Am dritten Sonntag im Juni unternahm der Südtiroler Heimatbund eine Kulturfahrt zur Sprachinsel Lusern. Die Reiseleitung hatte der Heimatkundler und Buchautor Max Unterrichter übernommen. Auch eine Abordnung des Andreas Hofer Bundes für Tirol mit Obmann Alois Wechselberger schloss sich der Fahrt an. Neben Sprachforscher Dr. Cristian Kollmann, der bereits im Bus über die Sprachinsel referierte, wartete vor Ort auch Luis (Luigi) Nicolussi Castellan auf die Besucher.
Dr. Cristian Kollmann stellte bereits im Bus die Frage, woher eigentlich die zimbrischen Luserner stammen. Es gibt eine historische Aufzeichnung aus der Zeit um 1050 nach Christus in der bayrischen Staatsbibliothek von Benediktbeuern. Darin wird erwähnt, dass Bauern aus dem Westen des Stammes Herzogtums Baiern in der Zeit der Hungersnot nach Verona auswanderten.
Möglicherweise wurden sie dort angesiedelt, weil sie besondere Fähigkeiten besaßen, denn sie waren gute Holzschnitzer und Zimmerleute und konnten Holzkohle herstellen, was zum Erreichen von hohen Temperaturen für das Schmelzen von Metall wichtig war.
Die napoleonischen Kriege (1792 – 1815) bedeuteten für die Zimbern nichts Gutes. Die von den Zimbern von der Republik Venedig gingen verloren und mit dem Ende der Markusrepublik und der Angliederung an das Königreich Italien (1866) wurde auch der Assimilierungsdruck auf die Zimbern immer stärker. Allein zwischen 1820 und 1900 verminderte sich die Zahl der deutschen Ortschaften um rund 90 Prozent. Der Dolomitenkrieg mit seinem Frontverlauf bei Lusern und erst recht der Faschismus und die Option taten ihr Übriges, so der Sprachwissenschaftler Kollmann.
Herzlich war die Begrüßung vor dem Dokumentationszentrum in Lusern durch Altbürgermeister Luis Nicolussi Castellan, da viele Teilnehmer den patriotischen Luserner bereits von früheren Besuchen der Sprachinsel kannten. Natürlich folgte auch die Eintragung ins Gästebuch!
Hier in unserem Dorf gab es das erste Opfer des unseligen Weltkrieges, den Italien mit der Kriegserklärung am 23. Mai 1915 begonnen hatte, so der Altbürgermeister. Der damalige Pfarrer Josef Pardatscher berichtet in seiner Chronik, dass er am 25. Mai 1915 um sechs Uhr einen Gottesdienst abhalten wollte, als ein lauter Knall zu hören war. Das Dorf wurde von italienischen Granaten beschossen, eine hatte auch vor der Kirchentür eingeschlagen. Mit einer schweren Bauchverletzung wird die 16-jährige Berta Nicolussi Zatta geborgen. Pfarrer Pardatscher gibt dem Mädchen die letzte Ölung, sie stirbt am 31. Mai im Krankenhaus von Trient.
Der Andreas Hofer Bund für Tirol nutzte die Gelegenheit, dem Altbürgermeister von Lusern, Luis Nicolussi Castellan mit einer Ehrenurkunde und der Ehrennadel in Gold des AHB für seinen Einsatz für die bayrische Minderheit auszuzeichnen. AHB- Obmann Alois Wechselberger würdigte in einer kurzen Rede die Verdienste des Geehrten und den Grund für die hohe Auszeichnung.
Besichtigt wurde auch das Elternhaus von Eduard Reut Nicolussi, Offizier der Tiroler Kaiserjäger und leidenschaftlicher Vertreter der Anliegen Südtirols. Am 4. April 1919 zu einem der Vertreter Südtirols in die konstituierende Nationalversammlung der Republik Österreich ernannt, nahm er in einer viel beachteten Rede im Namen Südtirols Abschied von Österreich.
Als Anwalt in Bozen am Kornplatz hatte Reut Nicolussi „recht guten Erfolg“ wie ein italienischer Polizeibericht 1951 rückblickend konstatierte, so SHB- Obmann Roland Lang.
Im Mai 1921 wurde er für den deutschen Verband als Abgeordneter in das italienische Parlament gewählt, wo er bis zur Machtübernahme der Faschisten ich konsequent für seine Heimat einsetzte. Da er zwei Katakomben Lehrerinnen verteidigte, wurde er vom Berufsverzeichniss der Rechtsanwälte gestrichen. Im Oktober floh er mit Hilfe eines gefälschten Reisepasses nach Innsbruck. Er wurde daraufhin Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck. Als erklärter Gegner der Nationalsozialisten und Faschisten wurde er 1951 einstimmig zum Rektor der Universität Innsbruck ernannt. Bis kurz vor seinem Tod (1958) wurde Reut Nicolussi auch vom demokratischen Italien bespitzelt und beobachtet, so Roland Lang. Der letzte (zugängliche) Bericht in seiner Akte trägt das Datum vom 27. Februar 1957!
Vorzüglich war das Mittagessen im Restaurant Ferdy, ehemals Gasthaus Andreas Hofer im Zentrum von Lusern. Die Wirtin Loredana erzählte gerne in deutscher Sprache die Geschichte ihres Betriebes, in dem jetzt ihr Sohn für die Gäste kocht.
In Lafraun gelang es dem Mitarbeiter der Stiftung Werk Gschwent, Karl Birti, sehr gut, die Entstehung und den Zweck der Festung zu erklären. Es war eines von der sieben Sperrwerken des österreichisch-ungarischen Festungsriegels am Rand der Hochebenen der Gemeinden Vielgereuth, Lavarone und Lusern, oberhalb des Suganatales und südlich der Ortschaft Levico Terme bzw. des Caldonazzosee. Erbaut wurde die Festung zwischen 1908 und 1912.
Um viel Wissen über die Geschichte von Lusern reicher wurde abends die Heimreise angetreten. Wir werden Lusern und unseren zimbrischen Freunden weiterhin in Freundschaft verbunden bleiben, denn sie brauchen uns!
Für den Südtiroler Heimatbund
Roland Lang
Obmann des SHB