Der Kauf von 71 Prozent der SETA Spa, Herausgeberin der Tageszeitungen „Alto Adige“ und „Trentino“, durch die Athesia AG hat für erhebliches Aufsehen gesorgt. Athesia-Direktor Michl Ebner hat den Kauf vor allem damit begründet, dass dies unternehmerisch sinnvoll sei. Damit hat er ja Recht, denn je mehr Zeitungen Athesia produziert, umso mehr Synergien ergeben sich.
Anstatt es bei diesem nachvollziehbaren wirtschaftlichen Argument zu belassen, hat die Athesia in einer Pressemitteilung aber noch das lächerliche Argument nachgeschoben, dass „Dolomiten“ und „Alto Adige“ schließlich „gemeinsame Wurzeln“ hätten, weil sie nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem antifaschistischen und antinationalsozialistischen Widerstand entstanden seien. Diese kabarettreife Formulierung (im „Dolomiten“-Original ist die Satzstellung etwas konfus, aber man kann den Sinn erraten) beweist vor allem, dass man im Haus Athesia weder die eigene Geschichte noch die des Alto Adige kennen will und sich die Wurzeln nach Belieben selbst zusammenklaubt.
Die „Dolomiten“ sind zwar 1945 aus dem Widerstand gegen Nationalsozialismus und Faschismus entstanden, aber wer es damit zu genau nahm wie etwa der „Dolomiten“-Redakteur Hans Egarter, Obmann des antifaschistischen Andreas-Hofer-Bundes, wurde rasch kaltgestellt, nachdem der Mohr seine Schuldigkeit getan hatte.
Noch offensichtlicher ist der Gegensatz zwischen antifaschistischem Schein und nationalistischem Sein beim „Alto Adige“. Es stimmt, dass er 1945 vom italienischen CNL (Comitato Nazionale di Liberazione) gegründet wurde. Es stimmt aber auch, dass sowohl Erscheinungsbild als auch politische Linie von dem vor dem Ersten Weltkrieg in Trient erschienenen italienisch-nationalistischen „Alto Adige“ übernommen wurden. Das verwundert auch nicht weiter, denn die sogenannten „Befreier“ des CNL, die zum Kriegsende nach Südtirol kamen, waren als allererstes darum bemüht, im nationalistischen Geist des Faschismus die Südtiroler zu unterdrücken. Es war wohl auch kein Zufall, dass SS-General Karl Wolf am 2. Mai 1945, dem Tag des Waffenstillstandes in Italien, die Macht in Südtirol nicht an die Südtiroler Widerstandsbewegung unseres Tiroler Patrioten und „Dolomiten“-Mitarbeiters Hans Egarter, sondern an den italienischen Partisanenchef Bruno de Angelis übergeben hat, zu dem die SS offensichtlich eine freundschaftliche Beziehung hatte. De Angelis, lokaler Chef der italienischen Widerstandsbewegung CNL, gab sich zwar nach außen als Antifaschist aus, doch bewiesen seine Aktivitäten das Gegenteil. Er ließ sofort in allen Gemeinden Südtirols die italienische Trikolore aufziehen und das faschistische Siegesdenkmal restaurieren. Fast alle früheren faschistischen Amtsbürgermeister und Funktionäre wurden wieder in ihre Ämter eingesetzt. Der in dieser Hinsicht wohl über jeden Verdacht erhabene Historiker Rolf Steininger spricht von einer Re-Faschistisierung Südtirols durch den Partisanen De Angelis (Steininger: Südtirol. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart”, Innsbruck 2003). Auch Claus Gatterer („Im Kampf gegen Rom“, Wien/Frankfurt/Zürich, 1968) verweist auf die Fortsetzung der faschistischen Politik durch die italienischen Partisanen als “Befreier” nach Kriegsende.
Der „Alto Adige“ war bei dieser Fortsetzung der faschistischen Politik immer an vorderster Front als nationalistisches Kampfblatt bis heute. Wenn die Athesia nun dem Alto Adige eine „autonomiefreundliche Ausrichtung“ bescheinigt, dann vergisst sie zu erwähnen, dass diese Autonomiefreundlichkeit nur dann zum Tragen kommt, wo die Autonomie zum Vorteil der italienischen Bevölkerung ist, nicht aber dann, wenn es darum ginge, sich vom Faschismus zu distanzieren. Ganz im Gegenteil: Der „Alto Adige“ verteidigt die faschistischen Ortsnamen und die faschistischen Denkmäler, er bevorzugt in der Berichterstattung nationalistische italienische Politiker gegenüber gemäßigteren Personen selbst der eigenen Sprachgruppe, er unterschlägt die Argumente deutschsprachiger Politiker gezielt oder macht sie durch Verfälschung und Verzerrung lächerlich, er weigert sich konsequent, selbst die offensichtlichsten Falschmeldungen richtigzustellen. Athesia-Direktor Ebner hat Kontinuität beim „Alto Adige“ versprochen, eine üble Botschaft, der man leider Glauben schenken muss.
Hartmuth Staffler