Ärztemangel, Pflegedefizit, lange Wartezeiten, Ärzte, die nicht Deutsch sprechen, Befunde nur auf Italienisch und die Schließung von Abteilungen: Vieles im Südtiroler Gesundheitswesen funktioniert nicht mehr so, wie es eigentlich sollte. Nicht erst jetzt kurz vor der Landtagswahl, sondern seit Jahren hat die Süd-Tiroler Freiheit auf das krankende Gesundheitswesen immer wieder aufmerksam gemacht, vor einem regelrechten Kollaps gewarnt und konkrete Lösungsvorschläge eingebracht.
Für die Landtagskandidatur konnte die Süd-Tiroler Freiheit auch zwei Ärzte gewinnen: Dr. Herbert Campidell und Dr. Andreas Tutzer. Dr. Herbert Campidell ist Zahnarzt und Allgemeinmediziner in Niederdorf. Dr. Andreas Tutzer ist Orthopäde, Unfallchirurg und Traumatologe am Landeskrankenhaus Bozen. Unter dem Motto „Wir kurieren das Gesundheitswesen“ haben die beiden Mediziner am Freitag auf einer Pressekonferenz die Missstände im Gesundheitswesen auf den Punkt gebracht und eine Reihe von Impulsen aufgelistet, die es durch die Politik aufzunehmen gelte, um ein funktionierendes Gesundheitswesen zu schaffen.
Dr. Herbert Campidell: „Kompatscher hätte alle Möglichkeiten gehabt zu handeln!“
„Wir sollten endlich aufhören unser Gesundheitswesen jeden Tag schlechtzureden! Wir haben ein hervorragendes Gesundheitssystem.“ An diese Aussage von Landeshauptmann Arno Kompatscher erinnerte einleitend Dr. Herbert Campidell. Sie stammt vom August dieses Jahres, doch mittlerweile, kurz vor der Landtagswahl, habe, so Campidell, auch Kompatscher erkannt, dass dringlichster Handlungsbedarf herrsche, zumal er angekündigt habe, die Sanität zur Chefsache erklären zu wollen. In Kompatschers Ankündigung sieht Campidell allerdings keinen Anlass zur Beruhigung, denn, so Campidell wörtlich: „Die Ankündigung Kompatschers mag zwar mutig klingen, doch der Landeshauptmann hätte bereits seit fünf Jahren alle Möglichkeiten gehabt, entsprechend zu handeln!“ Mahnende Stimmen habe es von vielen Seiten gegeben. Dr. Campidell zählt auf: „Oswald Mayr, der ehemalige Direktor des Sanitätsbetriebes warnte wiederholt: ‚Ohne Reformen fahren wir das System an die Wand!‘ Und frustrierte Ärzte klagten: ‚Es wurde viel geredet, aber kaum etwas umgesetzt.‘ Dann kam Schael! Er hat das Gesundheitswesen auf reine Wirtschaftlichkeit reduziert. ‚Wir sind ein Konzern‘, so ließ er verlauten und leitete damit auch bei uns die besorgniserregende Entwicklung zur Ökonomisierung des Gesundheitswesens ein.“
Insgesamt kritisierte Dr. Campidell, dass sich das Gesundheitssystem von allzu wirtschaftlich orientiertem Denken treiben lasse. Dies habe dazu geführt, dass periphere Strukturen auf der Strecke geblieben und die Bedürfnisse des kranken Menschen in den Hintergrund gerückt seien. „Ökonomischen Überlegungen darf nicht der Vorrang gegenüber medizinischen Argumenten gegeben werden!“, warnte Campidell. Dabei berief er sich auf Giovanni Maio, den Inhaber des Lehrstuhls für Medizinethik an der Universität Freiburg, der auf eine Gefährdung einer Kultur des Heilens durch die Übermacht der Ökonomie hingewiesen habe.
Dr. Andreas Tutzer: „Ein komplexes System benötigt komplexe Lösungsstrategien“
„Inzwischen mischt sich einfach zu viel nichtärztliches Personal aus Politik und Verwaltung in unsere medizinischen Aufgaben ein.“ Zu dieser Feststellung gelangte Dr. Andreas Tutzer. Er zeigte sich überzeugt: „Was für Maßnahmen erforderlich sind, um das Gesundheitswesen wieder fit zu machen, wüssten Mediziner am besten. Allerdings ist sich der Arzt dabei durchaus bewusst: „Ein komplexes System benötigt komplexe Lösungsstrategien. Daher habe ich ein Therapiekonzept zur Sanierung des Sanitätsbetriebes von allen Ebenen her aufgearbeitet. Konkret geht es um ein Modell, das auf drei Säulen fußt, die allesamt mit dem Buchstaben E anfangen: 1. Effizienz, 2. Ethik, 3. Entwicklung. Ich möchte es das ‚Drei-E-Modell‘ nennen: