In Trauer müssen wir das Hinscheiden unseres Freundes und Kameraden Luis Steinegger aus Tramin mitteilen.
Bereits als junger Bursch hatte unser Luis die faschistische Unterdrückungspolitik erleben müssen und war im Alter von 17 Jahren zusammen mit anderen jungen Burschen verhaftet und verprügelt worden, weil sie deutsche Lieder gesungen hatten.
Als nach 1945 die faschistische Politik der Unterdrückung und Unterwanderung ungebrochen fortgesetzt wurde, schloss sich der Kleinbauer und Familienvater dem von Sepp Kerschbaumer gegründeten „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) an.
Am 18. Juli 1961 wurde Luis Steinegger aus Tramin verhaftet, in die Carabinierikaserne Eppan gebracht und schwer misshandelt. Er gestand nicht. Insgesamt dauerte sein Martyrium acht Tage, in den Folterpausen lag er im eigenen Blut. „Irgendwann habe ich nur gekeucht, wenn wieder einer zugeschlagen hat.“ (Zitiert nach: Hans Karl Peterlini: „Südtiroler Bombenjahre“, Bozen 2005, S. 149)
Luis Steineggers Schreie und die seiner Kameraden hörte man noch in der Umgebung der Carabinierikaserne.
Zwischen den Verhören und Schlägen brachten fünf Carabinieri Luis Steinegger einmal nach Hause, damit er ihnen ein Sprengstoffdepot verrate. Seine Frau, Irene Steinegger, erkannte ihn kaum wieder. Das Hemd war blutig und Steinegger schleppte sich langsam die Stufen hoch, „wie ein alter, gebrochener Mann“. (Siehe: Astrid Kofler: „Zersprengtes Leben“, Edition Raetia 2003, S. 45f)
Was Steinegger im Verhör widerfahren war, hat er später in einem Brief geschildert, den seine Frau aus dem Gefängnis schmuggelte und dem Ortsobmann der SVP in Tramin übergab. Dieser schickte den Brief am 21. Juni 1962 an die Landesleitung der SVP.
„Bozen Gefängnis
Wurde am 18. Juli 1961 vom Bett heraus geholt u. verhaftet. Bin nach Eppan überführt worden. Wie ich hinter der Tür der Karabinieri Kaserne war, haben sie mich den Gang entlang nur so durchgestoßen u. geworfen. Wurde an eine Wand gestellt, mußte mit erhobenen Händen auf den Zehenspitzen stehen, wenn ich nicht mehr imstande war, die Hände hochzuhalten so schlug mich ein Karabiniere mit der Faust in den Rippen, so ging es eine zeitlang, man verspottete mich u. schrie mir die brutalsten Wörter ins Gesicht …
Am dritten Tag wurde ich in Begleitung von 5 Karabinieri nach Tramin nach Hause geführt, ich mußte in Eppan sagen, daß ich Sprengstoff habe, sollte ihn ihnen zeigen, ich hatte aber keinen.
Wie ich wieder in Eppan war, haben sie mich zu den anderen Traminern getan, auf einmal riß mich ein Brigadier (Anm.: Unteroffizier) heraus, führte mich ganz nach oben, dort mußte ich mit erhobenen Händen an einer Wand stehen, sie sagten, ich soll ihnen das Sprengmaterial geben, als ich verneinte, schlugen sie mich mit den Fäusten überall, habe noch heute zwei lockere Stockzähne, die wahrscheinlich nie mehr fest werden. So ging es in Eppan zu, man kann die dortige Kaserne als Folterkammer nennen.
Soweit haben sie uns gebracht, daß man alles unterschrieb, was sie einem vorlegten … Alles dies mußten wir in einem christlichen demokratischen Staat erleben.
So habe ich einen Teil unserer Erlebnisse niedergeschrieben, was bestimmt der Wahrheit entspricht.
Steinegger Alois“
(Wörtliche Wiedergabe des Originalbriefes. SVP-Archivalien, Südtiroler Landesarchiv Bozen)
Magnago hat auf dieses Schreiben nicht reagiert.
Am 21. Jänner 1964 sagte der 43jährige Bauer Luis Steinegger, Vater von 3 Kindern, als Angeklagter vor dem Schwurgericht in Mailand aus und setzte den Staat auf die Anklagebank. Er schilderte seine schweren Misshandlungen in der Carabinieri-Kaserne von Eppan. Er habe nur zwischen zwei Übeln wählen können: „Entweder mußte ich zulassen, daß sie mich zusammenschlagen, oder ich musste alles auf mich nehmen, was sie mir vorwarfen. Ich habe den Carabinieri gesagt, daß ich alle Masten gesprengt habe. Ich habe ja kleine Kinder, die noch einige Jahre einen Vater brauchen.“
Das Gericht verurteilte ihn zu 8 Jahren und 8 Monaten Haft. Die Haft konnte ihn nicht brechen. Er blieb, was er immer gewesen war: Ein aufrechter und mutiger Sohn Tirols.
Steineggers junge Frau Irene hatte in diesen schweren Jahren unverbrüchlich zu ihrem Mann gehalten und nahezu Übermenschliches geleistet. Sie hatte sich und ihre drei Kinder über Wasser gehalten und dem Sohn Elmar sogar den Besuch einer höher bildenden Schule ermöglicht.
Wir gedenken in Trauer des Verstorbenen und sind in Gedanken bei den Angehörigen.
Roland Lang
Obmann des Süd-Tiroler Heimatbundes
Meinrad Berger
Obmannstellvertreter des Süd-Tiroler Heimatbundes