Als Historikerin widerspreche ich den Ausführungen von Hannes Obermair im Interview zu 100 Jahre Annexion durch Italien entschieden und widerlege seine von Oberflächlichkeit geprägten Behauptungen:
Es handelt sich nicht um ein „Opfernarrativ“, wie Obermair behauptet, sondern darum, dass der Vertrag von Saint Germain auf dem Londoner Geheimvertrag fußt. In diesem versprachen die Entente- Mächte Italien für seinen Kriegseintritt gegen Österreich u. a. die „Brennergrenze“ zur Befriedigung seines Kriegszieles im Sinne des „Sacro egoismo“= Gebietserweiterung Italiens. Einzige Begründung war der Vorwand eines existenziellen und militärischen Bedürfnisses nach einer „natürlichen Grenze“ Italiens, also gegen jedes Recht. Zu der „Neuen Ordnung“ gemäß Programm Wilsons für die Friedensverhandlungen 1919 gehörten das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Ablehnung der Geheimdiplomatie. Durch Lug und Trug (Landkarte mit gefälschten geographischen Namen, Geschichtslügen) gelang es der ital. Vertretung in Saint Germain die Zustimmung der Brennergrenze gegen seine eigenen Prinzipien zu erlangen. Er hat diese seine Zustimmung später bedauert (s. Baker: Woodrow Wilson and World Settlement, 1922, Band II, S. 146) und als Grund dafür die ungenügende Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse angeführt.
Bis heute steht Saint Germain nicht für einen Rechtsfrieden, und Tirol hat seine Teilung bis heute nicht als Recht anerkannt!
Dr. Eva Klotz, ehemalige Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit.