Im Zuge der Umsetzung des Landesgesundheitsplanes wurde 2016 die Geburtenabteilung am Krankenhaus Sterzing geschlossen. Eine damals politisch sehr unpopuläre Entscheidung.
In einem Prüfbericht konnte anhand von international anerkannten Kriterien dargelegt werden, dass diese Abteilung den vorgegebenen Standards nicht entsprach: Es ging nicht um die Qualität der Patientenbetreuung, sondern um die Beurteilung der Erreichbarkeit, die Personalabdeckung, die Qualitätssicherung und die Rentabilität. Die Entscheidung zur Schließung der Geburtenateilung war insofern zwingend, als man aus objektiver Beurteilung und sachlicher Diskussion die Konsequenz zog.
Allerdings fanden bestimmte Aspekte in der Beurteilung zu wenig Berücksichtigung, was dann zur hitzigen Debatte führte. Es kamen – was wohl unterschätzt wurde – Emotionen ins Spiel. Es entstand der Eindruck der geringen Wertschätzung. Es ging um die Identifizierung der Bevölkerung mit einer öffentlichen Einrichtung, um kollektives Sicherheitsempfinden, um Praktisches aus dem Familienalltag und letztlich auch um den Mehrwert des Bezirks Wipptal.
Derartige Kriterien, die es gegebenenfalls ebenso zu berücksichtigen gilt, stehen in keiner Agenda und in keinen Leitlinien. Aber sie galten bereits Jahre davor für die betroffene Bevölkerung. So konnten innerhalb kurzer Zeit tausende Unterschriften gegen die Schließung der Geburtenabteilung gesammelt werden. Eine sachliche Argumentation wurde schwierig, und nicht nur die Stimmung im Bezirk, auch die landesweite Stimmung konnte schwer beeinflusst werden.
Nun, im Zuge von Ausnahmeregelungen für andere Krankenhäuser wie zuletzt in Cavalese, entflammt die Diskussion um die Geburtenabteilung in Sterzing neu. Hoffnung wird geweckt.
Bekanntlich kann die Politik auch gegen rationale Begründungen entscheiden. Warum sollte daher die Politik nicht auch in diesem Fall die – zugegebenermaßen rational begründete – Beurteilung von 2016 zurücknehmen? Wenn es dem innigen Willen der Mehrheitsbevölkerung entspricht, wenn eine landesweite Mehrzahl von Befürwortern dahintersteht, wenn so viel Herzenssache an der Geburtenabteilung hängt, soll Sterzing eine zweite Chance bekommen! Die zustimmende Bevölkerung soll freilich wissen, welcher Preis dafür zu zahlen ist. Denn die Kostbarkeit einer wohnortnahen Versorgung muss finanziert werden. Dies macht Einsparungen in anderen Bereichen unumgänglich und muss fairerweise gesagt werden.
Eines sollte uns am allerwichtigsten sein: Unsere Gesundheit gehört zum höchsten Gut. Bekennen wir uns dazu!
Dr. Andreas Tutzer ist Orthopäde, Unfallchirurg und Traumatologe am Landeskrankenhaus Bozen und Landtagskandidat der Süd-Tiroler Freiheit