(BARCELONA, 03.10.2017, 19:00 UHR) Hunderttausende Menschen strömten heute durch die Straßen Barcelonas, um gegen das brutale Vorgehen der spanischen Polizei beim Unabhängigkeitsreferendum am Sonntag und um für die Unabhängigkeit Kataloniens zu demonstrieren. Stefan Zelger von der Süd-Tiroler Freiheit war mitten im Getümmel und berichtet von bewegenden Szenen und von einem Volk, dass entschlossener denn je ist, für seine Unabhängigkeit einzustehen.
In der Schule Ramon Llull wütete die spanische Staatspolizei am Sonntag besonders rabiat. Hunderte Polizisten gingen mit Schlagstöcken, Vorschlaghammer und Gummigeschossen gegen friedliche Wähler vor. Heute liefern Tausende Bürger Barcelonas vor der Schule ihre Antwort auf die Gewalt: mit Blumen, Luftballons und „Sóm Gent de Pau“-Sprechchören, „Wir sind Menschen des Friedens“.
Carlos, ein Mittfünfziger aus Barcelona sagt, er sei hier, um gegen die spanische Staatsmacht zu demonstrieren: „Sie haben friedliche Menschen mit erhobenen Armen krankenhausreif geschlagen. Sie waren sehr aggressiv. Es ist eine Schande“. Und er ist hier, weil er mehr denn je die Unabhängigkeit will: „Wenn man das Verhalten der spanischen Polizei, Parteien und Politiker in den letzten Tagen gegen das katalanische Volk ansieht, gibt es keinen anderen Weg als die Freiheit. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder den Dialog mit Madrid gesucht, vergeblich!“ Cèsar, ein Englischlehrer aus Barcelona, meint, dass man jetzt erst Recht für die Demokratie auf die Straße gehen müsse. Und er hofft, dass der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont bzw. das Parlament in den nächsten Tagen die Unabhängigkeit Kataloniens ausrufen wird. Die Menschen vor der Ramon-Llull-Schule sind sich aber sicher, dass Spanien hart reagieren und die Regierung Kataloniens verhaften wird. Doch das ist ihnen egal: „Wir haben einen Plan B, wir sind viele, wir haben die Straße!“
Dass sie die Straßen haben, davon kann sich Zelger wenig später selbst überzeugen. Hunderttausende Menschen ziehen über die Straßen Barcelonas in einem nicht enden wollenden Zug zum Passeig Sant Joan, der am Triumphbogen endet. Menschen allen Alters, linksliberale Studenten neben alten Leuten, eine beeindruckende Szenerie. Als die Feuerwehr eintrifft, brandet lautstarker Jubel und Applaus auf: „Menys Policia, més Bombers“, „Weniger Polizei, mehr Feuerwehr“. Die „Bombers“ hatten sich am Sonntag z.T. schützend zwischen die marodierende Staatsgewalt und die friedlichen Wähler gestellt, genau wie die Landespolizei „Mossos d’Esquadra“. Sie hatte Anweisung aus Madrid, gegen das Unabhängigkeitsreferendum vorzugehen. Doch sie hat die Befehle Spaniens verweigert und sich auf die Seite des katalanischen Volkes gestellt. Vor einem Gebäude der Staatspolizei, das von der „Mossos“ abgeschirmt wird, feiert die Menge ihre Landespolizei mit Sprechchören. Immer wieder skandiert die unüberschaubare Menschenmenge „Independència“ und „Wir haben gewählt“. Erst am Triumphbogen löst sich die Masse, laut offiziellen Angaben 700.000 Menschen, langsam auf.
Die stellvertretende spanische Ministerpräsidentin Soraya Saénz de Santamaría nannte die friedliche Demonstration unterdessen ein „mafiöses Verhalten in Katalonien“. Für die Süd-Tiroler Freiheit ist klar, dass es angesichts solcher realitätsfremden Aussagen, dem erschütternden Vorgehen Spaniens am Sonntag, dem Ergebnis des Unabhängigkeitsreferendums und den Massen auf den Straßen für das katalanische Volk kein Zurück mehr geben kann!
Stefan Zelger, Mitglied der Landesleitung der Süd-Tiroler Freiheit.
stefan.zelger@suedtiroler-freiheit.com