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Gedenkrede von Bezirksmajor Andreas Leiter Reber bei „Georg Klotz Gedenkfeier“ in St. Leonhard/Passeier

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Die Freiheit und das Himmelreich gewinnen keine Halben! Dieses Zitat von Arndt war der Leitspruch von Jörg Klotz.


Hochwürdiger Herr Pfarrer, Geschätzte Familie Klotz, liebe Schützenkameraden und Landsleute,

vor 40 Jahren starb Jörg Klotz – Symbolfigur der Südtiroler Widerstandes, tragischer Held der Bombenjahre, maßgebliche Triebfeder und Mitbegründer des Südtiroler Schützenwesen – im Alter von 57 Jahren in seinem Exil im Ruetztal.  Verknüpft mit seinem Namen wird aber auch jener seiner Frau Rosa Pöll bleiben. Sie war die große Stütze in seinem Leben, sie war die tapfere und furchtlose Ehefrau und Mutter, seine treue Kameradin, im schönsten Sinne dieses Wortes, die ihm den Rücken freigehalten halt und sich aktiv am Freiheitskampf beteiligte. Zeitlebens war sie ihm wohl die größte Stütze.

Geschätzte Anwesende, die 60er Jahre und die Rolle Jörg Klotz’s im BAS und vor allem in der so genannten Innsbrucker Gruppe um Wolfgang Pfaundler und Claudius Molling, die Anschläge und Opfer auf beiden Seiten, 1964 die Ermordung von Luis Amplatz, der missglückte Mordanschlag auf Klotz und die Strapazen seiner Flucht mit schwerster Verwundung,  dürften den allermeisten der hier versammelten bekannt sein. Ebenso die schwache Figur, welche damals das offizielle Österreich abgab, wobei Bruno Kreisky und wenige andere eine positive Ausnahme bildeten. Den jüngeren unter uns, empfehle ich die einschlägige Literatur zu dieser Zeit, Biografien und Zeitzeugenberichte, da sie diesen Teil der jüngeren Geschichte wahrscheinlich nicht detailliert im Geschichtsunterricht vernommen haben.

Oft habe ich mich gefragt, was einen Schmied und sechsfachen Familienvater aus bescheidenen Verhältnissen dazu bewogen hat, sein Handwerkszeug gegen Waffen und Sprengstoff einzutauschen und in den Kampf, ja man kann sagen in den Krieg, gegen Italien zu ziehen. Sein Leitspruch „Die Freiheit und das Himmelreich gewinnen keine Halben“ sagt es uns: Es waren sein aufrechter, tirolischer Freiheitswille, verbunden mit einem tiefen und ausgeprägten Gerechtigkeitssinn! Der Gerechtigkeitssinn ist uns Menschen zwar allen gleichermaßen angeboren, aber es ist erwiesen, dass er in kinderreichen Familien stärker ausgeprägt ist. Jörg Klotz hatte sieben Geschwister und da waren seine Eltern ständig gefordert ausgleichend zu wirken. Die kleinen Geschwister selbst, waren natürlich ein sicheres Korrektiv, sollte eines von ihnen bevorzugt oder die anderen eben benachteiligt worden sein.

Dass uns Tirolern auch ein bestimmtes Maß an Freiheitswillen angeboren sei, wage ich zu bezweifeln. Vielmehr wurzelt dieses Bewusstsein in unserer Geschichte bzw. darin, dass uns diese Geschichte, unsere Herkunft, unser Tiroler Selbstverständnis und unsere Wehrhaftigkeit vermittelt werden und natürlich auch, wie  uns diese Werte im privaten, wie auch im öffentlichen Leben, vorgelebt werden.
Aber erklärt dies die Bereitschaft, um in einem ungleichen Guerillakrieg das eigene und das Leben anderer zu riskieren und sogar auszulöschen?

Ich hatte ursprünglich nicht die Absicht, die Vergangenheit und Landesgeschichte zu bemühen. Doch ich will nicht hier am Grab von Jörg Klotz stehen ohne zu versuchen den Ursprung seines unbändigen Freiheitswillens zu benennen. Seine innere und tiefste Überzeugung, sich für die Freiheit seines Landes einzusetzen, war geprägt von den Erlebnissen der Unterdrückung und Fremdbestimmung.
1919 wurde Jörg Klotz in eine Zeit hineingeboren, als große Teile Europas in Trümmern lagen und die Habsburgermonarchie, welche seit dem Hochmittelalter auch Tirol zu ihren Stammlanden zählte, auseinandergefallen ist. Neue Länder und mit ihnen neue Grenzen entstanden, meist auf den Ideen einer nationalstaatlichen Logik des 19. Jahrhunderts. Eine Logik die bald darauf faschistische Diktaturen gebären sollten, allen voran in Italien und Deutschland.

Von allen Ländern Altösterreichs, hat es das seit Jahrhunderten freiheitsliebende und auf seine Rechte bedachte Tirol wohl am schwersten getroffen. Eben noch hatten Standschützen, Kaiserjäger und Landes- bzw. Kaiserschützen die Grenzen Tirols aufs bitterste verteidigt, so wurden nun die allermeisten Gebiete südlich des Alpenhauptkamms Italien zugesprochen, das sich somit eine natürliche Grenze, seines damals erst 50 Jahre jungen, künstlich geschaffenen Nationalstaates sichern wollte. Für seinen Bündniswechsel gegen die Monarchie wurde es also fürstlich, im Falle Tirols sogar landesfürstlich, belohnt. Während Welschtirol – zumindest noch sprachlich – in das nationale Bild Italiens passte, besetzte und annektierte es, alle nationalen Prinzipien des Risorgimento Lügen strafend, auch das heutige Südtirol, in welchem nur 3% Italiener lebten.

In den folgenden Jahren erlebte Georg Klotz, auch im 300 Seelendorf Walten, wie das faschistische Terrorregime konsequent daran ging, seine Heimat zu italienisieren. Die Orts- und Flurnamen wurden durch italienisch klingende Bezeichnungen ersetzt, das deutsche Wort in allen Schulen und öffentlichen Behörden verboten und als 12 jähriger Knabe erlebte er auf brutale Weise wie die Unterdrückung auch die einfachen Traditionen umfasste, als er mit einigen Burschen am ersten Fastensonntag das „Holepfannfeuer“ abbrannte. Von der Exekutiven abgefangen, wurde er so verprügelt und zusammengeschlagen, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und von seinem Vater nachhause getragen werden musste.

1939 optierte die übergroße Mehrheit der Südtiroler für das Deutsche Reich. Viele in der Hoffnung, mit einem geschlossenen Bekenntnis zu Deutschland würde Südtirol bestimmt auch noch ans Reich angegliedert werden, so wie es Nordtirol und Österreich bereits waren.
Wie viele Südtiroler hatte sich auch Jörg Klotz freiwillig gemeldet, um für das Deutsche Reich, dem vermeintlich neuen, großen Vaterland, zu welchem indirekt auch Südtirol nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht zählte, zu kämpfen und zu siegen.

Nach dem Untergang Nazi-Deutschlands wurden 155.000 Unterschriften  für die Selbstbestimmung und die Rückkehr Südtirols zu Österreich gesammelt und die Wiedervereinigung Tirols verlangt. Doch das Anliegen wird ignoriert. Die Autonomie, die 1946 bei den Friedensverhandlungen in Paris gewährt wird, ist kein Trost, sondern eine Enttäuschung, denn Südtirol musste sich seine mühsam errungenen Kompetenzen mit dem Trentino teilen. Damit hatten die Italiener wieder die Mehrheit. Jörg Klotz, aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, erlebt nun, dass die italienischen, meist faschistischen Beamten ihre Posten behalten und Italien den verblieb enen Optanten immer wieder mit Massenausweisung droht und die Rücksiedler und einstigen Ausgewanderten wie Ausländer behandelt.

