Neues Buch von Helmut Golowitsch

Repression – Wie Südtirol 1945/46 wieder unters Joch gezwungen wurde

Neues Buch von Helmut Golowitsch

Repression – Wie Südtirol 1945/46 wieder unters Joch gezwungen wurde

Dieser Tage ist im Südtiroler EFFEKT-Verlag ein neues Buch erschienen, welches Aufsehen erregt. Helmut Golowitsch: „Repression – Wie Südtirol 1945/46 wieder unter das Joch gezwungen wurde“. Mit einem Vorwort von Dr. Franz Pahl, ehem. SVP-Landtagsabgeordneter und Präsident des Regionalrats der Region Trentino-Südtirol.

Dr. Pahl schreibt: „Nach der Trilogie über die österreichische Südtirolpolitik erscheint nun das vorliegende Werk von Helmut Golowitsch, welches schildert, mit welchen Methoden die Südtiroler in der unmittelbaren Nachkriegszeit der fortdauernden italienischen Herrschaft unterworfen wurden. … Der Leser wird zurück in eine Zeit geführt, die nicht einfach vergangen ist. Wer zurückblickt, sieht die Konsequenzen, die damals ausgeblieben sind. In dieser Zeit der wilden Verfolgungen vieler einzelner, der breit angelegten kriminellen Einschüchterung tobte eine verbrecherische Soldateska, die sich plötzlich als „resistenza“, als Widerstand ausgab, ihre verbrecherische Gesinnung an Wehrlosen, völlig Unschuldigen und Unbescholtenen aus – bis zum Mord an fünf Grödnern.“

Der Historiker Dr. Helmut Golowitsch hat bislang weitgehend unbekannte Dokumente in den Landesarchiven Nord- und Südtirols sowie im Österreichischen Staatsarchiv gefunden.

Sie schildern, wie die deutschen und ladinischen Südtiroler 1945 und 1946 nicht nur durch Kundgebungsverbote der Regierung in Rom, sondern auch durch behördlich geduldeten Terror weitgehend daran gehindert wurden, öffentlich für die Selbstbestimmung einzutreten.

Die unterdrückende Rolle italienischer „Befreiungskräfte“

Für die politisch bestimmenden Kräfte in Italien ging es 1945 parteienübergreifend um die Bewahrung der Kriegsbeute aus dem Ersten Weltkrieg, um den Verbleib Südtirols bei Italien. Dieses Ziel verfolgte auch der vordergründig antifaschistische italienische „Befreiungsausschuss“ CLN („Comitato di Liberazione Nazionale“), der rasch auch ehemalige Faschisten in seine Reihen aufnahm, sich tatkräftig an der Repression der Südtiroler Bevölkerung beteiligte und die alte faschistische Entnationalisierungspolitik und die gezielte italienische Unterwanderung Südtirols fortzuführen begann.

Große Südtiroler Kundgebungen mit der Forderung nach Selbstbestimmung hätten durch internationales Aufsehen diese Politik ernsthaft stören und auch die Westalliierten unter Druck setzen können, die eigentlich lieber die Interessen Roms unterstützten, um das für sie geostrategisch wichtige Italien so rasch als möglich in ein westliches Militärbündnis einbinden zu können.

Das Niederhalten der Südtiroler durch Terror

Die Bevölkerung Südtirols wurde durch brutalen Terror niedergehalten. Sogenannte „Nachkriegspartisanen“, aber auch Gewalttäter in italienischen Militäruniformen bedrohten die deutsche und ladinische Bevölkerung, plünderten, raubten und mordeten sogar in einer Reihe von Fällen.

Der damalige Organisationsleiter der SVP, Dr. Friedl Volgger, ein ehemaliger von den Faschisten und Nationalsozialisten Verfolgter und KZ-Häftling, schilderte in seinen Lebenserinnerungen die damalige Situation: „Begreiflicherweise saß den Leuten auch noch viel Angst in den Knochen. Die Italiener gebärdeten sich schon wieder allmächtig im Lande, wenn auch das letzte Wort den Alliierten zustand. Es kam zu Übergriffen von Seiten der italienischen Militäreinheiten, zu willkürlichen Verhaftungen usw. So zogen es nicht wenige vor, zunächst einmal aus dem Fenster zu schauen und die weitere Entwicklung abzuwarten. … Es war nicht einfach, den Leuten diese Furcht auszureden.“ (Friedl Volgger: „Mit Südtirol am Scheideweg“, Innsbruck 1984, S. 147 und 148)

Im Tiroler Landesarchiv, dem Südtiroler Landesarchiv, dem Österreichischen Staatsarchiv in Wien und in anderen Sammlungen liegen Dokumente und Berichte aus Südtirol vor, welche ein erschütterndes Bild damaligen Terrors gegenüber der Südtiroler Bevölkerung zeichnen. Viele dieser Dokumente aus der Zeit vom Mai 1945 bis zum Mai 1946 werden erstmals der Öffentlichkeit bekannt gemacht.

