Warum die doppelte (zweite) Staatsbürgerschaft für Südtiroler wichtig ist: Eine zweite Staatsbürgerschaft ist in verschiedenen Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) durchaus üblich und gängige Praxis. Aufgrund mehrerer verfassungsrechtlicher Untersuchungen der letzten Zeit hat sich herausgestellt, dass auch in Österreich die Staatsbürgerschaft für Südtiroler mit einer einfachen Gesetzesänderung sehr wohl möglich wäre. Was bisher fehlt, ist der politische Wille seitens der Regierenden in Österreich und in Südtirol selbst. In Südtirol scheint das Thema zwar gut für Sonntagsreden, als klare Forderung auf der politischen Agenda ist es bisher nicht zu finden. Es ist für mich vollkommen schleierhaft, weshalb die SVP keine konkreten Vorstöße in Sachen doppelter Staatsbürgerschaft unternimmt, mit welchen auch die österreichische Bundesregierung dazu bewogen werden könnte, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Die Erwartungshaltung seitens der Südtiroler ist inzwischen jedenfalls hoch.
Warum ist die österreichische Staatsbürgerschaft als zweite bzw. „doppelte“ Staatsbürgerschaft für die Südtiroler wichtig?
Die doppelte Staatsbürgerschaft ist einerseits von psychologischer und ideeller Bedeutung, andererseits aus autonomiepolitischer Sicht erstrebenswert. Sie könnte den Angehörigen der deutschen und ladinischen Volksgruppe einen Status verschaffen, der angesichts der ständigen römischen Angriffe auf unsere Autonomie, auf unser Land und auf unsere Identität einen besonderen Schutz darstellen würde. Die Angriffe auf unsere Autonomie mehren sich letzthin und die mediale Begleitmusik verstärkt die Wirkung zusätzlich. Umso mehr wäre die doppelte Staatsbürgerschaft ein wirksames Mittel gegen den schleichenden Identitätsverlust, der durch eine fahrlässige Kulturpolitik des Landes fortschreiten wird. Da nützen Ablenkungsstrategien wie der Verweis auf die Europaregion Tirol und der SVPD-Konvent (ein Südtirol-Konvent müsste auch andere politische Kräfte einschließen) wenig, wenn das Band mit dem Vaterland immer „zerschlissener“ wird. Es ist bedauernswert, dass weder die Südtiroler Landesregierung noch ihre politischen Freunde nördlich des Brenners echtes Bemühen zeigen. Die Verleihung von Medaillen am kommenden Samstag können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die restlichen 364 Tage im Jahr selten ein ernsthaftes Bemühen besteht.
Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die doppelte Staatsbürgerschaft in Österreich bereits heute unter Türken üblich ist, die diese nach türkischem Recht verliehen bekommen, obwohl sie österreichische Staatsbürger sind und obwohl die doppelte Staatsbürgerschaft nach österreichischem Recht derzeit nicht möglich ist. Zudem ist die Türkei nicht einmal Mitglied der EU. Bei der doppelten Staatsbürgerschaft geht es also nicht nur um einen symbolischen, sondern um einen politischen Wert. Sie ist zwar kein Ersatz für die Unabhängigkeit Südtirols, wie wir Freiheitlichen sie im Rahmen eines Freistaates anstreben, sie ist aber auf jeden Fall eine wirklich europäische Lösung und ein Schritt nach vorne.
L. Abg. Pius Leitner
DIE FREIHEITLICHEN
Bozen, am 13. August 2015