Europa, Elsass, Soziales, Wirtschaft, Europaregion Tirol und Selbstbestimmung: Weit reichten die Themen, die die Landtagsabgeordneten und Referenten bei der Landesversammlung der Süd-Tiroler Freiheit aufgriffen. Im Mittelpunkt stand aber die italienische Verfassungsreform. Man war sich einig: „Für Süd-Tirol stellt die Reform eine große Gefahr da. Süd-Tirol muss, wenn es seine Autonomie retten will, am 4. Dezember mit Nein stimmen!“ Frankreich beweise, wie schädlich sich Zentralisierung auf Minderheiten auswirke, betonte die Hauptreferentin der Landesversammlung, Andrée Munchenbach aus dem Elsass.
Andrée Munchenbach ist Vorsitzende der Partei „Unser Land“, die sich für mehr Unabhängigkeit des Elsass im französischen Zentralstaat und den Erhalt der elsässischen Kultur einsetzt. Mit eindringlichen Worten warnte Munchenbach, dass die Gleichschaltung in Frankreich und das Auslöschen der elsässischen Kultur weiter voranschreiten würden: „Seit dem 1. Januar 2016 gibt es in Frankreich nicht mehr 22, sondern nur noch 13 Regionen. Durch Verschmelzung mit Lothringen und Champagne-Ardenne wurde das Elsass quasi in einer Großregion aufgelöst. Wir fühlen uns schon fast so wie in der anonymen, technokratischen und seelenlosen Welt eines George Orwell“, unterstrich Munchenbach. Der erneuten Machtverschiebung von den Regionen Richtung Paris kann sie nichts abgewinnen. Ihr Fazit fiel fatalistisch aus: „Durch die Gebietsreform gibt Paris dem Elsass den Gnadenstoß. Schon zuvor war die Lage nicht glänzend: Rückgang der Sprache und der Kultur. Aufstieg der Arbeitslosigkeit. Das Verschmelzen mit den zwei anderen Regionen wird die Lage nicht bessern!“
Für die Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit, Myriam Atz Tammerle, waren die Worte von Munchenbach warnendes Beispiel: „Mit der Aufweichung des muttersprachlichen Unterrichtes durch die CLIL-Methode und die anstehende zentralistische Verfassungsreform, in Kombination mit dieser „rom-unterwürfigen“ Landesregierung, besteht die Gefahr, dass Süd-Tirol zu einer normalen italienischen Provinz verkommt!“
In dieselbe Kerbe schlug auch die ehemalige Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit, Eva Klotz: „Das, was bisher erreicht wurde, war nie ein Geschenk, sondern musste Italien in harten Kämpfen abgerungen werden. Vergessen wir nicht, dass es eine Konstante in der Süd-Tirol-Politik Italiens seit dem Faschismus gibt: Die Bestrebung, unser Land zu einer gewöhnlichen italienischen Provinz zu machen! Unser Volk darf Italien am 4. Dezember keinen Freibrief für die Wiedereinführung des ‚nationalen Interesses‘ geben!“
Landtagsabgeordneter Bernhard Zimmerhofer schloss an die eingehenden Worte von Andrée Munchenbach an: „Die Verfassungsreform schwebt wie ein Damoklesschwert über Süd-Tirol. Wo dies hinführen kann und wird, hat uns das Beispiel Elsass von Frau Munchenbach verdeutlicht. Frankreich ist ein Paradebeispiel von einem zentralistischen Staat. Italien war immer schon ein guter Schüler Frankreichs!“
Kein gutes Haar an der SVP und der Verfassungsreform ließ auch Landtagsabgeordneter Sven Knoll. Die Schutzklausel, so Knoll, werde Süd-Tirol mittel- und langfristig nicht vor den negativen Folgen der Reform bewahren: „Sie hat ein Verfallsdatum, lässt Interpretationsspielräume offen und kann Süd-Tirol nicht vor dem Verfassungsgericht schützen. Am Ende wird sich Süd-Tirol an die neue Verfassung anpassen müssen und nicht umgekehrt!“ Für Knoll ist die Zustimmung der SVP deshalb ein Kniefall vor Rom: „Das Verhalten der SVP gleicht einem Trauerspiel und grenzt an politische Selbstverstümmelung!“
Von der Landesversammlung der Süd-Tiroler Freiheit,
Stefan Zelger, Mitglied der Landesleitung der Süd-Tiroler Freiheit.