Seit drei Monaten sammelt die Süd-Tiroler Freiheit Unterschriften für die Petition zur Abschaffung der faschistischen Ortsnamen-Dekrete. Die Aktion wird unter anderem mit einer Infobroschüre begleitet, die bisher nur in deutscher Sprache erschienen ist. Auf einer Pressekonferenz wurde heute auch die italienische Version der Broschüre vorgestellt. Die Süd-Tiroler Freiheit will damit auch ihre italienischen Mitbürger für die Thematik sensibilisieren.
Collalbo = „Weißbichl“, Colle Isarco = „Eisackbichl“, Passo Rombo = „Rumpelpass“, Colle Isarco = „Eisackbichl“ und Vetta d’Italia = „Italiengipfel“! Für Cristian Kollmann, der die Broschüre federführend ausarbeitete, sind die angeführten Beispiele nur eine kleine Auswahl dessen, was die Abstrusität der von Ettore Tolomei erfundenen Orts- und Flurnamen aufzeigt. Um so peinlicher und beschämender sei es, wenn so genannte Wissenschaftler von der Accademia della Crusca hergehen, und derart völlig aus der Luft gegriffene Pseudonamen auch noch als wissenschaftlich fundiert und als Kulturgut bezeichnen wollen.
Der Toponomastikexperte bringt es auf den Punkt: „Die Italiener in Südtirol und in Italien sind seit Jahrzehnten gezielten Fehlinformationen ausgeliefert. Und genau hier wollen wir gegensteuern. Die Italiener haben das Recht, objektiv und sachlich über die Toponomastik informiert zu werden. Eine entsprechende Möglichkeit wurde ihnen bisher kaum geboten. Mangelnde Information ist der Hauptgrund dafür, dass sich die Italiener von der imperialistischen Ideologie, die von den faschistischen Orts- und Flurnamen bis heute ausgeht, nicht ausreichend distanzieren. Unsere italienischen Mitbürger sind also herzlich eingeladen sich zu informieren, und, sollten sie mit dem Inhalt der Broschüre einverstanden sein, die Petition zu unterzeichnen. Dadurch könnten sie einen wertvollen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben der Volksgruppen leisten. Selbiges kann nämlich weder auf faschistischen Dekreten noch auf der Relativierung von Kulturverbrechen aufbauen!“
Auf ihrer Pressekonferenz hat die Süd-Tiroler Freiheit einen renommierten Überraschungsgast präsentiert: Annibale Salsa, emeritierter Professor für Philosophie und Kulturanthropologie an der Universität Genua sowie ehmaliger Vorsitzender des „Club Alpino Italiano“ (CAI).
Prof. Salsa erinnerte daran, dass, so wie in Südtirol, auch im Aostatal zur Zeit des Faschismus die Ortsnamen italianisiert wurden. Eine diesbezügliche Verordnung, die zudem das westliche Piemont betraf, wurde bereits im Jahr 1861 erlassen. Die piemontesische Gemeinde Cavour wurde beispielsweise in „Cavorre“ umbenannt. Doch sowohl im Aostatal als auch im westlichen Piemont ist man zur ursprünglichen Toponomastik zurückgekehrt.
Dass Argument, aufgesetzte Ortsnamen im Nachhinein als Kulturgut zu bezeichnen, lässt Prof. Salsa nicht gelten, denn: „Un patrimonio culturale (eredità dei padri), per essere tale, deve avere un solido retroterra storico.“ Und auf die aufgesetzten Ortsnamen treffe genau dies eben nicht zu: „Cambiare i nomi dei luoghi e delle persone per decreto costituisce un atto di violenza morale, psicologica e culturale. La questione della toponomastica sudtirolese, a distanza di quasi cento anni, va affrontata con serenità ed obiettività scientifica al di fuori da strumentalizzazioni ideologiche che qui hanno accecato le menti ed avvelenato gli animi.“
Die Mehrsprachigkeit der Bevölkerung eines Gebiets finde nicht zwangsläufig ihren Niederschlag in der Toponomastik: „Il plurilinguismo è una grande ricchezza. Gli stati alpini pre-moderni erano quasi tutti multilinguistici. Questa tradizione si è mantenuta soltanto in Svizzera. Ma il plurilinguismo non ha niente a che fare con la toponomastica, soprattutto micro e dei comuni medio-piccoli a maggioranza tedescofona.“
Süd-Tiroler Freiheit
Cristian Kollmann