Es handelt sich um bislang unbekannte Berichte betroffener Terror-Opfer, welche damals von Pfarrämtern und SVP-Ortsgruppen protokolliert und als Originale oder Kopien auf gefährlichen Wegen über die Berge nach Nordtirol gebracht worden waren.

Der Terror importierter „Nachkriegspartisanen“ und uniformierter Plünderer

Die Berichte schildern, wie nach bereits eingetretenem Kriegsende „Nachkriegspartisanen“ mit Lastwägen aus dem Süden nach Südtirol gekarrt wurden, wo es dann zu zahlreichen Plünderungen, Raubüberfällen und sogar zu Mordtaten kam.

Zudem terrorisierten bewaffnete Banden in italienischen Militäruniformen die Bevölkerung und gingen mit Maschinenpistolen und Handgranaten gegen die Bevölkerung vor. Die zeitgeschichtlichen Dokumente enthüllen, dass die staatlichen Behörden sowie die alliierten Besatzungstruppen so gut wie nichts dagegen unternahmen. Das hatte zur Folge, dass eine verängstigte Bevölkerung sich in den Häusern verbarrikadierte, statt in machtvollen öffentlichen Demonstrationen die Wiederherstellung der Landeseinheit zu verlangen.

So wurde die einheimische Bevölkerung Südtirols geduckt am Boden gehalten, an politischen Aktionen gehindert und wieder unter das Joch der Unterdrückung gezwungen. Zugleich erfolgte eine Refaschistisierung des öffentlichen Lebens in Südtirol und die Förderung der Zuwanderung aus dem Süden.

Eine geduckte politische Führung in Südtirol – nur der Klerus stellte sich auf die Seite des Volkes

Die damalige weitgehend mutlose Parteispitze der Südtiroler Volkspartei forderte zwar auf dem Papier die Selbstbestimmung für Südtirol, organisierte angesichts des Terrors und der Drohungen aus Rom aber keine Volkskundgebungen und keinen Proteststurm gegen die Terrorakte, obwohl die Bezirksobmänner und Ortsobmänner aller 7 Bezirke der Südtiroler Volkspartei in einer mutigen Unterschriftenaktion die Rückkehr Südtirols nach Österreich gefordert hatten.

Der Fürstbischof Dr. Johannes Geisler, Kanonikus Michael Gamper und der gesamte Südtiroler Klerus stellten sich jedoch auf die Seite des Volkes.

Unter dem Schutz der Kirche fanden landesweite „Gebetsstürme“ und Volkswallfahrten zehntausender Pilger statt. Über diese kirchlichen Veranstaltungen konnte auch die Presse trotz herrschender Zensur berichten. Die „Dolomiten“ schrieben am 16. April 1946: „Volk in Not“  … diese betenden Volksscharen sagen es uns, daß es um mehr geht. … es geht um Glück oder Unglück, um Leben oder Sterben eines Volkes.“

Zudem unterschrieben so gut wie alle Ortspfarrer Südtirols Petitionen, in denen die Wiedervereinigung Tirols und die Rückkehr zu Österreich gefordert wurden.

Das Verschweigen der Untaten – die Rücksichtnahmen der hohen Politik

Viele dieser Berichte gelangten als Originale oder in Kopie auf geheimen Wegen nach Nordtirol und auch zur Kenntnis der österreichischen Regierungspolitiker in Wien. Diese nahmen jedoch Rücksicht auf die Wünsche der Amerikaner und Briten, so wenig öffentliche Unruhe wie möglich hervorzurufen und machten den Inhalt der Südtiroler Berichte der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Als besonders willfährig sollte sich hier Bundeskanzler Leopold Figl (ÖVP) erweisen. Dieser sollte sogar den christdemokratischen Freunden in Italien auf vertraulichem Weg mitteilen lassen, dass Österreich sich mit einer Autonomielösung für Südtirol zufrieden geben würde, während er als Bundeskanzler öffentlich noch lauthals die Rückkehr Südtirols zu Österreich forderte.

