Auf Einladung des Kulturvereines Raixe Venete nahm der Obmann des Südtiroler Heimatbundes Roland Lang an einer Podiumsdiskussion in Cittadella über das Selbstbestimmungsrecht und die anstehende Volksbefragung in Venetien teil. Die Veranstaltung, der mehr als 300 Menschen beiwohnten, bot die Gelegenheit, die Ziele des SHB mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der Veneter zu vergleichen. Der gemeinsame Nenner bei beiden Bewegungen ist das „Los von Rom“, darin war sich die Runde einig.
Das Podium war mit zahlreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens besetzt: Luca Antonini, Rechtsanwalt und Universitätsprofessor für Verfassungsrecht an der Universität Padua, Roberto Ghizzo, Journalist und Direktor von Radio Veneto 1, Alberto Schiatti, Journalist und Herausgeber der Zeitung „Il Dialogo“ und außerdem in der Unabhängigkeitsbewegung „Pro Lombardia“ aktiv, Gianluca Marchi, Journalist sowie Davide Lovat saßen neben dem SHB-Obmann am Podiumstisch. Durch den Abend führte der Journalist Luigi Bacialli und Alberto Montagner, Präsident der Vereinigung Veneto Nostro-Raixe Venete.
Liebe Anwesende, ich freue mich sehr, hier in Anwesenheit so vieler Zuhörer die Ziele des Südtiroler Heimatbundes vortragen zu dürfen. Oberstes Ziel des SHB ist die Durchführung einer demokratischen Volksabstimmung über die politische Zukunft Südtirols. Italien hat die Charta der Vereinten Nationen und die internationalen Menschenrechtspakte anerkannt. Sie sind bindendes innerstaatliches Recht. Im Art. 1 der Menschenrechtspakte heißt es: „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status (…)“, so SHB- Obmann Roland Lang.
Ein Volk ist eine Gemeinschaft, die sich kraft ihrer sprachlichen und kulturellen Traditionen als Volk versteht. Andernfalls wäre der politischen Willkür Tür und Tor geöffnet. Ein Staat, der in seiner Verfassung dieses Prinzip ausdrücklich verneint oder einfach ignoriert, kann nicht als demokratisch im menschenrechtlichen Sinne angesehen werden. Menschenrechte sind zwar im Wesentlichen individuell. Sie gehen von der Würde der Person aus. Doch jedes Volk ist eine Gemeinschaft von Einzelpersonen. Der Gemeinschaft darf also nicht verwehrt werden, was ihren einzelnen Mitgliedern zusteht.
Das Volk des Veneto ist ein Volk im politischen Sinne, unabhängig davon, wie viele kulturelle Gemeinsamkeiten mit den anderen Bewohnern des Staates bestehen.
Venetien hat wie Tirol eine reiche, stolze Geschichte. Über Jahrhunderte hindurch haben seine Bewohner ihren Sinn für Eigenständigkeit und ihren Willen zur Bewahrung ihrer Freiheit erfolgreich gezeigt. Daran hat die Einigung Italiens, die auch unter politischem Druck erfolgte, nichts geändert. Es ist eine natürliche Konsequenz aus der Geschichte Eures Landes, dass die heutige Regionalregierung in dieser Tradition der Freiheit und Eigenständigkeit wiederum das Ziel verfolgt, an diese Geschichte der politischen Eigenständigkeit anzuknüpfen.
Das Veneto will nicht mehr, als was der staatlichen Verfassung zu Grunde gelegt ist. Kein moderner, demokratischer Staat, der die kollektiven Menschenrechte ernst nimmt, darf sich dem Prinzip des Vorranges des Volkswillens vor dem Staatswillen entziehen. Das Veneto ist seiner Geschichte, seiner kulturellen und sprachlichen Tradition, seiner Denkweise und seinem politischen Selbstverständnis nach ein Volk mit dem unveräußerlichen Recht, sein politisches Schicksal selbst zu bestimmen. Ein notwendiger Schritt ist eine stärkere Autonomie innerhalb des Staates, ohne deswegen ein darüberhinausgehendes Recht zu präjudizieren.
Das Volk des Veneto hat das große Verdienst, durch seine politische Zielsetzung seit langem an das kollektive Grundrecht einer jeden Gemeinschaft zu erinnern, die sich aus freiem Willen als Volk versteht. Kein anderes Recht steht über diesem Recht. Das Recht steht über der Macht, und die Macht muss es respektieren, um selber die Legitimität nicht zu verlieren.
Darum blicken viele Menschen in meiner Heimat mit großem Wohlwollen auf das Veneto und wünschen ihm von Herzen die Erfüllung seiner politischen Zielsetzungen.
Danke für die Aufmerksamkeit, Es lebe San Marco! Ich wünsche euch die Freiheit! schloss der SHB-Obmann sein Referat. Mit einem lang anhaltenden Applaus bestätigten die Anwesenden ihre Zustimmung.
Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes