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Beschlussantrag: Schaffung einer Landespolizei

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Unter dem Titel: „Troppo Divise“ hat die italienische Zeitschrift „l’espresso“ am 15.01.2015 eine aufsehenerregende Studie über die italienischen Sicherheitskräfte veröffentlicht. Diese besagt, dass Italien insgesamt 276.000 Beamte unterhält, also 4,5 Beamte pro 1000 Einwohner (Stand 2012). Zum Vergleich: Deutschland verfügt über 243.000 Beamte, das sind 3,0 pro 1000 Einwohner, und Österreich über 27.000 Beamte, das sind 3,2 pro 1000 Einwohner.

Die Kosten für den jeweiligen Polizeiapparat belaufen sich in Italien bei 20 Milliarden € pro Jahr, das ist ein Anteil von 1,2 % vom BIP, während der BIP-Anteil in Deutschland bei 0,7 % und jener in Österreich bei 0,8 % liegt. Auch die Kosten pro Region bzw. Provinz Italiens sind sehr unterschiedlich. So kosten die Carabinieri in der Lombardei jeden Einwohner 59 € pro Jahr, im Molise 176 €, in Sardinien 164 € und in der Provinz Trient 136 €. Italien ist das einzige Land weltweit, das sich fünf Polizeieinheiten leistet, nämlich eine Staatspolizei, eine Forstpolizei, eine Gefängnispolizei, die Carabinieri und die Finanzwache. Jede Einheit hat natürlich ihre eigenen Strukturen – von den Einsatzfahrzeugen bis zu den Kasernen. Oftmals kann es auch vorkommen, dass sich die einzelnen Polizeiorgane untereinander sogar bei der Arbeit in die Quere kommen und sich gegenseitig Konkurrenz machen. Die verschiedenen Einheiten sind unterschiedlichen Ministerien unterstellt, und somit bleibt festzustellen, dass Alle alles machen und es dabei kaum Koordination gibt.

Dass sich durch die Zusammenlegung der verschiedenen Sicherheitsorgane große Einsparungen ergeben würden, liegt auf der Hand.

Eine Studie der Fachhochschule für Polizei in Baden-Württemberg bezeichnet die populäre Politikerforderung nach mehr Polizei als „wissenschaftlich unsinnig“! Die Studie im Wortlaut: „Nur die Dezentralisierung polizeilicher Tätigkeit bringt einen besseren und bürgerfreundlicheren Service. […] Der Polizeibeamte muss zum Spezialisten für sein Revier werden, wo er dann allerdings für alle anfallenden Probleme zuständig ist. Wie ein Hausarzt sollte er in der Lage sein, anfallende Aufgaben selbständig zu lösen. Die gemeinwesenbezogene Polizeiarbeit erfordert gut ausgebildete, kreative, engagierte Mitarbeiter. Kleinere, effiziente und flexible Einheiten sind gerade in Zeiten knapper Finanzmittel großen, trägen, bürokratischen Systemen überlegen. […] Unrentable Produkte bzw. Produkte, die nicht Teil des Polizeiwesens sind, gehören aus dem Angebot gestrichen.“

Die Pläne zur Reform und Rationalisierung des Polizeisystems durch die Regierung Renzi sollte für die Landesregierung willkommener Anlass sein, auch eine eigene Landespolizei zu fordern. Darüber hinaus sind in Süd-Tirol die Bürger häufig unzufrieden mit der Arbeit der staatlichen Polizeiorgane, was die Zweisprachigkeit sowie Vorbeugung, Bekämpfung und Aufklärung von Delikten anbelangt. Dies belegen auch die Statistiken über die Aufklärungsquoten im Vergleich zu anderen europäischen Staaten oder über das Vertrauen in die Polizeikräfte.

Im Autonomiestatut, Artikel 9 ist festgehalten: „Die Provinzen erlassen im Rahmen der im Art. 5 gesetzten Grenzen Gesetzesbestimmungen auf den Sachgebieten Ortspolizei in Stadt und Land.“ Außerdem gibt es bereits in einigen italienischen Regionen und Provinzen eigene Regional- bzw. Provinzpolizeieinheiten (etwa in der Provinz Venedig mit eigenem Provinzpolizeikorps und entsprechender Polizeiordnung). Weiters gibt es auch in autonomen Gebieten wie Katalonien oder Baskenland schon seit Jahren eigene Landespolizeikorps.

Eine eigene Landespolizei würde sich wesentlich besser in die lokalen geographischen, historischen, kulturellen und gesellschaftlichen Verhältnisse einfügen. Süd-Tirol verfügt zur Zeit nur über begrenzte Befugnisse, nämlich über die eine oder andere Ortspolizei in Stadt und Land. Doch soll zu den derzeit bestehenden staatlichen Polizeiorganen in Süd-Tirol nicht eine weitere „Konkurrenzpolizei“ aufgebaut werden, sondern es soll die Landespolizei anfangs als Ergänzung und kurz- bzw. mittelfristig als Ersatz für die bestehenden Polizeiorgane fungieren. Dies kann natürlich nur in einem Klima des Vertrauens und des gegenseitigen Respekts geschehen.

Um eine berechtigte Sorge der Bürger über eine politische Einflussnahme vorzubeugen, ist eine Kommission einzusetzen, welche die institutionelle Kontrolle über das Landespolizeikorps ausübt. Zudem sind die Bürger umfassend und regelmäßig über Aufgaben, Befugnisse sowie Tätigkeit der Landespolizei zu informieren. Die Ausbildung des Personals ist nach internationalen Standards durchzuführen und nach geltenden Proporzbestimmungen mittels öffentlichen Wettbewerben zu vergeben. Außerdem sind für den Landespolizeikorps Einheiten für die verschiedenen Kompetenzbereiche zu schaffen (Postpolizei, Straßenpolizei).

Dies alles vorausgeschickt, fasst der Süd-Tiroler Landtag folgenden Beschluss:

  1. Der Landtag spricht sich für die Gründung einer Landespolizei aus.
  2. Die Landesregierung wird beauftragt, innerhalb des laufenden Jahres eine Studie erstellen zu lassen, die alle Notwendigkeiten im Zusammenhang mit dem Aufbau eines Landespolizeikorps untersucht und ein Konzept über Zahl, Zusammensetzung, bestehende Kompetenzen, zu erlangende Kompetenzen, Dienstordnung, Aufgaben, Aufbau und Ausbildung präsentiert.
  3. Nach Abschluss der Studie legt die Landesregierung innerhalb von sechs Monaten dem Landtag einen Gesetzentwurf über die Gründung bzw. Einrichtung einer Landespolizei zur Abstimmung vor.

Bozen, 10. März 2015.

L.-Abg. Bernhard Zimmerhofer
L.-Abg. Sven Knoll
L.-Abg. Myriam Atz Tammerle

Abstimmungsergebnis: Mehrheitlich abgelehnt.

  • Punkt a:
    Ja-Stimmen 10
    Gegenstimmen 21
  • Punkt b:
    Ja-Stimmen 11
    Gegenstimmen 21
  • Punkt c:
    Ja-Stimmen 11
    Gegenstimmen 21
  • Punkt d:
    Ja-Stimmen 11
    Gegenstimmen 21
Archiv, Bernhard Zimmerhofer, Beschlussantrag, Myriam Atz Tammerle, Sven Knoll
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