Die italienische Regierung erwägt erneut eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Bis 2022 soll diese bis auf 26,5 Prozent steigen. Für ein Grenzgebiet wie Süd-Tirol hätte dies verheerende Auswirkungen: Es würde zu einem Wettbewerbsnachteil kommen, und die Familien in Süd-Tirol würden finanziell enorm belastet. Ein Kaufkraftverlust der Bevölkerung sowie eine Abwanderung des Konsumkaufs in Regionen mit geringerer Mehrwertsteuer wären die weiteren Folgen.
Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ist daher grundlegend abzulehnen. Sollte diese dennoch kommen, bedarf es einer Sonderregelung für Süd-Tirol.
Die Süd-Tiroler Freiheit will mit einem Beschlussantrag erreichen, dass sich der Landtag gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausspricht. Sie verweist dabei auf Regionen, in denen steuerliche Sonderregelungen gelten, die als Vorbild dienen können, um die Mehrwertsteuer in Süd-Tirol nicht zu erhöhen.
Im aktuellen „DEF“ (Documento di programmazione economica e finanziaria) ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer erneut vorgesehen, mit dem Plan, diese auf 24,2 Prozent im Jahr 2019, auf 24,9 Prozent im Jahr 2020, auf 25 Prozent im Jahr 2021 und auf 26,5 Prozent im Jahr 2022 zu erhöhen, sofern keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden. Auch der begünstige Steuersatz von derzeit 10 Prozent soll angehoben werden. Die von der Regierung gesetzten und versprochenen Maßnahmen (Quote 100, Flat Tax usw.), der Anstieg des Spread, die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, die steigende Staatsverschuldung usw. sind laut Experten Anzeichen dafür, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer schwer zu vermeiden sein wird.
Laut Berechnung von Experten würde die Erhöhung der Mehrwertsteuer die Familien im Schnitt mit 538 Euro belasten, für die Provinzen Bozen und Trient wurde sogar eine noch höhere Belastung von 654 Euro errechnet.
Angesichts des immensen Schuldenbergs des italienischen Staates würde die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu keinem signifikanten Abbau der Staatsschulden beitragen, dafür aber die Kaufkraft der Menschen enorm belasten und den Unternehmen und somit der gesamten Wirtschaft nachhaltig schaden.
Für ein Grenzgebiet wie Süd-Tirol hätte eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zusätzlich gravierende Auswirkungen, da in Österreich die Mehrwertsteuer nur bei 20 Prozent liegt und in Deutschland gar nur bei 19 Prozent. Ein schmerzlicher Kaufkraftverlust der Bevölkerung, ein Wettbewerbsnachteil für Süd-Tiroler Unternehmen, ein Standortnachteil für den Tourismus und nicht zuletzt eine Abwanderung des Konsumkaufs in die umliegenden Regionen mit niedrigerer Mehrwertsteuer wären die direkten Folgen.
Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ist daher grundlegend abzulehnen. Sollte die italienische Regierung dennoch an diesem Vorhaben festhalten, bedarf es für Süd-Tirol ― dessen Wirtschaft eng mit Österreich und Deutschland verflochten ist ― einer Sonderregelung, damit es auf dem Gebiet der autonomen Provinz Bozen zu keiner Erhöhung der Mehrwertsteuer kommt, die über jener der umliegenden Regionen liegt.
Es gibt in Europa sehr viele Beispiele für regionale Unterschiede in der Festsetzung der Mehrwertsteuer innerhalb eines Staatsgebietes.
Das Kleinwalsertal und mit ihm die Gemeinde Mittelberg, aber auch die Gemeinde Jungholz gehören beispielsweise zum österreichischen Staatsgebiet, wenden aber auf Grund ihrer geographischen Lage und Nähe zu Deutschland nicht den österreichischen Umsatzsteuersatz an, sondern jenen der Bundesrepublik Deutschland. In den italienischen Gemeinden Livigno und Campione wird sogar überhaupt keine Mehrwertsteuer berechnet.
Nachstehend weitere Beispiele für Staatsgebiete, in denen sich Regionen mit unterschiedlicher Zoll- und Steuergesetzgebung befinden, darunter sogar Gebiete, die zwar zu EU-Staaten gehören, aber nicht Teil der Zoll- und Steuergebiete der EU sind:
- Die Färöer sind eine autonome zu Dänemark gehörende Inselgruppe, die aber weder Zoll- noch Steuergebiet der EU sind.
- Grönland ist gleichfalls ein autonomer Teil Dänemarks, das aber nicht zum Zoll- und Steuergebiet der EU zählt.
- Büsingen gehört nicht zum Zoll- und Steuergebiet der EU, da es eine deutsche Exklave ist und zum Schweizer Zollgebiet gehört.
- Helgoland ist weder Zoll- noch Steuergebiet der EU.
- Die Åland-Inseln sind Zollgebiet, gehören aber nicht den Steuergebieten an.