Erst als die SVP 1948 dem Autonomiestatut halbherzig zustimmt, gewährt die Regierung ein Einlenken in der Optantenfrage – es war eine simple Erpressung. Klotz sah auch, wie das demokratische Italien die faschistische Majorisierungspolitik konsequent weiterbetrieb. Industriegebiete und Wohnkomplexe wurden für italienische Zuwanderer aus dem Boden gestampft, während die Südtiroler keine Arbeit fanden und gezwungen waren, ins Ausland zu gehen. Aus den einstigen 3% Italienern waren inzwischen 35% geworden. Der Protest und Aufschrei der Südtiroler gegen dieses fortwährende Unrecht und die Verdrängung, gipfelte in der Massenkundgebung von Sigmundskron.

Würde diese Zuwanderung im gleichen Maße weitergehen, wären die Südtiroler spätestens in den frühen 70er Jahren zur Minderheit im eigenen Land geworden  und hätten dann nicht nur das Recht auf Selbstbestimmung, sondern auch die Autonomie verloren, dessen war sich Jörg Klotz bewusst. Er wusste genau, wie wichtig Identität und Freiheitswille für eine sprachliche und kulturelle Minderheit waren. Gerade deshalb setzte er sich unermüdlich ein, das verlorene Schützenwesen aufzubauen. Beginnend in Walten, ist es Jörg Klotz innerhalb weniger Jahre gelungen zahlreiche Kompanien anzuregen und aufzubauen, sodass 1958 der SSB gegründet werden konnte. Doch da alle friedlichen Mittel versagten, griffen die ersten Südtiroler zu Sprengstoff und Waffen. Der Befreiungsausschuss Südtirol setzte mit der Feuernacht von 1961 ein lautstarkes und international vernommenes Zeichen, dass Südtirol nach wie vor um sein Recht und seine Freiheit kämpfe. Dies war auch für Jörg Klotz der entscheidende Moment – aus der Landesgeschichte heraus, aus der seit seiner Geburt erlebten Unterdrückung heraus – sich diesem Kampf anzuschließen! Seine Auflehnung, sein bewaffneter Kampf gegen den italienischen Staat, war beseelt von seinem tirolischem Verständnis der Wehrhaftigkeit!

Andere bewerten seinen Einsatz als aussichtslos, verantwortungslos gegenüber seiner Familie und einzelne Historiker meinen sogar, mit den Anschlägen hätten Klotz und seine Mitstreiter die Selbstbestimmung für Südtirol weggesprengt. Liebe Landsleute, bis jetzt habe ich noch niemanden kennengelernt, der die Zukunft voraussagen kann und Wissenschaftler können letztendlich auch nur die Ereignisse chronologisch erfassen und Tatsachen aufarbeiten.  

Und Tatsache ist nun mal, dass mit Beginn der Anschläge und des bewaffneten Widerstands gegen Italien, der staatlich gesteuerte Zuzug von Italienern in Südtirol aufgehalten wurde. Dieser Freiheitskampf hat es verhindert, dass wir nicht zur Minderheit im eigenem Land geworden sind! Dieser Freiheitskampf, mit seinen vielen Opfern und menschlichen Tragödien, soll und muss uns daher stets davor warnen, unsere hart erkämpften Rechte, unsere Muttersprache und die Namen unseres Landes vor lauter Gleichgültigkeit, Lethargie, Habgier und Unterwürfigkeit zu verwässern.

Auch ich bin der Meinung, dass wir uns in einigen Bereichen öffnen und verbessern könnten, aber niemals als Minderheit in einem fremden, zentralistischen Staat, sondern erst dann, wenn sich alle Bewohner dieses Landes auf gleicher Augenhöhe und als Südtiroler begegnen können, und das wird dann möglich sein, wenn Italien unser sonniges Nachbarland sein wird!

Jörg und Rosa Klotz, die Freiheit eures Landes habt ihr nicht gewinnen können, aber ich bin mir sicher, dass ihr das Himmelreich längst schon gewonnen habt.

Wenn jetzt die Psairer Schützen eine Ehrensalve für euren mutigen Einsatz abfeuern und sie durch das ganze Tal krachen und hildern wird, dann möge sie uns Weckruf und Ausdruck unseres Freiheitswillen sein.

Bezirksmajor Andreas Leiter Reber

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