Die Forderung nach der Abschaffung des Begriffes „Alto Adige“ wird nicht nur von den italienischen Parteien, sondern auch von Teilen der Südtiroler Volkspartei als Provokation empfunden. In Reihen der SVP war dies früher zumindest anders, da auch sie einmal „Alto Adige“ abschaffen wollte. Dies weiß Cristian Kollmann, Toponomastikexperte der Süd-Tiroler Freiheit, zu berichten.
Zur Beweisführung beruft sich Kollmann auf einen „Südtiroler Entwurf eines Autonomiestatuts für die Region Südtirol-Tirolo del Sud“, der von den drei Südtiroler SVP-Parlamentariern Toni Ebner, Otto von Guggenberg und Karl Tinzl am 4. Februar 1958 im italienischen Parlament eingebracht wurde. Im Gesetzentwurf, der aus insgesamt 13 Kapiteln besteht, ist Kapitel 1 besonders interessant. Es trägt den Titel „Errichtung der Region Südtirol-Tirolo del Sud“. Artikel 1 dieses Kapitels besagt: „Südtirol (Tirolo del Sud), umfassend das Territorium der Provinz Bozen, wird laut vorliegendem Statut als autonome Region mit Rechtspersönlichkeit innerhalb der italienischen Republik errichtet. […]“. Unter Artikel 2 heißt es: „Die Region Südtirol (Tirolo del Sud) hat die Stadt Bozen (Bolzano) zur Hauptstadt.“. Explizit hervorheben will Kollmann den zum Gesetzesentwurf gehörigen Bericht, da in diesem klar die Abschaffung der Bezeichnung „Alto Adige“ gefordert wird. Punkt a) lautet nämlich: „Die Provinz Bozen wird zur autonomen Region mit Sonderstatut erhoben – das heißt natürlich jenes Gebiet, das heute die Provinz Bozen umfaßt –, und zwar mit dem historischen und der Sprache der Mehrheit der Bevölkerung dieses Gebietes entsprechenden Namen unter Abschaffung der Bezeichnung ‚Alto Adige‘ napoleonischer Erfindung, womit endlich die Erinnerung an das faschistische Verbot, den Namen ‚Südtirol‘ zu gebrauchen, ausgemerzt wird.“.
In der Tat war der deutsche Name „Südtirol“ im Jahr 1958 noch verboten – von „Tirolo del Sud“ oder „Sudtirolo“ ganz zu schweigen. Erst zugelassen war „Südtirol“ mit dem Inkrafttreten des 2. Autonomiestatuts im Jahr 1972, und zwar als Teilbezeichnung für die Region, die bis dahin auf Deutsch „Trentino-Tiroler Etschland“ hieß (zu sehr hätte das Element „Süd“ an die Teilung Tirols erinnert).
Dennoch: Trotz des Verbots von „Südtirol“ ließ man es sich von offizieller politischer Seite Südtirols nicht nehmen, diesen Namen bereits vor 1972 zu gebrauchen und für dessen amtliche Einführung zu kämpfen, ebenso für die Abschaffung von „Alto Adige“. All dies erinnert sehr stark an die wieder aufgeflammte „Alto Adige-Sudtirolo“-Diskussion, findet Kollmann. Was ihn dabei um so mehr wundert: „Früher war es noch die SVP, die sich gegen die faschistische Toponomastik stark machte. Heute sind wir es. Die SVP will uns heute deswegen als Provokateure diskreditieren, also als etwas, was sie früher selbst war.“.
Cristian Kollmann