Die Teilnehmer der 10-Jahres-Feier der Süd-Tiroler Freiheit reagierten verdutzt: Kurz nachdem der Jubiläumskuchen angeschnitten war, platzte Ettore Tolomei – jener Mann, der das „Alto Adige“ erfand – in den Festsaal und hielt eine nationalistische Schimpfrede an die „Sezessionisten“.
„Basta, basta! Basta provocazioni! Vergognatevi! Pagliacci! Il vostro partito va proibito! Lo dico IO! Mi conoscete? Io sono un GRANDE! Io sono il famosissimo Ettore Tolomei! Io sono l’uomo che inventò l’Alto Adige!“, hörte man plötzlich rufen.
Eine Zeit lang glaubte das ahnungslose Publikum tatsächlich, dass sich da irgend ein Verrückter einen üblen Scherz erlaubt hätte, und es wusste nicht, wie es auf die Situation reagieren sollte. Doch Einigen – von denen ein paar Wenige bereits eingeweiht waren – kam die Stimme irgendwie bekannt vor: Marcello Delucca, Welschtiroler Schütze aus Welschmetz (Mezzolombardo) ließ sich dazu überreden, für die Veranstaltung kurz in die Rolle des Ettore Tolomei zu schlüpfen und damit den „Sezessionisten und Zündlern“ aus seiner – tolomeischen – Sicht den Spiegel vorzuhalten.
Die Showeinlage, die zunächst als Störaktion empfunden wurde, kam dann beim Publikum dann doch mit Humor an. Tolomei ließ es sich nämlich nicht nehmen, der Süd-Tiroler Freiheit, ganz nach der Manier, wie es seine Anhänger bis heute tun, einmal ordentlich die Meinung zu sagen. Der Name „Süd-Tiroler Freiheit“ gehöre verboten, Eva Klotz sei die Tochter eines Südtiroler Terroristen. Und Sven Knoll solle doch nach Österreich auswandern, wenn er die österreichische Staatsbürgerschaft wolle. Ebenso Bernhard Zimmerhofer, wenn er eine eigene Tiroler Sportnation möchte. Myriam Atz Tammerle solle sich schämen, wenn sie nicht die italienische Hymne – die Hymne von Tolomeis geliebten Freund Goffredo Mameli – singen möchte. Und an Werner Thaler sprach Tolomei die Warnung aus, sein Grab in Glen nicht anzufassen: „La mia tomba non si tocca!“ „Non si tocca!“ – der Ausspruch dieses Verbots war des Öfteren zu vernehmen, auch in Bezug auf das Mussolinirelief, den Markuslöwen und die römische Wölfin, die „heilige Brennergrenze“ und die „Vetta d’Italia“.
Zuletzt beschwerte sich Tolomei bei Cristian Kollmann noch darüber, dass der Bozner Bürgermeister, Renzo Caramaschi, den Goldenen Benito mit Füßen getreten habe, als diesen Caramaschi– für seine Verdienste um eine positive faschistische Erinnerungskultur in Südtirol und Italien – von der Süd-Tiroler Freiheit überreicht bekommen hatte. Den Goldenen Benito hätte er, Tolomei, sich verdient, und einen solchen wünsche er sich auch von Kollmann. Letzterer konnte damit in diesem Moment zwar nicht dienen, doch er überreichte Tolomei immerhin ein Foto, auf dem die noch unzerstörte Statue in voller Pracht zu bewundern ist. Tolomei reagierte überaus entzückt ob diesem Geschenk und geriet regelrecht in eine nationalistische Ekstase: „O grazie! Benito! Mio carissimo Benito! Viva l’Italia! Viva l’Alto Adige! L’Alto Adige nel cuore! Viva la Vetta d’Italia!“, rief er – bis er endlich, unter schallendem Gelächter und Buhrufen, von zwei starken Männern abgeführt wurde. Dabei ließ es sich Tolomei nicht nehmen, seine Rückkehr anzukündigen. „Tornerò! Ich komme wieder! Alto Adige! Alto Adige! Il sacro confine sul Brennero non si tocca!!! E dalla mia tomba io guarderò eternamente verso il confine sacro e eterno!“, grölte er und verschwand – bis auf Weiteres.
Cristian Kollmann
Süd-Tiroler Freiheit