Immer wieder kommt sie zur Ansprache: die Einführung von mehrsprachigen Schulen. Die Junge Süd-Tiroler Freiheit spricht sich klar dagegen aus – zum Schutz unserer deutschen Minderheit in einem fremden Staat.
Das Schulwesen in Südtirol kann auf eine ereignisreiche Entwicklung zurückblicken. Nach der Unterdrückung der deutschen Sprache in der Faschistenzeit war man in der Folgezeit bemüht, die deutsche Schule wieder erfolgreich aufzubauen. Zum Schutz der deutschen Sprachminderheit wurde das Modell der getrennten einsprachigen Schulen (Deutsch/Italienisch), mit Ausnahme der ladinischen Schulen, gewählt.
Gerade für eine Sprachminderheit sind der Unterricht in ihrer Muttersprache und das Lehren ihrer Kultur von wesentlicher Bedeutung. „Die Schule ist der Ort, wo jungen Menschen Sprache, Kultur und Geschichte der eigenen Minderheit gelehrt und weitergegeben werden. Deshalb ist der Inhalt des Art 19 des Südtiroler Autonomiestatuts auch vollkommen nachvollziehbar und von großer Bedeutung“, erklärt Vize-Landesjugendsprecherin Melanie Mair. Diese Bestimmung des Autonomiestatuts sieht vor, dass der Unterricht in der Provinz Bozen in den Kindergärten, Grund- und Sekundarschulen in der Muttersprache der Schüler, in italienischer oder deutscher Sprache, erteilt wird. Eine mehrsprachige Schule wäre demzufolge nicht konform mit dem Art 19 St. Dadurch, dass sich das Autonomiestatut auf der höchsten Rechtsquellenebene der italienischen Rechtsordnung befindet, nämlich auf Verfassungsrang, hat seine Einhaltung höchste Priorität. Zum Erlernen von Fremdsprachen – und ja, Italienisch hat zwar den Status einer Zweitsprache, ist aber wie jede andere Sprache, die nicht die eigene Muttersprache ist, eine Fremdsprache – sind eigens Fremdsprachenfächer geschaffen worden.
Viel wichtiger wäre es, ist die Junge Süd-Tiroler Freiheit überzeugt, den Aufbau des Unterrichtes zu überdenken, damit die Deutsch- bzw. Italienischkenntnisse der Schüler verbessert werden können. „Wenn ein deutschsprachiger Oberschüler die Divina Commedia behandelt, dann eignet er sich dabei genauso wenig Sprachkenntnisse an, wie ein italienischsprachiger Oberschüler, der sich mit Goethe beschäftigen muss. Was wir wirklich brauchen, ist ein alltagsnaher Fremdsprachenunterricht”, sagt Landesjugendsprecher Peter Gruber.
Die Nachteile von mehrsprachigen Schulen sind ganz klar. Zum einen muss erwähnt werden, dass Kinder und Jugendliche, die sich in Sprachen schwerer tun, dem Unterrichtstoff nicht folgen können und die Lernergebnisse schwächer ausfallen werden. Man hat einen viel größeren Lernaufwand und kann sich den Inhalt der Materien schlechter merken. Infolgedessen ist auch die Gefahr groß, dass das Interesse am Fach darunter zu leiden hat. Zum anderen fehlt den Schülern in der Folge der Wortschatz, der in der Fremdsprache unterrichteten Fächer, in ihrer eigenen Muttersprache, die sie ja eigentlich perfekt beherrschen sollten.
Die große Bedrohung aber besteht bezüglich des Erhalts der eigenen deutschen Kultur, Sprache und Identität, ist sich die Junge Süd-Tiroler Freiheit sicher. Durch eine mehrsprachige Schule kommt es zu einer immer stärker werdenden (freiwilligen) Assimilation an das Italienische. Es wird den Schülern schleichend infiltriert, dass das Italienische in Südtirol „normal“ ist, obwohl die Kultur im deutschen Süden Tirols niemals italienisch war. Junge Menschen werden diese Gegebenheit nicht kritisch hinterfragen und das Italienische wird zur Gewohnheit, bis Südtirol zu einer gewöhnlichen italienischen Provinz wird. Genau darin liegt die Gefahr, vor der wir uns als Südtiroler hüten müssen.
An diesem Punkt muss der bekannte Völkerrechtler Francesco Capotorti genannt werden, der Ende der 1970er Jahre definierte, welche Eigenschaften eine Minderheit ausmachen. Neben mehreren objektiven Faktoren ist das subjektive Element entscheidend, das sogenannte Bekenntnisprinzip. Demzufolge muss in jener Volksgruppe ein Zusammengehörigkeitsgefühl bestehen, ein Bekenntnis zur eigenen Kultur und Tradition und auf Grund dessen der Wille, diese aufrechtzuerhalten. Wenn dieses Element nicht gegeben ist, so ist auch der Minderheitenschutz nicht erforderlich, so Capotorti.
Die Minderheitenschule ist ein wesentlicher Eckpfeiler zum Schutz der deutschen Sprachminderheit in Südtirol. Wenn man diese beginnt aufzugeben, stellt sich die Frage, ob somit nicht ein Teil dessen aufgegeben wird, was die deutsche Minderheit ausmacht, ein Teil ihrer Kultur und Tradition. Es besteht die Gefahr, dass Menschen vergessen, warum im italienischen und deutschen Schulsystem in Südtirol die getrennt-einsprachige Schule eingeführt wurde. Man läuft Gefahr, dass dieses für eine Minderheit essentielle subjektive Bekenntnisprinzip zu schwinden droht und infolgedessen die wichtigste Eigenschaft einer Minderheit abhandenkommt.
Melanie Mair,
Vize-Landesjugendsprecherin der Süd-Tiroler Freiheit.