Die griechische Regierung versucht mit allen Mitteln, den Staatsbankrott abzuwenden, unter anderem auch mit der Forderung, dass Deutschland für seine Kriegsverbrechen auf griechischem Boden während der Besatzungszeit zwischen 1941 und 1944 aufkommt. Eine Auswertung durch einen eigens dafür eingesetzten Parlamentsausschuss hat eine Summe von 278,7 Milliarden Euro ergeben. Die Berechnung beinhaltet einen von der Besatzungsmacht im Jahr 1942 auferlegten Zwangskredit, die Entschädigung von Bürgern sowie die Wiedergutmachung von Zerstörungen und Beschlagnahmungen.
Was hat dies nun mit Süd-Tirol zu tun? Auch Italien hat sich seit dem Ende des 1. Weltkrieges schwerer Vergehen an der Bevölkerung Süd-Tirols schuldig gemacht. Der Staat hat sich dafür weder jemals offiziell entschuldigt, noch hat er jemals Entschädigungszahlungen geleistet.
Sehr wohl entschädigt wurden z.B. die ehemalige italienische Kolonie Libyen. In einem Vertrag, abgeschlossen zwischen der Regierung Berlusconi und Gaddafi, hat sich Rom bereit erklärt, eine Entschädigung von rund 5 Milliarden Dollar für die Kolonialzeit von 1911 bis 1941 zu zahlen. Dieses Paket sah Stipendien für Studenten und Entschädigungen für libysche Soldaten vor, die während des 2. Weltkriegs auf italienischer Seite kämpften.
Entschädigt wurde auch Äthiopien. Im Abessinienkrieg (zwischen Italien und Äthiopien) der vom 3. Oktober 1935 bis zum 9. Mai 1936 dauerte und mit der Annexion Abessiniens durch das faschistische Italien endete, wurden mehr äthiopische Zivilisten als Soldaten getötet. Nach dem 2. Weltkrieg zahlte Italien 25 Millionen Dollar an Reparationen.
Für Süd-Tirol hat das Unheil 1915 mit dem Kriegseintritt Italiens gegen den eigentlichen Bündnispartner Österreich-Ungarn auf Seiten der Entente begonnen. Diese hatte Italien in einer geheimen Abmachung die Zusicherung gegeben, nach dem Sieg u.a. Tirol bis zum Brennerpass annektieren zu dürfen.
Hier eine kurze unvollständige Auflistung von Schäden, die Süd-Tirol seit 1915 erleiden musste:
- Im Ersten Weltkrieg befand sich Sexten direkt an der Front. Am 12. August 1915 wurden in St. Veit die Pfarrkirche und 23 Gebäude durch italienische Brandgranaten zerstört. Den Wiederaufbau Sextens musste nach dem Krieg Österreich bezahlen!
- Im Februar 1921 verfügte der Kriegsminister Bonomi die Übergabe aller Schutzhütten ausländischer alpiner Vereine, die nicht von militärischem Interesse waren, an den Club Alpino Italiano.
- Einstellung der in Bozen erscheinenden Tageszeitung „Der Tiroler“.
- Revision der (Staatsbürgerschafts-) Optionen und Schließung der Brennergrenze für alle Personen, denen die italienische Staatsbürgerschaft nicht zuerkannt worden war.
- Entlassung der deutschen Beamten bzw. Versetzung in die alten Provinzen.
- Staatliche Kontrolle der Handelskammer Bozen und der landwirtschaftlichen Körperschaften.
- Ernennung italienischer Gemeindesekretäre.
- Verstärkung der Carabinieritruppe unter Ausschluss deutscher Mannschaften.
- Begünstigung von Grunderwerb durch Italiener und Zuwanderung von Italienern.
- Beseitigung deutscher Banken, Errichtung einer italienischen Bodenkreditbank.
- Die Option bzw. die erzwungene Wahlmöglichkeit für deutschsprachige und ladinischsprachige Süd-Tiroler, ihre Heimat aufzugeben und nach Deutschland auszuwandern oder in Südtirol zu bleiben und italianisiert zu werden.
- Enteignungen von Grund und Boden für staatliche, insbesondere militärische Zwecke.
- Jahrzehntelange Ausbeutung der heimischen Wasserkraft durch staatliche Energiekonzerne.
- Finanzielle Einbußen durch den Bau der Brennerautobahn.
Auch heute noch muss Süd-Tirol beträchtliche finanzielle Ressourcen an den Staat abliefern: Mit dem neuen Finanzabkommen zwischen Landeshauptmann Arno Kompatscher und der römischen Regierung verzichtet Süd-Tirol auf Ausstände von 3,2 Milliarden Euro und bezahlt außerdem freiwillig 476 Millionen Euro jährlich bis zum Jahr 2023, nicht zu vergessen die nächsten drei Jahre sogar 800 Millionen Euro als Beitrag zum Abbau der Staatsschulden.
Die aktuellen Pro-Kopf-Schulden in Italien und somit auch in Süd-Tirol belaufen sich auf ca. 35.000 Euro. Der gesamte Schuldenstand Süd-Tirols beim Staat beträgt also ca. 17,5 Milliarden Euro.
Süd-Tirol trägt eine Mitverantwortung für diesen enormen Schuldenstand, nachdem sich die regierende Volkspartei 1992 nach der sogenannten „Streitbeilegungserklärung“ zwischen Italien und Österreich immer mehr mit den verschiedenen italienischen Regierungen arrangiert und damit seine Neutralität aufgegeben hatte.
Immerhin hat Landtagspräsident Thomas Widmann schon einmal einen interessanten Vorschlag unterbreitet, dass Süd-Tirol die Option des Freikaufs in Betracht ziehen könnte.
Dies alles vorausgeschickt, und um bei späteren Verhandlungen mit dem Staat Italien verlässliche Daten zur Verfügung zu haben, fordert der Süd-Tiroler Landtag, die Landesregierung auf,
nach deutschem Vorbild eine mit sämtlichen notwendigen Vollmachten ausgestattete unabhängige Treuhandgesellschaft, bestehend aus Finanzexperten, Historikern und Politikern, zu ernennen, die
- innerhalb von 24 Monaten eine möglichst genaue Schadenserhebung (Zerstörungen, Beschlagnahmungen, Enteignungen) seit dem Jahr 1915 durchführt und
- eine möglichst genaue Wertermittlung aller staatlichen Immobilien und Leistungen auf dem Gebiet des heutigen Süd-Tirols erhebt.
Bozen, 29. April 2015.
L.-Abg. Bernhard Zimmerhofer
L.-Abg. Sven Knoll
L.-Abg. Myriam Atz Tammerle