Die „Dolomiten“-Redaktion hat es aufgrund finanzieller und personeller Engpässe nicht geschafft, einen Journalisten zu der wissenschaftlichen Tagung zu schicken, auf der 15 Experten aus Europa und Übersee, Universitätsprofessoren, Regierungsvertreter und Minderheitenvertreter über das Thema doppelte Staatsbürgerschaft in ihren Ländern referiert und die Bedeutung für den Schutz der Minderheit und das friedliche Zusammenleben hervorgehoben haben. Ein wenig tut mir dies leid für den „Dolomiten“-Chefredakteur Toni Ebner, der unter meiner Leitung und Fürsprache die ersten zaghaften Schritte als Journalist unternommen hat und dem ich deswegen trotz allem nie richtig böse sein kann. Wenn er einen Redakteur zur Tagung geschickt und sich von ihm ein wenig hätte berichten lassen, dann hätte er sich die peinliche Figur erspart, die er mit seinem Leitartikel in den „Dolomiten“ vom Samstag/Sonntag, 17./18. Oktober abgegeben hat.
„Es wäre auch nicht gut, wenn die Südtiroler sich entscheiden müssten, ob sie die österreichische Staatsbürgerschaft möchten oder nicht“, schreibt der Toni. Da hat er ja im Prinzip sogar Recht, aber es müsste sich niemand entscheiden. Von einem Muss war nie die Rede, sondern nur, so wie bereits in 26 EU-Staaten, von einer Möglichkeit. Niemand wird den Toni fragen, wofür er sich entscheiden will, da braucht er keine Angst zu haben.
Dann kommt es in seinem Leitartikel aber noch schlimmer: „Erstens würde zwischen guten und schlechten Patrioten unterschieden, und das hatten wir schon einmal in der Option.“ Hier fällt meine Sympathie für den Toni in den Keller. Den Antrag auf die österreichische Staatsbürgerschaft mit der Option zu vergleichen, ist übelster Populismus, ist bewusste und gewollte Fälschung der Tatsachen und Irreführung der Leser. Bei der Option ging es darum, die Heimat oder das Volkstum aufzugeben. Beim Antrag auf doppelte Staatsbürgerschaft geht es darum, beides zu kräftigen. Es gibt heute in Südtirol bereits rund 1200 österreichisch-italienische Staatsbürger, ganz zu schweigen von den vielen, die Doppel- oder auch Dreifachstaatsbürgerschaften mit anderen Staaten besitzen. Was diese Menschen mit der von Hitler und Mussolini beschlossenen Option zu tun haben, weiß wohl nur der Toni, der zwischen guten und schlechten Patrioten zu unterscheiden in der Lage ist.
Dann kommt es in seinem Leitartikel aber noch schlimmer: „Zweitens wird gezählt, wer für Österreich ist, und dann behauptet, der Rest sei für Italien, was nicht stimmt“. In Dreizehnlinden haben 2000 Tiroler, die vor vielen Jahren dorthin ausgewandert sind, die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, in Istrien haben 20.000 Italiener den italienischen Pass, in Polen 300.000 Schlesier den deutschen Pass. Kein Mensch hat sich über diese Zahlen, die rein statistischen Wert haben, den Kopf zerbrochen. Ob man für oder gegen einen Staat ist, hängt in keiner Weise von dem Pass oder den Pässen ab, die man hat. Das weiß dort jedes Kind.
Absolut nicht ernst zu nehmen ist der Toni, wenn er schreibt: „Kann sich niemand mehr erinnern, dass in der Zwischenkriegszeit alle nicht italienischen Staatsbürger des Landes verwiesen wurden? Ähnliches wiederfuhr uns in den Sechzigerjahren, als die ersten Bomben explodierten.“ An die faschistische Zwischenkriegszeit, die der Toni hier heraufbeschwört, kann ich mich nicht mehr erinnern, wohl aber an die Nachkriegszeit, in der Italien viele Südtiroler, darunter auch einige Athesia-Mitarbeiter und spätere gute Bekannte von mir, die nicht die italienische Staatsbürgerschaft erhalten hatten, ausgewiesen hat. Das war damals mit „Ausländern“ möglich, wäre aber heute mit EU-Bürgern undenkbar, aber das Wichtigste hat der Toni vergessen: Südtiroler, die zusätzlich die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, wären immer noch auch italienische Staatsbürger und könnten als solche niemals ausgewiesen werden. [highlight]Diese Ängste gegen jedes bessere Wissen zu schüren ist eine ganz üble, hinterfotzige Taktik.[/highlight] Ich kann mich nur noch fragen: Tonele, was ist in dich gefahren?
Hartmuth Staffler
langjähriger „Dolomiten“-Redakteur