Figl stand natürlich auch unter Druck, da es damals darum ging, Österreich nicht teilweise oder sogar zur Gänze einem sowjetischen Machtblock einverleiben zu lassen. Um dem gegensteuern zu können, war man in Wien auf die Unterstützung der Westmächte angewiesen.

Es sollte auch das Gesprächsklima mit Rom nicht gestört werden. Die Alliierten „dankten“ für diese Rücksichtnahme damit, dass sie die Forderung auf Rückkehr Südtirols nach Österreich abwiesen.

In Südtirol sorgten die alliierte Zensur ebenso wie die italienischen Behörden dafür, dass keine allzu große „Beunruhigung“ der einheimischen Bevölkerung eintrete. Der Parteiobmann Erich Amonn und sein Generalsekretär Dr. Josef Raffeiner fürchteten zudem mittels des immer noch in Kraft befindlichen faschistischen Strafgesetzbuches wegen „Schmähung“ der italienischen Nation und der bewaffneten Streitkräfte angeklagt zu werden, wenn sie die Untaten öffentlich machten.

Das Gegensteuern mutiger Persönlichkeiten: Die Unterschriftensammlung für die Selbstbestimmung

Es waren vor allem Kanonikus Michael Gamper, der SVP-Organisationsreferent Dr. Friedl Volgger und der junge SVP-Sekretar Dr. Toni Ebner, der Vater des heutigen „Dolomiten“-Chefredakteurs Dr. Toni Ebner (jun.), die konsequent für die Rechte ihrer Volksgruppe eintraten, sich offen zum Selbstbestimmungsrecht bekannten und dabei den Konflikt mit der überaus vorsichtigen und ängstlichen obersten Parteispitze nicht scheuten.

Es war eine mutige Aktion, als Dr. Toni Ebner und Dr. Friedl Volgger, zusammen mit dem übrigen dem Fürstbischof Dr. Johannes Geisler und dem Kanonikus Michael Gamper nahestehenden Personenkreis, die Durchführung der berühmten Unterschriftensammlung für das Selbstbestimmungsrecht auch gegen parteiinternen Widerstand durchsetzten und mithilfe der Unterstützung des Klerus auch durchführten.

Das Ergebnis war eine schriftliche – wenngleich nicht amtliche – Volksabstimmung, die mit den Unterschriften so gut wie aller Südtiroler Wahlberechtigten ein wahrhaft sensationelles Ergebnis für die Forderung nach Landeseinheit erbrachte.

Es ist tragisch, dass auch diese beherzte Aktion das Blatt nicht mehr wenden konnte. Die Alliierten entschieden gegen den Südtiroler Volkswillen. Die Unterschriftensammlung hatte somit nicht zur unmittelbaren Lösung der Südtirol-Frage geführt, stellte in der Folge jedoch die Legitimierung eines Jahrzehnte dauernden unermüdlichen Einsatzes für erweiterte Volksgruppenrechte dar und schuf damit die Basis für die weitere Politik der SVP.

Dieses unverlierbare Verdienst Dr. Ebners, Dr. Volggers und des übrigen Kreises um Kanonikus Gamper ist heute – leider auch in der Geschichtsschreibung – weitgehend in Vergessenheit geraten. In dem vorliegenden Werk wird wieder daran erinnert.

Ein Schlüssel für das Verständnis der weiteren Entwicklung

Der Blick in dieses spannende und gleichermaßen erschütternde Geschehen unmittelbar nach Kriegsende hilft, die weitere Entwicklung im Lande bis zu dem Wendepunkt des dramatischen Protestes der Feuernacht des Jahres 1961 besser zu verstehen.

Verlag Effekt! Neumarkt/Südtirol 2020  www.effekt.tirol
ISBN 978-88-97053-68-2
540 Seiten, Preis: EURO 28,90 €

Weitere Informationen und allenfalls Buchbestellung über diesen „link“: http://repression.effekt.tirol/

Der Autor
Dr. Helmut Golowitsch, geb. 1942, studierte Publizistik und Volkskunde in Wien; anschließend langjährige journalistische Tätigkeit. Als Zeithistoriker hat er zahlreiche Arbeiten zur Zeitgeschichte Südtirols publiziert, so u. a. über das Zustandekommen und die Hintergründe des Pariser Vertrags von 1946, den Gebirgskrieg am Ortler 1915–1918 sowie den Südtiroler Freiheitskampf der 1960er Jahre. Zuletzt sind drei von ihm verfasste zeitgeschichtliche Darstellungen über die jüngere Geschichte Südtirols bis zur Gegenwart erschienen.

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