Artikel 2, Absatz 3 der Durchführungsbestimmung DPR 574/88 sieht folgendes vor: „In den Formularen betreffend die Pflichtversicherung muss der gemeinsame Gebrauch der italienischen und der deutschen Sprache gewährleistet sein“.
Laut Urteil des Verwaltungsgerichtes Bozen Nr. R.G. 270/2014 ist unter dem genannten Begriff „Formularen“ folgendes zu verstehen:
„Im Gesetz wird der Ausdruck ‚Formulare‘ deshalb verwendet, weil die Fahrzeugsversicherungsverträge zu den sog. ‚Massenverträgen‘ zählen, die sich dadurch kennzeichnen, dass sie immer gleichen Inhaltes sind (weil sie dem Versicherungsnehmer keinen inhaltlichen Gestaltungsfreiraum zugestehen, werden sie auch Diktatverträge genannt). Die Bestimmung ist so zu lesen, dass all jene Vertragsunterlagen in beiden Sprachen verfasst sein müssen, welche sich auf das Vertragsverhältnis auswirken. Nur beispielhaft seien genannt: allgemeine Vertragsbedingungen, Versicherungspolizze, Mitteilungen zur Einstufungsklasse, Datenschutzmitteilungen usw. Unter dem Wort „Formulare“ versteht man somit im weitesten Sinne all jene Dokumente und Unterlagen, die sich auf die Rechtsbeziehung zwischen der Versicherung und dem Versicherten niederschlagen. Der Versicherungsnehmer hat das subjektive Recht, dass die vertragsrelevanten Unterlagen auch in deutscher Sprache verfasst sind, damit er sie versteht.“
Zudem sieht die Verordnung Nr. 35/2010 vom 26. Mai 2010 (Regolamento concernente la disciplina degli obblighi di informazione e della pubblicita’ dei prodotti assicurativi, di cui al titolo XIII del decreto legislativo 7 settembre 2005, n. 209 – codice delle assicurazioni private) der italienischen Aufsichtsbehörde für Versicherungen IVASS unter Paragraph 43 folgendes vor:
„Art. 43 (Lingua)
1. Il contratto di assicurazione, ogni documento ad esso allegato nonché le comunicazioni in corso di contratto sono redatti in lingua italiana o in altra lingua concordata dalle parti. Restano salve le disposizioni vigenti in materia di bilinguismo nelle regioni a Statuto Speciale. “
Eine Umfrage der Arbeitsgruppe „Recht auf Muttersprache“ der Süd-Tiroler Freiheit hat ergeben, dass kaum eine in Süd-Tirol tätige Versicherungsgesellschaft (einzig bislang bekannte Ausnahme ist der Raiffeisen Versicherungsdienst) einen Vertrag für eine Auto-Haftpflichtversicherung in deutscher Sprache anbietet. Eine Versicherungsagentur schreibt wörtlich:
„Dies ist den Versicherungsgesellschaften längst auch bekannt (Anmerkung: Das zweisprachige Verträge zur Verfügung stehen müssten). Es gibt auch eine Verordnung des Aufsichtsorganes dazu. Allerdings werden die Produkte ständig überholt, was zur Folge hat, dass auch die Vertragstexte angepasst werden müssen. Und sagen wir es mal so: mit der Übersetzung dieser Vertragstexte ins Deutsche, lassen sich die Gesellschaften sehr viel Zeit. Im Moment steht uns wie gesagt keine Übersetzung zur Verfügung.“
Der Süd-Tiroler Freiheit ist sogar ein Fall bekannt, bei dem die Versicherungsgesellschaft im Rahmen der Anpassung eines bestehenden Vertrages nicht der Aufforderung des Kunden nachkommt, diesen in Deutsch vorzulegen.
Dies alles vorausgeschickt stellt die Süd-Tiroler Freiheit folgende dringende Fragen:
1. Was wird die Landesregierung konkret unternehmen, damit zukünftig alle in Süd-Tirol tätigen Versicherungsgesellschaften eine Auto-Haftpflichtversicherung auch in deutscher Sprache, wie vom Gesetz vorgesehen, anbieten werden?
2. Wird die Landesregierung selbst eine Erhebung des Ist-Standes vornehmen und bei Bedarf bei der IVASS, der italienischen Aufsichtsbehörde für Versicherungen, intervenieren?
Tirol, 22. Juli 2015.
L.-Abg. Sven Knoll
L.-Abg. Bernhard Zimmerhofer
L.-Abg. Myriam Atz Tammerle
Antwort des Landeshauptmanns: