Am 26. Dezember 2016 verstarb der ehemalige Südtiroler Freiheitskämpfer Bruno Veronesi aus Laag bei Neumarkt im Alter von 85 Jahren. Er hatte zu jenen Freiheitskämpfern gehört, die nach der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961 verhaftet und schrecklich gefoltert worden waren.
Am Abend des 17. Juli 1961 war der junge Bauer nach getaner Tagesarbeit in Laag verhaftet und in die Neumarkter Carabinieri-Kaserne gebracht worden. Man beschuldigte ihn, dem Freiheitskämpfer Luis Hauser aus Kurtatsch Sprengstoff gegeben zu haben. Dies hatte Hauser unter der Folter gestanden.
Veronesi war als Oberleutnant der Schützenkompanie Laag den Carabinieri ohnedies ein Dorn im Auge gewesen. Er machte nun in der Neumarkter Kaserne ein unbeschreibliches Martyrium mit. Darüber ist im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck in den Akten der Südtirol-Abteilung des Amtes der Nordtiroler Landesregierung, des Referates „S“, ein erschütterndes Gedächtnisprotokoll eines österreichischen Rechtsanwaltes erhalten.
Der Wiener Anwalt Dr. Josef Outschar hatte sich 1961 unter dem Verdacht eines Wirtschaftsdeliktes zuerst in Bozen und dann in Trient in italienischer Auslieferungshaft befunden. Da ihm nichts Strafbares nachzuweisen war, musste er nach 8 Monaten wieder in die Freiheit und nach Österreich entlassen werden.
In den Gefängnissen hatte Outschar die Südtiroler Häftlinge kennen gelernt, die Folterspuren an ihren Körpern gesehen und ihre Schilderungen gehört. Er war so erschüttert, dass er sich heimlich Notizen machte, die er bei seiner Entlassung teilweise aus dem Gefängnis herausschmuggeln konnte. In Österreich schrieb er dann am 11. August 1961 alles in einem „Gedächtnisprotokoll“ mit angeschlossener Dokumentation nieder, dass er dem österreichischen Außenminister Dr. Bruno Kreisky übermittelte.
In dieser Dokumentation schildert Dr. Outschar auch die Leiden des Bruno Veronesi, wobei er dessen Wohnort allerdings fälschlicher Weise mit Lavis statt Laag angibt).
Ausschnitt aus der Dokumentation des Dr. Outschar:
Gleichzeitig mit ihm wurde Josef Pomella verhaftet. Zuerst wurde er im 1. Stock der Carabinieristation an das Stiegengeländer angebunden. Im Parterre war bereits Bruno Veronesi, Lavis, angebunden, ebenso wie Pomella mit beiden Händen am Geländer. Pomella musste oben zusehen, wie die Carabinieri Veronesi im Parterre misshandelten. Dies nach seinen Angaben dauerte mehr als zehn Stunden. Unter dem Hinweis, dass es ihm genauso wie Veronesi ergehen werde, begann sein Verhör. Nachdem er jedoch kein Geständnis ablegen konnte, er wusste überhaupt nicht, was er gestehen sollte, wurde nunmehr er in die Kur genommen. Der inzwischen im Parterre am Stiegengeländer halb bewusstlose Veronesi wurde dann entfernt. Pomella wurde 13 Stunden ununterbrochen geprügelt, gleich wie Orian.
Wie ich bereits im Zusammenhang mit Pomella erwähnt habe, wurde Veronesi in Kurtatsch 20 Stunden ununterbrochen geschlagen. Bei ihm die Zangenmethode an den Rippen sowie die Nadeln in die Brust getrieben. Er wurde, da er aus Lavis stammte, nah Neumarkt weitergeführt und dort neuerlich geprügelt und gefoltert. In Neumarkt haben sie ihn mit elektrischem Strom geschockt und verbrannt.
Veronesi ist am 1. Und 2. Tag nach der Einlieferung ins Gefängnis Trient nicht erschienen und zwar deshalb nicht, weil er gehunfähig war. Erst am 3. Tag habe ich ihn gesehen und konnte ihn nur kurz sprechen. Jedenfalls war Veronesi am übelsten zugerichtet. Ich konnte keine normal gefärbte Stelle an den sichtbaren Körperteilen Veronesis feststellen. Er gab weiter an, dass Geschlechtsteile und Hoden stark angeschwollen sind er beim Urinieren wahnsinnige Schmerzen habe, ebenso große Schmerzen im Bauch und Magen. Obwohl er ein äußerst intelligenter Gesichtsausdruck hatte, war er apathisch und schwer ansprechbar. Er sagte mir eigenartigerweise, er sei, weil er Schützenleutnant in Lavis ist, so fürchterlich geschlagen worden. Übereinstimmend erklärten alle, dass sie sich überhaupt wundern, dass sie noch leben.
(Original im Tiroler Landesarchiv, Innsbruck)
Bruno Veronesi hat aber auch in einem am 21. August 1961 von einem Mithäftling verfassten und aus dem Gefängnis von Trient herausgeschmuggelten Sammelbrief selbst über seine Folterungen berichtet. Den ihn betreffenden Teil des Berichtes hat Bruno Veronesi eigenhändig unterschrieben:
Bruno Veronesi (39 led.) Laag b. Neumarkt, Bauer, verh. am 17.7. 22 Uhr nach Neumarkt in die Car. Kaserne gebracht. Fausthiebe am ganzen Körper auch Fußtritte, bis ich bewusstlos wurde. Sie beschuldigten mich allerhand. …
Brusthaare ausgerissen. Am Boden wurde ich nur immer an den Kopfhaaren herumgerissen. Unterleib mit kaltem Wasser begossen. In Kurtatsch wurde ich fest gemartert: die Messertortur (ähnlich wie Franz Egger).
Mit einem brennenden Feuerzeug ins Nasenloch gebrannt. Angespuckt. Besonders tat in Neumarkt sowie auch in Kurtatsch ein gewisser Carab. „Mara“, so wurde er jedenfalls von den anderen Car. genannt, hervor. Mit brennenden Zigaretten im Gesicht gebrannt. Leutnant Rotellini war auch dabei. Die brennenden Taschenlampen vor die Augen gehalten, bis ich nichts mehr sehen konnte. Nasen und Ohren bluteten.
Bruno Veronesi
(Original im Südtiroler Landesarchiv, Bozen)
Am 16. Juli 1964 wurde Bruno Veronesi von dem Schwurgericht in Mailand zu drei Jahren und 4 Monaten Kerker verurteilt, in der zweiten Instanz wurde die Strafe auf 2 Jahre und 4 Monate gesenkt.
Bruno Veronesi ist Zeit seines Lebens ein bescheidener Mensch geblieben. Er hat auch wenig über die Vergangenheit und das was er mitgemacht hatte, erzählt. Seiner Familie war er ein liebevoller Ehemann und Vater.
Wir gedenken seiner in Trauer und drücken seiner Familie unser tief empfundenes Beileid aus.
Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)