Vor 100 Jahren, am 30. Oktober 1922, ernannte König Viktor Emanuel III. den Führer der faschistischen Partei, Benito Mussolini, zum neuen italienischen Ministerpräsidenten. Zuvor hatte Mussolini mit seinem „Marsch auf Rom“ den Faschisten den Weg an die Macht geebnet.
Mit Entsetzen muss der Südtiroler Heimatbund feststellen, dass sich Italien wieder einmal aus der Verantwortung schleicht. Weder der Staatspräsident als höchster Repräsentant der Republik Italien noch ein anderer maßgebender italienischer Politiker fand es am Jahresanfang der Mühe wert, auf das bevorstehende tragische Datum im Herbst hinzuweisen.
Der italienische Faschismus forderte Millionen Tote, Verfolgte, Verletzte, Vertriebene und Leid. Konzentrationslager wie jenes in Blumau wurden in Italien errichtet, schreckliche Massenmorde und der Einsatz von Giftgas entvölkerte ganze Landstriche in Afrika.
Minderheiten wie die Südtiroler und die Slowenen wurden bis aufs Blut schikaniert und ihre Identität unterdrückt. Knapp 10.000 Juden wurden unter der Herrschaft des Faschismus in das nazistische Deutschland deportiert und damit wissentlich dem sicheren Tod ausgeliefert.
Mit der Eroberung Abessinies (heutiges Staatsgebiet von Äthiopien und Eritrea) im Mai 1936 ruft Mussolini das italienische „Imperium“ aus und terrorisiert auch die dortige Bevölkerung. Am 10. Juni 1940 erklärt das faschistische Italien Großbritanien und Frankreich den Krieg und beteiligt sich an der Seite Nazi-Deutschlands am Zweiten Weltkrieg.
„Es ist noch nicht ins allgemeine Bewusstsein in Italien eingedrungen, was die Geschichtsforschung herausgefunden hat über den Faschismus und seine Verantwortung für Gewalt, für den Aufstieg der Nazi-Herrschaft, auch für den Zweiten Weltkrieg und in Bezug auf die Beteiligung am Genozid an den Juden“.
Dies sei „noch nicht Teil des Alltagwissens der Italiener zum Faschismus“, bedauert Italiens führende Faschismus-Forscherin Giulia Albanese von der Universität Padua.
Vor dem Zweiten Weltkrieg war in Italien und Europa so manches geschehen, das unterblieben wäre, wenn Mussolini und seine Liktorenbündler die Macht in Italien nicht ergriffen und ihre Fangarme nicht nach anderen Ländern ausgestreckt hätten. Ohne Mussolini hatte es wahrscheinlich keinen Zweiten Weltkrieg gegeben. Das alles scheint vielfach in Vergessenheit geraten zu sein.
Ein bekannter Südtiroler Priester und Missionär trug bei einer Demonstration gegen den Faschismus neben mir ein Plakat, auf dem in Lateinisch stand: Qui tacet, consentire videtur (Wer schweigt, scheint zuzustimmen). Dem ist nichts hinzuzufügen, so SHB-Obmann Roland Lang.
Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes