Frau Hermine Orian aus Schenna im Burggrafenamt Südtirols wurde am Hohen Frauentag 2024 in Innsbruck als heldenhafte Katakombenlehrerin mit dem Verdienstkreuz des Landes Tirol geehrt.
Hermine wurde am 23. April 1919, als Südtirol noch nicht völkerrechtswidrig von Österreich abgetrennt war, in Kurtatsch an der Weinstraße als erstes von sechs Kindern geboren. Ihre Eltern, Bauern, gaben ihr den Namen Hermine Aloisia Mayr. Hermine besuchte die Volksschule, und ihr früher Wunsch war es, zu unterrichten. Zu diesem Zweck absolvierte sie später mehrere Kurse zur Hilfslehrerin.
Das faschistische Italien verbot mit der „Lex Gentile“ vom Oktober 1923 den Unterricht in deutscher Sprache ab dem Schuljahr 1925/26. Bereits 1924 war die deutsche Sprache in Kindergärten untersagt worden. Das Ziel war, das Deutschtum auszurotten und die Assimilation voranzutreiben. Beherzte Frauen und Männer erkannten die Gefahr und verlagerten den Deutschunterricht in den Untergrund. Verbotene Katakombenschulen entstanden. Dort unterrichteten entlassene deutschsprachige Lehrer und Personen verschiedenster Berufe, die gut Deutsch konnten.
Dazu gehörte auch Hermine. Sie begann ihr heimliches Deutschunterrichten 1934/35 im Alter von 16 Jahren. Die heimlichen Zusammenkünfte fanden in ihrem Elternhaus in Kurtatsch statt. Ihre Schüler waren zwischen sieben und dreizehn Jahre alt. Unterrichtsmaterialien wurden nach Südtirol geschmuggelt. Zunächst im Untergrund in Südtirol und später nur noch außerhalb wurden Lehrkräfte für Katakombenschulen ausgebildet.
Hermine, die bis 1941 im Geheimen unterrichtete, wurde – zu ihrem Glück, dem ihrer Eltern und dem der Eltern der unterrichteten Kinder – nicht erwischt. Den Ertappten drohten hohe Geldstrafen, Gefängnis oder sogar Verbannung! Das Risiko, das Hermine mutig mit ihren Eltern einging, war hoch.
Ab 1939 erhielten Kinder von Optanten wieder offiziell Deutschunterricht mit nationalsozialistischer Prägung; die Kinder der Daheimgebliebenen hingegen nicht. Diese Kinder waren weiterhin auf Katakombenschulen angewiesen.
Die römisch-katholische Kirche spielte eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der deutschen Sprache.
Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte Hermine ihren Traumberuf als Lehrerin ausüben. 1948 heiratete sie und nahm den Namen Orian an. Zwei Söhne schenkte sie dem Leben. 1996 verstarb ihr Mann Alfons.
Ihre Vorlieben waren das Lesen und Schreiben, solange sie es konnte.
Ihr größter Herzenswunsch ist die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, die ihr seit ihrer Geburt zusteht. Unverständlicherweise und auch unchristlich verweigert das offizielle Österreich Hermine Orian bisher die Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft!
Fotografie und Text: © Sepp