst umstritten. Prof. Mark Mersiowsky greift in seinem Buch „Tatort Tirol“ die Vergiftungstheorie auf, während Prof. Julia Hörmann von Thurn und Taxis diese zurückweist. Derlei Vorwürfe, so schrieb sie mir, seien „im Mittelalter fast Standard und meistens erfunden“. Wie dem auch sei, letztendlich gelang dadurch im Jahre 1363 Tirol an Habsburg. Um in Tirol keine Mißverständnisse bezüglich der neuen Machtverhältnisse aufkommen zu lassen, mußte Margarete ihre Heimat für immer verlassen. Ihr Leibgedingsitz war nun Wien. Ein Stadtteil Wiens ist nach ihrem Namen genannt (Margaretengrund). –Wer die grandiose Landschaft in Tirol kennt, der kann sich vorstellen, wie sehr sie sich nach ihrer Heimat sehnte. Sie fand in der Minoritenkirche ihre letzte Ruhestätte. –Rätselhaft ist mir, wie es sein kann, daß Margarete von Tirol-Görz als eine bedeutende Persönlichkeit ihrer Zeit so sank- und klanglos verschwinden kann. Es gibt weder eine Figur noch ein Grabstein von ihr. –Der Gesamttiroler Schützenbund hat in der Kapelle eine Gedenktafel anbringen lassen.

Obwohl das Bundeskanzleramt und das Außenministerium Österreichs nur einen Steinwurf von der Minoritenkirche entfernt ist, dürften die dort tätigen Minister und das ihnen unterstellte Personal wenig wissen, was diese Kirche mit Tirol zu tun hat. Wetten können abgeschlossen werden. –Geschichtsunkenntnis und Arroganz sind die Konstanten in Österreichs Südtirolpolitik.

Gruber und Kreisky kannten nicht die Geschichte Tirols: 1946 bei den Verhandlungen zum Pariser Abkommen wurde Gruber durch den Tiroler De Gasperi und 1960 bei der Südtirol-Debatte vor der UNO Kreisky durch Segni regelrecht vorgeführt. Als Figl 1956 bei einem Staatsbesuch in Rom war, befand er die Sache mit Südtirol als „unendlich geringfügig“.

Am 03.05.2014 erteilte Außenminister Kurz auf der SVP-Landesversammlung in Meran allen, die eine Angliederung Südtirols an Österreich oder einen Freistaat wollen, eine Absage und bezeichnete sie als „Ewiggestrige“. Eine Grenzverschiebung wäre abenteuerlich. -Ich schlage Herrn Kurz vor, am 03.10.2014 in Berlin anläßlich des 25. Jahrestages der Wiedervereinigung Deutschlands eine Festtagsrede zu halten. In dieser Rede kann er die von der SVP kopierten Phrasen einbauen. Auf die Reaktion der Deutschen bin ich dann gespannt!

Sportminister Klug äußerte sich in der „Kronen Zeitung“ am 08.06.2014 bezüglich der Fußballweltmeisterschaft, er sei für Italien, mit der atemberaubenden Begründung, schließlich habe seine Familie Südtiroler Wurzeln. –Haben ihn seine Verwandten nicht gesagt, daß eine überwiegende Mehrheit der Südtiroler nichts mit Italien zu tun haben will?

So stolpern Österreichs Politiker von einer Peinlichkeit zur anderen, zum Leidwesen der Südtiroler!

Zum Abschluß meiner Wien-Exkursion begebe ich mich zum Heurigen von Hans Sirbu auf ein Glas Wein. Diese Lokalität ist nördlich von Grinzing und Heiligenstadt. Es ist der höchstgelegene Heurige Wiens am Hang des Kahlenberges. Von dort aus hat man einen wunderschönen Blick auf die Weinanbauflächen, auf die Donau und auf Wien. –Dieses Fleckchen Erde würde den Südtiroler wohl am meisten an seine Heimat erinnern.

Wien ist die einzigste Hauptstadt der Welt mit einer nennenswerten Weinproduktion. Innerhalb der Stadtgrenzen gibt es eine ungefähr 600 ha große Rebfläche. Das sind immerhin 1,3% der Gesamtfläche Österreichs. Das Weinanbaugebiet liegt im Süden und Nordwesten von Wien. Bekannte Orte sind Grinzing, Heiligenstadt, Neustift am Walde, Salmannsdorf und Sievering.

Löß-, Schiefer- und Schotterböden und das Pannonische Klima bieten ideale Bedingungen für eine Vielfalt von Rebsorten. Sie sind die Grundlage für die Herstellung hochwertiger Weißweine wie Chardonnay, Grüner Veltliner, Riesling, Weißburgunder und Welschriesling und exzellenter Rotweine wie Blauburger, Blauer Burgunder, Blauer Zweigelt, Cabernet Sauvignon und St. Laurent. Eine Wiener Spezialität ist der „Gemischte Satz“, eine Mixtur aus weißen Rebsorten.

Mit dem Heurigen verbindet man Wiener Gemütlichkeit, Schrammelmusik und Wienerlieder. „Ich muß wieder einmal in Grinzing sein“ oder die „Reblaus“ vom unvergessenen Hans Moser fallen mir dabei ein. Die Wirtsleute bieten verschiedenste Musikgenre an. –Wer den ganzen Rummel nicht will, der findet sicherlich einen für ihn passenden Heurigen in einen der verwinkelten Gassen Grinzigs, Nußdorfs oder anderswo…

In Wien gibt es viele Möglichkeiten, aktiv oder passiv für seine Entspannung zu sorgen.

Laut einer Vergleichsstudie zur Bewertung der Lebensqualität in 221 Metropolen der Welt nahm Wien seit 2010 den Spitzenplatz ein*. Das wirkt sich natürlich auch auf die Zufriedenheit der Wiener aus. So leben nach einer anderen Untersuchung zufolge 95% der ansässigen Bevölkerung gerne in Wien.

Mit der Hoffnung, daß die Wiener trotz ihrer Zufriedenheit die Südtiroler nicht vergessen und in ihrem Kampf um Selbstbestimmung beistehen, trete ich den Heimflug nach Berlin an.

Wolfgang Schimank
Berlin, den 24.06.2014

*) Studie „2013 Quality of Living Survey“

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