- Der Berg Athos ist zwar Zollgebiet der EU, aber nicht Mehrwertsteuergebiet. Besonders hiebei ist, dass das Gebiet Verbrauchsteuergebiet der EU ist.
- Campione ist eine in der Schweiz liegende italienische Exklave, die mit Wirkung vom 1. Jänner 2020 zum Zollgebiet der EU gehört. Die Mehrwertsteuersystem RL findet keine Anwendung.
- Livigno liegt gleichfalls an der schweizerisch-italienischen Grenze und ist geographisch nur von der Schweiz aus erreichbar, gehört weder zum Zollgebiet der EU noch zu jenem der Schweiz.
- Der italienische Teil des Luganer Sees vom Ufer bis zur politischen Grenze im Bereich zwischen Ponte Tresa und Porte Ceresio sind ab 1. Jänner 2020 Zollgebiet der EU, gehören aber nicht zum Steuergebiet.
- Die Kanarischen Inseln Lanzarote, Fuerteventura, Gran Canaria, Teneriffa, La Gomera, El Hierro und La Palma sind zwar Zollgebiet der EU, aber kein Steuergebiet.
- Ceuta und Mellila sind spanische Exklaven in Nordafrika und sind weder Zoll- noch Steuergebiet der EU.
- Gibraltar ist weder Zoll- noch Steuergebiet der EU.
- Die Kanalinseln Alderney, Jersey, Guernsey, Sark, Herm und Les Minquires sind zwar Zollgebiet der EU, aber kein Steuergebiet.
- Die nachstehenden überseeischen Länder und Gebiete, die eine besondere Beziehung zum Vereinigten Königreich unterhalten, gehören nicht zum Zoll- und Steuergebiet der EU: Anguilla, Bermuda, Caymaninseln, Falklandinseln, Turks- und Caicosinseln, Britische Jungferninseln, Sandwichinseln, St. Helena, Pitcairn, Montserat, britisches Antarktisterritorium, britisches Territorium im Indischen Ozean.
- Die französischen überseeischen Departements (DOM — départements d’outre-mer) Französisch-Guayana, Guadeloupe, Mayotte (seit 1. Jänner 2014), Martinique und Réunion sind zwar Zollgebiet, gehören aber nicht zu den Steuergebieten.
- Die französischen überseeischen Gebiete COM (collectivités d’outre-mer) und TAAF (terres australes et antarctiques françaises) zählen weder zum Zoll- noch zum Steuergebiet:
- Neukaledonien (COM) Sonderstatus einer Collectivité sui generis
- Wallis und Futuna (COM)
- Polynesien (COM)
- Saint-Martin (COM)
- Saint Barthélémy (COM)
- Saint-Pierre und Miquelon (COM)
- Französische Süd- und Antarktisgebiete (TAAF)
- Monaco ist zwar nicht Mitglied der EU, zählt aber trotzdem zum Zoll- und Mehrwertsteuergebiet. Auf Grund mehrerer Abkommen erfolgt die zollamtliche Überwachung des Zollgebiets des Fürstentums durch die französische Zollverwaltung.
- Die Niederländischen Antillen (Bonaire, Curaçao, Sint-Martin, Saba, Sint Eustasius) und Aruba sind zwar gleichberechtigte Teile des Königreichs der Niederlande, zählen aber nicht zum Zoll- und Steuergebiet.
Das italienische Mehrwertsteuer-Grundgesetz Nr. 633 vom 26. Oktober 1972 sieht die „territoriale Voraussetzung“ (Art. 7), also das Staatsgebiet, als einen der Grundsätze vor. Dabei gibt es jedoch Ausnahmeregelungen wie beispielsweise für die Gemeinden Livigno, Campione und die staatlichen Gewässer des Luganer Sees.
Es wäre auf Grund der besonderen Situation Süd-Tirols also durchaus möglich, durch eine Abänderung des italienischen Mehrwertsteuer-Grundgesetzes, auch eine Ausnahmeregelung für das Gebiet der autonomen Provinz Bozen zu erwirken.
Die Forderungen der Süd-Tiroler Freiheit im Einzelnen lauten:
- Der Süd-Tiroler Landtag spricht sich gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus und fordert die Landesregierung auf, sich bei der italienischen Regierung dafür zu verwenden, dass es zu keiner Erhöhung der Mehrwertsteuer kommt.
- Der Süd-Tiroler Landtag beauftragt die Landesregierung ― für den Fall, dass die italienische Regierung die Mehrwertsteuer dennoch erhöht ― eine Sonderregelung im Mehrwertsteuer-Grundgesetz zu erwirken, damit auf dem Gebiet der autonomen Provinz Bozen ein gesonderter Mehrwertsteuersatz angewendet wird, der nicht über jenem der umliegenden Regionen liegt.
Landtagsklub Süd-Tiroler Freiheit.