Man stelle sich vor, welch Aufschrei des Entsetzens weltweit entstehen würde, wenn das deutsche Parlament einen offiziellen Gedenktag einführen würde, um an den vermeintlichen Heldenmut deutscher Wehrmachtssoldaten in der Schlacht von Stalingrad zu erinnern. In Italien hat man diesbezüglich gar keine Skrupel. Das italienische Parlament hat unlängst beschlossen, am 26. Jänner ― ausgerechnet am Vortag des Holocaust-Gedenktages ― einen Alpini-Gedenktag einzuführen, mit dem an die Schlacht von Nikolajewka erinnert werden soll, in der Alpini 1943 zusammen mit Hitler-Soldaten beim Überfall auf die Sowjetunion kämpften. Italienische Historiker und auch die Vereinigung der ehemaligen KZ-Häftlinge sind entsetzt und verurteilen den geplanten Gedenktag scharf. Die Süd-Tiroler Freiheit schließt sich dieser Meinung an und wird diese Woche im Landtag einen Begehrensantrag zur Abstimmung bringen, um die Einführung dieses skandalösen Gedenktages zu verurteilen und um sicherzustellen, dass sich das Land Süd-Tirol nicht an den „Feierlichkeiten“ beteiligt.
Auf der Pressekonferenz der Süd-Tiroler Freiheit nahmen heute vormittag auch der Welsch-Tiroler Historiker und Buchautor Giuseppe Matuella sowie die Süd-Tiroler Historikerinnen Margareth Lun und Eva Klotz teil, die aus geschichts-wissenschaftlicher Sicht aufzeigten, wie nach dem Krieg in Italien eine reichhaltige Rechtfertigungsliteratur erschienen ist, die den Mythos von den Alpini als Opfer und nicht als Täter des Russlandfeldzuges begründet hat. Mit dem zukünftigen Alpini-Gedenktag erfährt diese Geschichtsfälschung nun einen neuen Höhepunkt.
Der Überfall auf die Sowjetunion war ein rassenideologischer Raub- und Vernichtungskrieg, an dem sich das faschistische Italien mit seinen Alpini als Aggressor maßgeblich beteiligt hat. Die Alpini haben in Russland geplündert, vergewaltigt und gemordet. Dokumentiert ist auch, dass italienische Truppen als Vergeltung für Partisanenüberfälle die Dörfer Snamenka und Gorjanowski zerstörten und alle Einwohner umbrachten. Millionen Tote sowie die gezielte Deportation und Ermordung von Juden, Sinti und Roma in den Konzentrationslagern waren die direkte Folge dieses Krieges, das ist die historische Wahrheit, die man klar und unmissverständlich aussprechen muss!
Auch im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse in der Ukraine ist der geplante Alpini-Gedenktag absolut unpassend, da Teile der damaligen Kriegsereignisse im heutigen Kampfgebiet stattfanden. Für die Invasion fremder Territorien gab es weder 1943 eine Rechtfertigung, noch gibt es sie heute.
In der Bewertung und im Umgang mit dem geplanten Alpini-Gedenktag kommt dem Land Süd-Tirol eine ganz besondere Verantwortung zu, da unser Land im 2. Weltkrieg Opfer und Täter zugleich war. Opfer, weil es zum Spielball zweier faschistischer Diktaturen wurde, und Täter, weil viele Bürger unseres Landes mit beiden Ideologien (aus unterschiedlichen Gründen) kokettiert haben und sich teilweise auch aktiv an deren Verbrechen beteiligten. Die Alpini-Division Tridentina war zudem in Süd-Tirol stationiert und viele Süd-Tiroler mussten in ihren Einheiten dienen. Aber auch nach 1943 beteiligten sich viele Süd-Tiroler in den Reihen der deutschen Wehrmacht am Krieg gegen die Sowjetunion. An die 1.900 Süd-Tiroler gerieten dabei in russische Kriegsgefangenschaft.
Im Bewusstsein der historischen Verantwortung für die eigene Vergangenheit muss jede Form der Kriegsverherrlichung und der Relativierung von Kriegsverbrechen daher entschieden und kompromisslos abgelehnt werden. Angriffskriege und die Tötung von Menschen sind durch nichts zu rechtfertigen!
Darum stellt die Süd-Tiroler Freiheit im Landtag folgenden Antrag:
- Der Süd-Tiroler Landtag schließt sich der Meinung von Historikern sowie der Vereinigung der ehemaligen KZ-Häftlinge an und spricht sich gegen einen Alpini-Gedenktag am 26. Jänner aus, mit dem die Schlacht von Nikolajewka glorifiziert wird. Das italienische Parlament wolle daher seine Entscheidung überdenken und von einem Alpini-Gedenktag am 26. Jänner Abstand nehmen.
- Der Süd-Tiroler Landtag beauftrag die Landesregierung dafür Sorge zu tragen, dass ― aus Rücksicht auf die Opfer des Holocaust, von Faschismus, Nationalsozialismus und Krieg ― das Land an keinen Feiern am 26. Jänner teilnimmt. Dem italienischen Parlament sowie der italienischen Regierung wird daher mitgeteilt, dass sich das Land Süd-Tirol aus Verantwortung vor der Geschichte und aus Respekt vor den Opfern nicht an Feierlichkeiten am 26. Jänner beteiligen wird.
Landtagsklub der Süd-Tiroler Freiheit